Plastikhalme im Fürther Mittelalter-Ambiente

23.12.2018, 14:00 Uhr
Plastikhalme im Fürther Mittelalter-Ambiente

© F.: Hirschberger/dpa

Trinkhalme aus Plastik sind auf dem Mittelaltermarkt nicht ganz zeitgemäß, doch es gibt sie. Zu heißem Mojito etwa. Nein, sagt der Mann hinter dem Tresen. Die Kundschaft hinterfrage die Dinger nicht. Er hält ein geringeltes Röhrchen hoch, die Alternative aus Papier, und zuckt mit den Schultern. "Ist halt nach dem halben Getränk kaputt."

Joakim Svensson, der in der Nähe Cappuccino, Chai und Cider verkauft, findet die Anti-Trinkhalm-Offensive "eine wunderbare Idee". Denn: "Wer braucht das?" Der in Fürth lebende Schwede serviert in Gläsern und Glastassen. Zum Umrühren gibt’s Löffel aus Metall und Stäbchen aus Holz. Letztere für den Fall, dass mal alle Löffel in Gebrauch und in der Spülmaschine sind.

Nachbar Marcus Neubert kredenzt Flammlachs auf Palmblatt-Tellern. "Ein rustikaler Stand mit Plastikgeschirr, das ginge gar nicht", stellt er klar, zeigt auf Tonbecher, in die er Wein und Whiskey schenkt, und auf Keramikschalen für Suppen. Dass die EU in einem ersten Schritt zur Eindämmung von Plastikabfall beim aus seiner Sicht ebenfalls überflüssigen Trinkhalm ansetzt, kann er nicht ganz nachvollziehen. Im Vergleich zum gesamten Plastikmüll sei das doch eine kleine Menge, meint Neubert, der sich auf Märkten eine konsequentere Mülltrennung wünscht, nämlich die gesonderte Sammlung von Glas und Plastik.

Tatsächlich ist ein einzelner Trinkhalm kaum der Rede wert. Statistisch aber verbraucht jeder EU-Bürger pro Jahr 71 Stück. Das summiert sich, wie berichtet, auf 3,6 Billionen Röhrchen, die oft nur eine Minute lang in Gebrauch sind.

Doris Müller, die auf dem Weihnachtsmarkt Popcorn, gebrannte Mandeln und süße Herzen verkauft, findet zwar, dass die ganze Welt bei einem Verbot von Waren aus Wegwerfplastik mitmachen müsste. Trotzdem hält sie den EU-Vorstoß für richtig, denn so werde mehr Grips in Alternativen gesteckt. "Die Leut’ sind ja erfinderisch, denen fällt bestimmt was ein, was besser für die Umwelt ist." Mit Blick auf die To-go-Kultur, aufs Kaffeetrinken im Laufschritt aus Einmalbechern, plädiert die 59-Jährige fürs Innehalten. "Früher hat man sich halt ins Café gesetzt und Pause gemacht."

Vor der Glühweinhütte von CSU-Stadtrat Ronald Morawski wärmen sich Menschen an Glas- und Keramiktassen mit heißer Schokolade, Glühwein eben oder Eierpunsch. Zu Letzterem gibt’s bunte Kunststoffhalme, die in ein Mini-Löffelchen münden. Damit lasse sich das Sahnehäubchen auf dem Punsch gut wegschlecken, meint der Chef und betont: Weil die Kunden auf die Tassen Pfand bezahlen, lande auch der Halm nicht auf dem Boden. "Glas und Röhrla gehen zu 100 Prozent zurück an uns." Und dann? "Landen sie im gemischten Müll, und der ist gut für die Müllverbrennung." Ins Meer, beteuert Morawski, gelange nichts davon. Das sei ihm wichtig, "schließlich sollen meine fünf Enkelkinder eine lebenswerte Umwelt haben".

Davon abgesehen, ob die Welt Trinkhalme braucht oder nicht: Es gibt sie auch aus Stroh (daher der "Strohhalm"), aus Glas oder Metall. Cornelia Wolf, Mitinhaberin von "Wolf am Bahnhof", wo man quasi alle Haushaltswaren, aber keine Trinkhalme kaufen kann ("Wozu denn?"), fragt sich bei den Mehrwegvarianten allerdings: "Wie krieg’ ich die sauber?" Aus ihrer Kindheit weiß sie, dass sich Makkaroni umfunktionieren lassen. "Man darf sie halt nicht im Getränk stehen lassen." Dasselbe gilt für eine andere essbare Alternative, Trinkhalme aus gepressten Rückständen beim Mosten. Ein Start-up aus Sachsen setzt auf den Apfeltrinkschlauch, der sich ähnlich der Nudel nach einer Weile im Getränk auflöst. Anders als die Nudel verströmt er ein zartes Fruchtaroma.

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