Namen auf der Spur

5.8.2012, 10:00 Uhr
Namen auf der Spur

© André De Geare

Herr Professor Udolph, jeder hat einen Namen. Muss man da nachfragen?

Namen auf der Spur

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Jürgen Udolph: Man muss nicht. Aber wenn einem der Nachbar erzählt, dass er nun weiß, was sein Name bedeutet — dann wird automatisch der Wunsch wach, etwas über den eigenen zu erfahren.

Warum interessiert Menschen der Name so?

Udolph: Wenn Sie 60, 70 Jahre mit einem Namen durch die Gegend laufen, werden Sie das wissen wollen. Ich lese mal ein paar aus meiner Datei vor: Rauchfuß, Mehlhose, Frankenstein, Kannewischer, Pinkepank. Da fragt doch jeder, mein Gott, was bedeutet das denn? Mittlerweile bin ich auf sechs Radiostationen zu hören und mache 30 Sendungen pro Woche — nur zu Namen.

Wie gehen Sie vor?

Udolph: Es ist immer derselbe Weg. Wir nutzen Telefon-CDs, um die Verbreitung eines Namens festzustellen. Die Daten stammen aus den Jahren 1998 bis 2000. Warum? Heute haben alle Handy und stehen nicht mehr im Telefonbuch, zudem hatten Ende der 90er Jahre 98,5 Prozent der Ostdeutschen endlich einen Anschluss. Unter den 35 Millionen Einträgen übrigens kommen 500000 Namen nur ein einziges Mal vor.

Eine echte Fleißarbeit!

Udolph: Informatiker haben das aufbereitet und kartiert, sonst könnten wir gar nicht feststellen: Wie oft gibt es den Namen, wo kommt er vor? Namen, die in Deutschland entstanden sind, haben oft eine Verbreitung in einem bestimmten Bereich. Wenn Flucht und Vertreibung dahinterstehen, findet sich eine ganz andere Streuung: ein Flickenteppich. Dann suchen wir Richtung Osten. Wir nutzen auch das Verzeichnis „Familysearch“ der Mormonen mit drei Milliarden Namen. Sie sammeln die Namen aus religiösen Gründen: Weil für sie auch Tote noch die höchste Stufe der Seligkeit erlangen können.

Allein die Herkunft eines Namens reicht aber nicht, oder?

Udolph: Ohne zu wissen, woher ein Name kommt, wird es schwierig. Aber die Bedeutung ist das Entscheidende. Es gibt vier Gruppen, in denen sich Nachnamen gliedern. Erstens: Alle, die aus Vornamen entstanden sind, wie zum Beispiel Werner. Zweitens Berufsnamen wie Müller oder Schmidt, der auf den Schmied zurückgeht. Drittens Herkunftsnamen, die sich auf Orte beziehen oder Örtlichkeiten. Die Dörner haben an einem Dornengestrüpp gelebt. Viertens die Übernamen, die sich auf den Körper, geistige Fähigkeiten und Gewohnheiten beziehen. Herr Frühauf beispielsweise steht gern früh auf.

Kann man vom Namen auf den Charakter schließen?

Udolph: Nein, nein. Die Namen sind vor 600 bis 700 Jahren entstanden, das hat sich nicht über so viele Generationen vererbt.

Liegt denn richtig, wer bei einem Namen an das Naheliegende denkt?

Udolph: Wenn Sie zwei Erklärungen haben, eine einfache und eine eher undurchsichtige, dann ist die zweite mit Sicherheit die Richtige. Denn die Geschichte zeigt, dass sich Namen verändern. Zum einen, weil Sprache grundsätzlich danach strebt, einen Namen zu vereinfachen. Zum anderen hat sich vielleicht der Pfarrer einfach beim Eintrag ins Kirchenbuch verschrieben. Das macht gerade die Faszination der Namenforschung aus: Wörter zu finden, die nicht mehr vorhanden sind, und Ortsnamen, die es nicht mehr gibt.

Wie ist das mit Fürth? Der Name soll sich von der Furt durchs Wasser ableiten.

Udolph: Das stimmt, ganz einfach. Aber ich habe ein tolles Beispiel: Der Schauspieler David Hasselhoff hat immer gedacht, seine Familie stamme aus Hessen. Ich konnte seine Herkunft auf einen Hof — den Haselhof — bei Verden zurückverfolgen, von wo aus seine Urgroßmutter nach Amerika ausgewandert war. Über Generationen hatten Hasselhoffs Vorfahren dort eine Halbmeierstelle inne, die beruflich vererbt wurde. Den Hof bewohnt heute der Bürgermeister...

Viele Menschen leiden unter ihrem Namen. Sollen sie ihn ändern?

Udolph: In einem Landstrich Sachsens ist der Name Ficker häufig. Einer, der beruflich mit Hühnern zu tun hat, ist sogar der Hühner-Ficker. Ich frage mich, warum ändern die Leute das nicht? Aber sie tun es nicht. Denn dort ist es normal, man benutzt den Namen jeden Tag — und damit geht das Obszöne auch weg. Ficker kommt von fickrig, das zunächst nervös sein bedeutet und erst in zweiter Linie eine sexuelle Konnotation hat. Und wenn einer, wie der Historiker Julius von Ficker, der mit den Regesta Imperii die Quellen zu den deutsch- römischen Königen inventarisiert hat, eine geachtete Persönlichkeit ist, lacht der doch die aus, die über seinen Namen lachen.
 

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