Pflege: AOK verärgert Wohngemeinschaften

24.6.2019, 21:00 Uhr
Pflege: AOK verärgert Wohngemeinschaften

© Holger Hollemann/dpa

Das Problem plagt Vermieter und Dienstleister ambulant betreuter Wohngemeinschaften seit vergangenem Herbst: "Völlig unvermittelt und ohne Vorwarnung", sagt Birgit Bayer-Tersch, Geschäftsführerin des Gemeinde- und Wohltätigkeitsvereins Cadolzburg, stellte die AOK im Oktober die Kostenübernahme für die Bereitschaftspflege der Versicherten in ambulant betreuten Wohngemeinschaften ein.

Seitdem muss der Verein, dem auch die Diakoniestation als Dienstleister der Wohngemeinschaften angehört, die Behandlungspflege den Bewohnern privat in Rechnung stellen. Bisher hat Bayer-Tersch die Rechnungen zurückgehalten – in der Hoffnung, die Krankenkasse könnte ihre Entscheidung doch noch einmal überdenken.

Dieser Tage aber gehen die Rechnungen für Medikamentengabe, Blutzucker-Messungen oder das Anziehen von Stützstrümpfen an die Bewohner raus. In einem Fall sind das an die 1000 Euro im Monat. Doch die Ausstände des Vereins sind mittlerweile auf 30.000 Euro angewachsen, "darauf können wir nicht mehr verzichten", sagt Bayer-Tersch bedauernd.

Wie eine Familie

Das Haus an der Oberen Bahnhofstraße, das der Verein eigens für die Zwecke der Wohngemeinschaften umgebaut hat, bietet Platz für 23 Bewohner in zwei Gruppen. Im familienähnlichen Miteinander organisieren die Bewohner mit Unterstützung ihrer Angehörigen ihren Alltag selbst.

Es gab eine Warteliste. Doch mittlerweile stehen drei Zimmer leer. Knapp die Hälfte der Bewohner sind AOK-Versicherte. Müssen sie ihre Behandlungspflege selbst bezahlen, schmilzt der Kostenvorteil gegenüber einem Platz im Pflegeheim dahin. Das in der Altenhilfe groß propagierte Ziel "ambulant vor stationär" gilt hier offensichtlich nicht mehr.

Die AOK vertritt die Meinung, dass es für die Behandlungspflege keine Pflegefachkräfte braucht, sondern dass die hauswirtschaftliche Präsenzkraft, die ohnehin anwesend ist, diese Aufgaben mit erledigen kann. Doch das, so Bayer-Tersch, widerspreche allen Auflagen. Behandlungspflege sei von einer examinierten Fachkraft zu tätigen. Sollte die AOK jedoch ihre Genehmigungspraxis beibehalten, so wäre das unweigerlich "der Tod der fast 400 Wohngemeinschaften in Bayern", befürchtet die Geschäftsführerin. Dagegen vorgehen könnten nur die Betroffenen im Widerspruchsverfahren und mit einer Klage vorm Sozialgericht, wie Bayer-Tersch erläutert.

Gegen einen vorläufigen Beschluss, mit dem das Sozialgericht Nürnberg die AOK dazu verdonnerte, die Kosten einer Bewohnerin in Cadolzburg zu übernehmen, hat die AOK Beschwerde eingelegt. Der Angehörige, der seine Mutter vertrat, hat zwischenzeitlich die Krankenkasse gewechselt, andere übernehmen die Behandlungspflege schließlich anstandslos. Weitere Bewohner aber wollten das nicht, so Bayer-Tersch. Nachdem sie ein Leben lang eingezahlt hätten, sähen sie die AOK nun auch in der Pflicht, sie im Alter zu unterstützen.

Ein Hilferuf

Bayer-Tersch will den Protest gegen die Zahlungs-Unmoral der AOK nun auf breitere Basis stellen. Hiesige Abgeordnete hat sie bereits vor längerem angeschrieben. Sie hätten zwar alle Hilfe signalisiert, doch inhaltlich nichts vorgelegt, "worauf wir uns hätten beziehen können". Jetzt hat sie den Gemeinderat Cadolzburg um Unterstützung ersucht.

"Wir arbeiten dafür, dass Cadolzburger Senioren auch weiterhin in ihrer Heimatgemeinde gut betreut ihren Lebensabend verbringen können." Alle Träger der ambulant betreuten Wohngemeinschaften und Anbieter von Pflegediensten seien auf Rückendeckung aus Politik und Gesellschaft angewiesen, schrieb sie an Bürgermeister Bernd Obst. Der will sie nun erst einmal zur nächsten Gemeinderatssitzung einladen, um das Gremium zu informieren.

Hinter den Kulissen hat sich auf Initiative von "Heidis Hauskrankenpflege" in Langenzenn eine Betroffenen-Initiative formiert, die in die Informations-Offensive gehen will. Zusammengetan haben sich in der Runde Pflegedienste aus dem Landkreis, die in Cadolzburg, Langenzenn, Wilhermsdorf, Oberasbach und wie im Fall von Heidis Hauskrankenpflege auch in Nürnberg, Erlangen und Höchstadt Senioren-Wohngemeinschaften betreuen. Angedacht ist Bayer-Tersch zufolge auch eine Demonstration vor der AOK-Geschäftsstelle in Neustadt/Aisch, aus der die ablehnenden Bescheide kamen.

 

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