Ohne Palmöl: Nutella bekommt Konkurrenz aus Cadolzburg

11.10.2017, 12:00 Uhr
Ohne Palmöl: Nutella bekommt Konkurrenz aus Cadolzburg

© Fotos: Philipp Ledényi/dlz agrarmagazin

Einen Namen braucht das Baby noch. Irgendwas mit "Nu"? Martin Stiegler hat darüber nachgedacht, angesichts von Nutella, Nutoka, Nusspli, Nussetti. . . Aber Namensrechte sind eine heikle Angelegenheit, und mit den Rechtsabteilungen von Ferrero und Co. will er sich nicht anlegen müssen. Es wird also wohl was "Langweiliges" werden, sagt der 25-Jährige. Etwas Schlichtes wie "Haselnuss-Brotaufstrich".

Drin stecken soll freilich alles andere als Langeweile. Bei der neuen Nussnougatcreme aus dem Cadolzburger Ortsteil Gonnersdorf, wo die Familie Stiegler Haselnüsse anbaut, soll der Nussgeschmack im Vordergrund stehen, nicht der Zucker. Die Nüsse kommen von den Plantagen der Stieglers und anderer fränkischer Anbauer. Der Nussanteil liegt in Stieglers Rezept aktuell bei 55 Prozent. Zum Vergleich: Bei Nutella sind es 13 Prozent.

Noch wichtiger sei ihm gewesen, dass das Produkt nachhaltig produziert wird – also unbedingt ohne das "so verrufene" Palmöl. "Für mich war klar, ich mache es nur, wenn es ohne Palmöl geht", sagt Martin Stiegler.

Palmöl, das weltweit wichtigste Pflanzenöl, ist umstritten. Es ist in Biokraftstoffen und in jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten: in Margarine, Pommes Frites, Schokoriegeln, Fertiggerichten, Seifen, Cremes, Lippenstiften, Putzmitteln, Kerzen. . . Die hohe Nachfrage trägt dazu bei, dass für die Plantagen Regenwälder gerodet werden und Lebensraum für Orang-Utans und Tiger verloren geht. Die damalige französische Umweltministerin Ségolène Royal hatte 2015 deshalb zum Boykott von Nutella aufgerufen.

Ein Boykott hilft nicht

Aber so einfach ist es nicht, wie Umweltschützer von Greenpeace und vom WWF einwarfen. Ferrero gehöre zu den Unternehmen, die am fortschrittlichsten mit Palmöl umgingen. Zudem, betonte WWF, benötigen Ölpalmen immerhin weniger Fläche als Ersatzpflanzen wie Kokospalmen, Soja, Sonnenblumen oder Raps. Die Lösung sei, Ölpalmen nachhaltig anzubauen – und gleichzeitig die Verbraucher dafür zu sensibilisieren, dass sie Palmöl vermeiden, indem sie bewusster einkaufen und kochen: möglichst regional und frisch, weniger Süßes und Fettes.

"Natürlich können wir keine Massen produzieren. Aber wer einen kleinen Beitrag leisten kann, sollte das tun", sagt Stiegler. Dank des hohen Nussanteils kommt sein Brotaufstrich ohne Zugabe von Öl aus.

Pioniere in Mittelfranken

Seine Eltern, Fritz und Sieglinde Stiegler, haben sich vor elf Jahren zusammen mit sieben weiteren Landwirten an den Haselnussanbau gewagt, als Pioniere in Mittelfranken. Bis heute teilt sich die Gruppe die Maschinen für die Ernte und Verarbeitung. Um letztere kümmert sich inzwischen Martin Stiegler mit seiner Firma Frankengenuss, er kauft auch einen Teil der Ernte der anderen Landwirte auf. Sein Sortiment reicht von gerösteten Nüssen über Haselnuss-Toffees, -Mus, -Salz, -Öl bis zu Haselnuss-Dinkel-Nudeln. Jedes Jahr sollen ein, zwei Produkte hinzukommen. Heuer: Cantuccini-Kekse und eben der Brotaufstrich.

Ohne Palmöl: Nutella bekommt Konkurrenz aus Cadolzburg

© Stiegler

Nüsse, Zucker, Kakaopulver, Kakaobutter und Vollmilchpulver werden dafür fein vermahlen. Etwa 2500 Gläser des Aufstrichs sind heuer geplant. Viel mehr geht in Gonnersdorf vorerst nicht, die Ernte ist limitiert. Für die Produktion einer so kleinen Menge brauchte es eine Spezialanfertigung der Firma Netzsch aus Selb, die sonst größere Anlagen baut. Zu kaufen gibt es den Aufstrich ab Mitte Oktober im Hofladen der Stieglers und in ihrem Online-Shop. Auf Facebook bekam Stiegler für die Nachricht Hunderte Likes: "Ich bin selbst erschrocken."

Die Stückzahl soll in den nächsten Jahren allerdings wachsen. Stiegler beobachtet, dass immer mehr Landwirte in den Haselnussanbau einsteigen, "für sie möchte ich die Anlaufstelle Nummer eins sein". Mit seiner Produktvielfalt will er signalisieren, dass er als Abnehmer bereitsteht.

Regionale Partner

Langfristig will er den Aufstrich als Bio-Variante anbieten, möglicherweise dann auch in Bio-Supermärkten. Der Betrieb wurde heuer auf Bio-Anbau umgestellt, in drei Jahren könnte er zertifiziert sein. Wo es geht, setzt der 25-Jährige auf regionale Partner: Seine Verpackungen kommen aus Langenzenn, die Etiketten aus Cadolzburg, das Mehl für die Cantuccini aus Ammerndorf. Zurzeit tüftelt er noch daran, das Vollmilchpulver bei der Nussnougatcreme wegzulassen, damit sie vegan angeboten werden kann.

Mit seiner Arbeit hat er nun auch die Jury des Wettbewerbs "Ceres Award" beeindruckt. Der Deutsche Landwirtschaftsverlag zeichnet mit dem Preis am Mittwochabend in Berlin Landwirte aus ganz Deutschland aus. Stiegler ist unter den Finalisten der Kategorie "Junglandwirt" und hat zudem Chancen auf den Titel "Landwirt des Jahres". Er verarbeite, so lobt die Jury, "mit viel Erfinder- und Unternehmergeist" nicht nur die Früchte, sondern finde auch für den Rest eine sinnvolle Verwendung. Die Nussschalen ersetzen Rindenmulch, aus überschüssigen Trieben wird Grillkohle. In Berlin wird Stiegler erfahren, ob ihn das zum Sieger macht.

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