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Nicht nur Teenies stehen auf Trachten

25.9.2017, 13:00 Uhr
Nicht nur Teenies stehen auf Trachten

© Foto: Sabine Rempe

Frau Weber, Sie sind Textilhistorikerin, wann haben Sie begonnen, sich für Stoff zu interessieren?

Katrin Weber: Das war schon in meiner Kindheit. Ich bin in Niederbayern, in der Nähe von Kelheim, groß geworden. Meine beiden Großmütter waren Schneiderinnen und ich habe mit Vorliebe alle Gewänder anprobiert. Wenn ich damals etwas im Fernsehen schauen durfte, dann haben mich dabei vor allem die schönen Kleider interessiert.

Gehören frühe Dirndl-Erfahrungen zu Ihren Erinnerungen?

Weber: Ja, schon. Wenn es gepasst hat, etwa bei einem Dorffest, dann habe ich gerne Dirndl getragen. In meiner Teenagerzeit war das dann allgemein nicht mehr so angesagt, aber seit gut zehn Jahren ist Trachtiges bei jungen Leuten ja wieder sehr beliebt.

Gab es denn je so etwas wie eine mittelfränkische Tracht?

Weber: Das ist ein entscheidender Punkt in der Forschung, man kann nicht sagen, dass die Tracht, zum Beispiel im Landkreis Fürth, immer genau so und so aussah. Bei den Frauen handelte es sich stets um Variationen von Oberteil, Rock, Kopfbedeckung und Accessoires. Die Männer trugen Hose, Weste, Jacke, Stiefel und Hut. Aber: Je nach Region und Individuum sah diese Grundausstattung etwas anders aus.

Welche Unterschiede fielen denn ins Auge?

Weber: Es gab eine deutliche Abgrenzung zwischen evangelisch und katholisch geprägten Gebieten. Schwarz oder zumindest dunkle Töne herrschten im evangelischen Bereich vor. Das war ein Ausdruck von Bescheidenheit, man wollte nicht eitel sein, keinen weltlichen Tand zur Schau stellen. Bei den Katholiken wurde die Farbe Rot sehr gerne gewählt, beliebt war zum Beispiel ein Ton, den man bis heute als "Kardinalrot" kennt. Auch dahinter stand die Verbindung zum Glauben.

Darf man sich diese Farbcodes wie ein eindeutiges Erkennungszeichen vorstellen?

Weber: Nein, es gab schon auch Abweichungen. Davon wird in der "Bavaria" berichtet, einer großen Landesbeschreibung, die König Maximilian II. von Bayern in Auftrag gegeben hatte. Dort ist zu lesen, dass die Bauern ihren protestantischen Glaubensgenossen zum Trotz bei großen Anlässen "ein rotes Leibchen" trugen, um ihre Geltung zu unterstreichen. In der "Bavaria" steht aber auch, dass um 1860 herum in Fürth die "nationale Bauerntracht" seltener geworden war. Anderenorts war das ähnlich. Für den König war das eine herbe Enttäuschung. Er hatte darauf gehofft, dass es so etwas wie eine bayerische Landestracht gab, die quasi wie eine Uniform als Bindeglied in seinem Reich gewirkt hätte.

Wenn auch der König in diesem Punkt irrte, gab es denn wenigstens ein Kleidungsstück, das für die Menschen in Franken typisch war?

Weber: Das gilt auf jeden Fall bei den fränkischen Frauen für die Haube. Wir haben bei uns solche Stücke im Depot, die sind mit langen Seidenbändern geschmückt.

Wie sieht die Zukunft im alten Wohnstallhaus aus?

Weber: Einerseits werde ich natürlich die Arbeit meiner Vorgängerin Evelyn Gillmeister-Geisenhof im Bereich der Forschung und Bewahrung fortsetzen. Ich möchte grundsätzlich eine gute Mischung aus Wissenschaft und Handwerk bieten. Dazu werden Kurse gehören, Ausstellungen, Publikationen, Schnittmuster.

www.trachtenforschung.de

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