Nach Voss ist vor Nitsch

29.12.2016, 16:10 Uhr
Nach Voss ist vor Nitsch

© Foto: Edgar Pfrogner

In Berlin tritt 2017 ein Mann der Kunst die Nachfolge von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne an. Chris Dercon leitete zuletzt die Tate Gallery of Modern Art in London. Erleben wir Sie in Fürth womöglich noch als Stadttheater-Intendant?

Miksch: Ein sehr witziger Gedanke, der aber jeder Grundlage entbehrt. Die Berliner Personalie ist so spektakulär, dass ich selbst auch noch nicht weiß, was ich davon halten soll. Was wir dort erleben, ist die Ausnahme von der Regel. Allerdings geht es im Theater wie in der Bildenden Kunst um Sprache. Ohne Erklärungsbedarf besteht kein Vermittlungsbedarf.

Museumsdirektoren und Galeriechefs sind in kunstsinnigen Städten mindestens so wichtig wie der Bürgermeister. Was etwa der neue Leiter der Uffizien treibt, wird in Florenz auf Schritt und Tritt beobachtet und kommentiert. Beneiden Sie die Kollegen um ein solches Standing?

Miksch: Jetzt würde ich sehr lügen, würde ich Nein sagen. Diese Bescheidenheit würde kein Leser glauben.

Sie können dafür in Fürth tun und lassen, was Sie wollen. Niemand, der Ihnen reinredet.

Miksch: Das glaube ich nicht. Mein Rahmen ist sicht- und fühlbar eng gesteckt. In diesem begrenzten Rahmen kann ich aussuchen, wen ich will. Aber nicht, was ich will. Doch daran leide ich nicht.

Haben Sie die kunst galerie fürth in 100 Ausstellungen wichtig gemacht?

Miksch: Da sage ich spontan Ja. Aber mit „wichtig“ verbindet jeder etwas anderes. Die Galerie, das sage ich ohne Hybris, ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Erstaunlich ist trotzdem, dass sich manche Leute überhaupt nicht für sie interessieren. Für mein Empfinden gibt es viele Institutionen, die von uns Kenntnis haben und den Eindruck vermitteln, dass wir zu den bundesweit beachteten Einrichtungen gehören. Man überschätzt uns nicht, aber man respektiert uns. Das war mein notwendiges Ziel, und ich glaube, das wurde verwirklicht.

Ist die Zahl 100 für Sie eine Wegmarke?

Miksch: Nein. Aber es ist sehr schön, dass die 100. Ausstellung vor Jahresende mit einem ortsansässigen Künstler, Axel Voss, aufwartete.

Was haben Sie in 100 Ausstellungen über die Mentalität der Fürther gelernt?

Miksch: Diese Frage ist Glatteis. Ich fange nicht an zu schwadronieren, dass es Menschen gibt, die noch nie hier waren. Auftritt und Zuschnitt unserer Einrichtung erfordern, ständig dafür zu sorgen, dass die Leute kommen. Wäre das Stadttheater nicht Neorokoko, sondern ein Betonkasten, hätte es ein anderes Publikum. Und hätte es kein so schmuckes Foyer und Entrée, die Premieren und Aufführungen würden anders ablaufen. Und so hoffe ich, dass die Galeriegänger uns erleben und sagen: Na ja, klein und nicht besonders fein, aber die eine oder andere Ausstellung, Respekt!

Was geht ausstellungstechnisch in Fürth, was geht überhaupt nicht?

Miksch: Je älter ich werde, desto weniger glaube ich, Sicherheiten zu haben. Ich weiß, dass ich in 100 Ausstellungen derselbe geblieben bin. Ich zeige keine Extreme, aber ich zeige Ausstellungen, die karger oder weniger sprechend sind. Es gibt Kunst, die ich hier nie zeigen würde, auch nicht in größeren Räumen. Ich habe eine Spannbreite, die allerdings ihre Grenzen hat.

Und die liegen wo?

