Oberasbacher Bauer rebelliert: Ungesunde Zwangshaft fürs Federvieh

21.3.2021, 16:00 Uhr
Oberasbacher Bauer rebelliert: Ungesunde Zwangshaft fürs Federvieh

© Foto: Thomas Scherer

"Stimmt, wir riskieren eine Ordnungswidrigkeit und ein Bußgeld bis zu 30 000 Euro", räumt Kleinlein unumwunden ein. Aber das heißt nicht, dass wir die Seuche nicht ernst nehmen, sie ist hochinfektiös." Spaziergänger werden mit "Betreten Verboten"-Schildern auf Distanz gehalten.

Neben der Einzäunung steht Engewalds Eierwagen, ergänzt um Überzieher für die Schuhe und Desinfektionsmittel: sogenannte Biosicherheitsmaßnahmen. An dieser "Hygieneschleuse" führt für Engewald dieser Tage kein Weg vorbei. Das Futter gibt es ausschließlich im Hühnermobil, also unter Dach. Mit Kot von Wildvögeln, der als Hauptüberträger des Erregers gilt, kann es nicht in Kontakt kommen.

Langeweile und Kannibalismus

Kleinlein hat mit diesem Hygienekonzept eine Ausnahmegenehmigung beim Landratsamt beantragt, "um seinen Hühnern weiterhin ein artgerechtes Leben zu ermöglichen". Sie sind das Scharren und Picken gewohnt. "Würden wir sie einsperren, käme die Langeweile – und der Kannibalismus: Das ist der Fachbegriff, wenn sie sich gegenseitig picken. Dieses Verhalten kriegt man kaum mehr raus, ganz abgesehen davon, dass sich die gegenseitig zugefügten Verletzungen erst recht zu Infektionsherden entwickeln können", erklärt Engewald.


Bayern: Breitet sich Geflügelpest durch Zugvögel weiter aus?


Seit 2003, als die Vogelgrippe bekannt wurde, verfolgt Kleinlein "den Schlingerkurs der Politik", wie er den "Flickerlteppich" an verschiedenen Strategien gegen die Geflügelpest nennt. Kleinlein ist über die "IG gesunde Tiere", eine Interessenvertretung von Tierhaltern im deutschsprachigen Raum, eng vernetzt. Mit deren Unterstützung würde er auch einen Rechtsstreit riskieren - "einfach, um auf die Problematik aufmerksam zu machen".

Selbst in Regionen, in denen infizierte Tiere gefunden wurden, verschone man kleinere Halter von der Stallpflicht, andernorts genüge die Überspannung des Freilaufs mit feinmaschigem Netz. Kleinlein wünscht sich einheitliche, praktikable Lösungen. Am sympathischsten wäre ihm die Regelung, die in der Mecklenburgischen Seenplatte gilt: Dort müssen Tiere in Bio-Beständen bis zu 1000 Exemplaren ins Freie. "Es wäre auch ein politisches Signal für kleinere Ställe, also die Form der Tierhaltung, die gesellschaftlich und politisch doch seit Jahren gefordert ist."


Hühnerhaltung im eigenen Garten: Was gibt es zu beachten?


Das Landratsamt hält sich auf Anfrage der FN bedeckt. Kreissprecher Christian Ell verweist darauf, dass Kleinleins Antrag noch geprüft werde. Generell aber wolle man eben auf Nummer sicher gehen und orientiere sich dabei an den Empfehlungen des Friedrich-Loeffler-Institus. Das, hält Kleinlein dagegen, habe in einem Einzelfall aber auch schon Schlendrian in der Haltung nachgewiesen.

Eine Beschränkung der Aufstallung nur auf größere Betriebe macht nach Einschätzung der kreisbehördlichen Veterinärmediziner jedoch wenig Sinn, da gerade in Ober-, Mittel- und Unterfranken auch in Haltungen mit geringen Tierzahlen die Geflügelpest nachgewiesen wurde. Fallzahlen und Verteilungsmuster des Erregers bei Wild- und Hausgeflügel zeige aktuell "eine flächendeckende Verbreitung in ganz Bayern".

Kein Risikogebiet

Doch eine Allgemeinverfügung ohne Betrachtung der Situation vor Ort hält Kleinlein für rechtswidrig: "Wenn wir in zwei Kilometer Entfernung einen Fall hätten, würden wir unsere Tiere sofort einsperren." Nur hat er noch von keinem einzigen Fall im Landkreis gehört. "Wir sind kein Risikogebiet, wir haben weder Sumpfgebiete noch größere Gewässer, in denen sich die Viren gut halten könnten. Und wir haben keine großen Bestände mit Tausenden von Tieren." Der mit Abstand größte Stall ist ein Neubau für 3000 Hühner in Egersdorf. Kein Vergleich mit den Großbetrieben etwa in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen, die in der Vergangenheit Schlagzeilen machten.

Dass Wildvögel die Krankheit übertragen, will Kleinlein nicht in Zweifel ziehen. Aber bei den gravierenden Fällen der jüngsten Vergangenheit könnten die den Erreger gar nicht eingeschleppt haben. Es handelte sich – Beispiel Nittenau im Kreis Schwandorf, wo unlängst 50 000 Hühner gekeult wurden – um Bestände in geschlossenen Hallen.


Fränkisches Nutella: Jetzt helfen Hühner auf der Nussplantage


In solchen Großbetrieben sei die Seuchenverbreitung ein selbstgemachtes Problem. Das Virus würde eher über Personal, Gerätschaften oder Lkw-Fahrten weitergetragen, meint er. Im Hühnermobil könne das nicht passieren.

Auf diesem Gebiet waren die Kleinleins Pioniere. Sie haben 2012 den ersten mobilen Stall Frankens aufgestellt. Zwei Jahre später folgte das zweite Hühnermobil. Seit 2015, als Kleinlein seinen Milchviehhof auf Ökobetrieb umstellte, haben die Eier Bioqualität.

Die Kundschaft spricht von "Glückseiern". Oft decken die im Schnitt 400 Eier am Tag die Nachfrage nicht. Mancher Milchkunde, der bei den Kleinleins seit 1994 selbst "kuhle Milch" aus dem Automaten zapfen kann, bekommt abends gar keine Eier mehr ab. An der Bioqualität würde die Zwangshaft übrigens nichts ändern. Mit 38 Quadratmetern auf zwei Etagen genügt der Platz im Hühnermobil den Anforderungen. Die erlauben pro Quadratmeter bis zu sechs Tiere.

Keine Kommentare