Pionierarbeit in Sachen Geschichte

17.10.2019, 11:00 Uhr
Pionierarbeit in Sachen Geschichte

© Thomas Scherer

"Es sei Ihnen gedankt, dass Sie den Gedanken des Miteinanders leben", sagt etwa Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus. Das Haus mit seiner Fürther Hauptstelle und den Dependancen in Schnaittach und Schwabach betreibe "Pionierarbeit für jüdische Geschichte und Kultur", lässt Rolf-Dieter Jungk wissen, Ministerialdirektor im Wissenschaftsministerium.

Mehr als nur warme Worte gibt es ebenfalls: Mit je 150 000 Euro unterstützt der Freistaat in den nächsten drei Jahren die Bildungsarbeit des Museums. Dies zu verkünden, oblag Bezirkstagspräsident Armin Kroder, zugleich seit wenigen Monaten Vorsitzender des Trägervereins.

Rund 100 Gäste aus Lokal- und Landespolitik, Wissenschaft und Kultur, darunter Gründungsdirektor Bernhard Purin, sind zugegen - ebenfalls fünf Gründungsmitglieder, die tatkräftig mithalfen, das Jüdische Museum Franken an den Start zu bringen. 20 Jahre alt ist es nun, doch schon Ende der achtziger Jahre war ein Förderverein um die Fürther Bezirksrätin Helga Pavlicek, auch sie unter den Gästen, fieberhaft auf der Suche nach einem geeigneten Domizil. Dass der Bezirk seinerzeit "eine kluge Entscheidung" getroffen habe, als dessen Wahl auf das Haus Königstraße 89 fiel, betonte OB Thomas Jung in seiner Ansprache. Zugleich rief er dazu auf, "höllisch aufzupassen". Kein jüdischer Mitbürger habe ihm bislang über Antisemitismus berichtet. Dennoch könne Halle "überall passieren".

Eine mahnende Tonlage durchzog denn auch sämtliche Reden dieses Festaktes, den ein Streichquartett des Fürther Kammerorchesters Ventuno mit Billy Joels eher melancholischem "And so it goes" eröffnet hatte. "Jüdisches Leben", so Jungk, "hat in Bayern einen festen Platz. Diesen Platz werden wir mit allen Mitteln verteidigen." Ein sichtlich aufgewühlter Spaehnle appellierte, der "Fratze des Antisemitismus" zu begegnen in Zeiten, da täglich jüdische Mitbürger "dumm angemacht" würden.

An den Bildungsauftrag des Museums – der 2018 eröffnete, knapp 1000 Quadratmeter große Anbau ermöglicht im Vergleich zum Kerngebäude ein Vielfaches an Veranstaltungen und Workshops – erinnerte Daniela F. Eisenstein, Leiterin des Hauses seit 2003. "Wir wollen die Pluralität vergangener und gegenwärtiger jüdischer Stimmen als Beitrag zur Regionalgeschichte hervorheben." Dabei gelte es, "lineare Narrative und Stereotypen aufzubrechen". Sie blicke dabei, auch mit Sicht auf die verstärkte Bildungsarbeit, hoffnungsvoll in die Zukunft.

Den Festvortrag hielt Christoph Schulte, Professor für Jüdische Studien und Philosophie der Universität Potsdam. Er erklärte die Besonderheiten jüdischer Museen, nämlich Religion und Alltägliches gleichermaßen zu präsentieren, als Ausfluss der vor 200 Jahren begründeten Tradition der Wissenschaft des Judentums. Jüdische Museen seien "primär keine Gedenkstätten", sie erinnern "an das jüdische Leben, nicht an den Tod" und seien "Bastionen des Bürgerlebens einer Stadt". Gleichwohl dürfe niemand nach dem Terroranschlag von Halle zur Tagesordnung übergehen. Eine Doktorandin Schultes saß an Jom Kippur betend in der Synagoge von Halle.

 

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