Personalnot bei infra: Fürth braucht dringend Busfahrer

27.10.2019, 10:00 Uhr
Personalnot bei infra: Fürth braucht dringend Busfahrer

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Bei einer Podiumsdiskussion zur Verkehrswende in Fürth hat sich infra-Geschäftsführer Marcus Steurer kürzlich ans Publikum gewandt. Halb im Scherz sagte er in etwa: Falls Sie Busfahrer sind oder werden wollen oder jemanden kennen, der den Job machen will, dann melden Sie sich! Die Zuhörer schmunzelten. Fakt ist: Busfahrer werden landauf, landab gesucht wie die Nadel im Heuhaufen. "Die Lage ist seit diesem Sommer so angespannt wie noch nie", erklärte Steurer nun auf Nachfrage.


Fahrten fallen aus: Verkehrsbetriebe suchen dringend Busfahrer


Wegen der hauchdünnen Personaldecke entfallen vielerorts Fahrten. So mussten sich in Nürnberg in den vergangenen beiden Wochen immer wieder Passagiere an Haltestellen gedulden und, weil ihr Bus ausblieb, auf den nächsten warten. Wie berichtet, entfielen auf vier Linien 44 Fahrten, fünf wurden mit Taxis ersetzt.

Erlangens Stadtwerke warnten am Donnerstag via Facebook, dass von 1340 Fahrten an diesem Tag elf ausfallen. Und ihre Bamberger Kollegen posteten am 1. Oktober: "Wir trauen uns kaum, es zu sagen, aber wir können derzeit wieder viele Busfahrten nicht anbieten, weil sooo viele Kolleginnen und Kollegen krank sind."

Lücke auf Linie x

In Fürth, versichert der infra-Chef, seien während der Michaeliskirchweih "vereinzelt" Dienste ausgefallen. Einmal habe ein Taxi den Bus ersetzt. Wenn Fahrer kurzfristig erkranken, versuche man die entstehenden Löcher zu stopfen. Gelingt das nicht, würden die Ausfälle verteilt, und zwar so, dass früh auf Linie x eine Lücke entstehe und nachmittags auf Linie y. Auf ihrer Homepage informiert die infra darüber, bei Facebook ist sie erst seit kurzem vertreten.

Insgesamt 76 Busse absolvieren in Fürth pro Tag rund tausend Fahrten. Im Jahr legen sie 5,3 Millionen Kilometer zurück und bringen 27,3 Millionen Menschen von A nach B. Ein Fünftel der Fahrten übernehmen 18 Busse privater Partner. Das Problem: Für einen reibungslosen Betrieb benötigt die infra Steurer zufolge 190 Personen. Aber: "Wir haben 170."

Noch kooperiert die infra mit der Nürnberger VAG. Ist Not am Mann, helfen sich die Verkehrsbetriebe gegenseitig aus. Doch der "Busfahrer-Sonderpool" ist fast Geschichte. Ab 3. Dezember verbietet die EU-Verordnung 1370/2007, die den ÖPNV neu regelt, städteübergreifende Kooperationen wie diese. Das erschwert die Lösungsfindung.

Hohe Fluktuation

Ein Busfahrer beginnt bei der infra mit einem Jahresbrutto von 33.000 Euro, Steurer findet das "nicht so schlecht". Dazu gebe es etwa den Werksangehörigen-Tarif für Strom und Gas, einen Rabatt im Fitness-Studio, günstige Mahlzeiten in der Betriebskantine. Trotzdem sei die Fluktuation hoch, seien die fehlenden zwanzig Leute kaum zu kriegen. "Sie sitzen als Angler an einem Teich, der abgefischt ist." Vor dem Hintergrund, dass die Bevölkerung günstigere Tickets für Bus und Bahn wünscht und der ÖPNV für eine ökologische Verkehrswende auszubauen ist, hält Steurer die Lage für schier aussichtslos.

Warum aber sind Busfahrer so schwer zu kriegen? Ein Fahrer-Grüppchen am Pausenhäuschen beim Hauptbahnhof reagiert auf solche Fragen mit Kritik – am Gehalt, an der Schichtarbeit, an geteilten Diensten. Der Verkehr nehme zu, der Stress auch, sagt einer, bei Verspätungen etwa reagiere die Kundschaft zunehmend gereizt. Zugleich verlange der Job eine hohe Konzentration, man trage viel Verantwortung.

"Ansprüche extrem weit nach unten geschraubt"

Die infra "optimiert" Dienstpläne, sucht Personal, das das deutsche Grundvokabular beherrscht, auch in Osteuropa und Spanien, und erwägt, den Busführerschein zu bezahlen, der die Basis ist für den Job. "Wir haben unsere Ansprüche extrem weit nach unten geschraubt", sagt Steurer. Karin Rothkehl fragt sich, ob das der richtige Weg ist. Sie selbst hat nach der Grundig-Pleite den Lkw-Führerschein gemacht und ist zwei Jahre Betonmischer gefahren, ehe sie Busfahrerin wurde. "Da weißt du, wie breit dein Fahrzeug ist und wie weit du in der Kurve ausholen musst."

Die 49-Jährige macht ihren Job gern, würde ihn wegen der Arbeitszeiten aber niemandem empfehlen, der Familie hat. Auch ihr Kollege Hans-Peter Karl (64), Busfahrer seit 40 Jahren, sieht mit Skepsis, wie gering die Ansprüche an Berufseinsteiger sind. Denn: "Man muss belastbar sein, wissen, dass man Dienstleister ist und wissen, dass man Menschen transportiert und keine Kartoffeln." Nicht jeder sei dafür geschaffen.

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