Miksch: Eine Grenze ist Kunst, die Ekel provoziert. Nicht, dass das keine Relevanz hätte, aber ich kann das nicht. Und ich bin seit Jahr und Tag einer, der sich, was das Bildnerische betrifft, als Traditionalist sieht. Über die Königsdisziplin Malen sage ich: Es gibt überzeitliche Notwendigkeiten und Zwangsläufigkeiten der Gestaltung auf der Fläche, gegen die man nicht dauerhaft verstoßen darf, ohne zu einem Misslingen zu kommen. Beim Zeichnen ist es ähnlich. Bei Skulpturen, Plastiken, Installationen gibt es sicher Grenzverschiebungen. Was ich allerdings hasse, ist, wenn man sagt: „Na ja, das kann man so oder so sehen.“ Früher oder später kommen die Betrachter zu einem einstimmigen Urteil. Es sagen hier natürlich nicht alle „Prima, toll!“, aber es echauffiert sich doch niemand über eine Ausstellung von Axel Voss.

Inwieweit hat sich die Fürther Szene seit der Galerie-Eröffnung gewandelt? Wo steht sie Ende 2016?

Miksch: Es gibt hier sicher nicht mehr Talente als vor 14 Jahren. Spricht man von Fürth, dann hat sich elementar nichts geändert, im Gegensatz zur Metropolregion. In Nürnberg gab es noch nie so viele Galerien wie jetzt, das hat aber auf die Fürther Szene wenig Auswirkungen. Fürth hat sich ja immer damit geschmückt, dass es im Verhältnis zur Bevölkerungszahl viele Künstler gibt. Das ändert sich allerdings. Und darüber müsste man nachdenken. Herr Scharinger (Fürths Kulturreferent bis 2011, FN) war der Erste, der hier ernsthaft die Idee eines Atelierhauses verfolgte. Ein wichtiges Anliegen, denn eine Kommune, die nicht in der Lage ist, günstigen Atelierraum zu fördern, wird Schwierigkeiten haben, von der Strahlkraft ihrer Kunstszene zu profitieren.

Und was soll die Kommune tun?

Miksch: Man würde sich wünschen, dass etwa die Kofferfabrik ausgebaut und renoviert wird. Es müsste ein erklärtes Ziel des Stadtrates sein, ein Atelierhaus als Zentrum und Begegnungsort zu installieren und dafür zu sorgen, dass sich wirklich arrivierte Künstler und nicht ambitionierte Hobbykünstler einmieten.

Der Hauptbahnhof ist immer wieder mal im Gespräch.

Miksch: Ich höre von Ansätzen, die so klingen, als könne man mit dem Bahnhofsgebäude gleich sämtliche Probleme auf einmal lösen. Freie Szene, Ateliers, Dependance der kunst galerie fürth: Der Hauptbahnhof kann nicht für alle und alles gleichzeitig da sein.

Glauben Sie ernsthaft, es wird nochmal was mit größeren Räumlichkeiten für die Galerie?

Miksch: Ich habe maßvoll immer wieder erwähnt, dass das, was wir hier haben, nicht das Ende der Fahnenstange sein kann und darf. 2002 habe ich gesagt: Es ist gut, endlich anzufangen. Aber ich hatte mir stets gewünscht, dass im Stadtrat größere Räumlichkeiten diskutiert werden. Eine Diskussion gab und gibt es nicht.

Welche Ausstellung ist Ihnen 2017 besonders wichtig?

Miksch: Wichtig sind mir alle. Doch die meisten Erwartungen verbinde ich mit „Reinheit und Ritual“ (10. März bis 23. April, FN), denn ich bin nach wie vor sehr überrascht, dass ich mir von einem Weltstar wie Hermann Nitsch Werke aussuchen und verbinden durfte mit Gefäßen von Hans Karl Kandel. Nitsch stellt aus in einer unbekannten Stadt, in einer unbekannten Galerie und mit einem für ihn unbekannten mittelfränkischen Künstler, das ist der größte Hammer. Und ich bin sehr stolz, dass die Kölner Künstlerin Monika Bartolomé mit ihrem „Museum für Zeichnung“, einer Installation und Präsenzbibliothek in einem, unserer Einladung gefolgt ist. Sie ist sehr skrupulös und überprüft genauestens, wo sie ausstellt.

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