Playmobil: Kleine Männchen mit großer Reichweite

22.6.2014, 16:00 Uhr
Playmobil: Kleine Männchen mit großer Reichweite

© Edgar Pfrogner

Am Heiligen Abend 1971 fiel eine Entscheidung, die im Leben von Oswald Bayer eine grundlegende Weiche stellte. Der 77-Jährige, der bis heute als Berater bei geobra Brandstätter tätig ist, erinnert sich: „Damals suchte Horst Brandstätter einen Vertriebsleiter. Wir trafen uns am 24. Dezember zu einem Gespräch und ich war sofort fasziniert von der Art, wie dieser Mann seine Pläne vortrug.“ Man verständigte sich darauf, „in Zukunft zusammenzuarbeiten“, und weil am 24. Dezember natürlich niemand sonst im Büro war, bekam Bayer ein kariertes DIN-A5-Blatt, auf dem der Chef handschriftlich die Vereinbarung aufgezeichnet hatte.

Bayer, der zuvor bei Photo Porst und Diehl gearbeitet hatte, bezog 1972 in der Fürther Straße in Zirndorf seinen Schreibtisch in einer Firma, die unter anderem Kaufladenartikel und Spielzeugtelefone herstellte: „Mit 20 Millionen Mark Jahresumsatz war das ein relativ kleines Unternehmen.“ Der Wettbewerbsdruck war groß, obendrein zwang die Ölkrise der 70er Jahre kunststoffsparend zu produzieren. In Zirndorf wollte man Neues wagen: „Horst Brandstätter gab Hans Beck den Auftrag, eine Art von Serienspielzeug zu entwickeln.“ Das war die Geburtsstunde eines Erfolgs, der Geschichte schrieb.

Die längst legendäre Idee, die Beck, gelernter Tischler und beseelter Modellbauer, vorstellte, war ebenso einfach wie genial: Er präsentierte eine Fahrzeugserie plus die dazugehörigen Figuren. „Das hatte es so noch nicht gegeben, Kinder konnte damit alles nachspielen, was sie erleben“, sagt Oswald Bayer.

Den Erfinder, der 2009 mit 79 Jahren starb, würdigt er als „ganz ruhigen, introvertierten Menschen, der mit seinen Kreationen etwas schuf, das seit 40 Jahren besteht – eine fantastische künstlerische Leistung“. Klug sei auch die Größe gewesen, die Beck für die neuen Spielzeug-Stars wählte. „Genauso groß wie möglich und so klein wie nötig – perfekt für eine Kinderhand.“

Playmobil: Kleine Männchen mit großer Reichweite

© Hans-Joachim Winckler

Indianer, Ritter, Bauarbeiter sind die ersten von vielen bald überall liebevoll „Playmobilmännchen“ genannten Figuren. 1974 feiern sie bei einer Hausmesse Premiere. „Die Akzeptanz des Handels war überschaubar“, beschreibt Oswald Bayer die Reaktionen. „Nur zwei oder drei Leute hatten wirklich Interesse, die anderen konnten das Produkt nicht einschätzen – es war etwas vollkommen Neues.“ Es bedürfe einfach beträchtlichen Sachverstands, auf den ersten Blick bewerten zu können, was in einer solchen Neuheit stecke.

Einer erkannte, was für eine Riesenchance da aus Zirndorf kam: „Hermann Simon, einem holländischen Großhändler, war augenblicklich klar, was da vor ihm stand. Er sicherte sich die Exklusivrechte für die Niederlande und platzierte den ersten Auftrag für Playmobil im Wert von einer Million Mark. Sein Auftrag deckte im ersten Jahr zwei Drittel unserer Produktionskapazität ab.“ Der damals verantwortliche Vertriebsleiter Bayer rechnet vor: „Im ersten Jahr betrug der Umsatz drei Millionen Mark – nach drei Jahren lag er bei 100 Millionen Mark.“ Playmobil begann seinen Siegeszug.

Intensive Arbeit

Hinter dem begeisternden Erfolg stand intensive Arbeit. Oswald Bayer weiß: „Um dieses Volumen zu schaffen, mussten Gebäude errichtet, Maschinen und entsprechende Formen eingesetzt und Mitarbeiter angestellt werden.“ Für ihn ist „die Beschaffung der finanziellen Mittel, die nach intensiven Gesprächen mit den Banken bereitgestellt wurden, genauso zu bewundern wie die Schöpfung der Figuren“. Der Insider lobt: „Das beweist, was ein Unternehmer zu leisten vermag.“

Mehr noch. Oswald Bayer ist sich sicher: „Hätten wir eine andere Unternehmensform gehabt, etwa eine Aktiengesellschaft, dann wäre die Playmobil-Idee schnell tot gewesen.“ Für ihn ist der Mut entscheidend, ein großes Risiko einzugehen. „Das hat zum Erfolg geführt.“ Und der lässt sich in eindrucksvollen Zahlen ausdrücken. „1981 hatten wir 200 Millionen Mark Umsatz und es ging immer so weiter.“ Überrascht war der Vertriebsleiter von dieser Entwicklung nicht: „Es war relativ schnell auch an den Reaktionen der Kinder zu sehen, wo das hinführt.“ Oswald Bayer zog sich mit 65 Jahren als Vertriebsleiter aus dem Tagesgeschäft zurück, dem Unternehmen steht er aber nach wie vor als Berater zur Verfügung und bringt drei Tage in der Woche für drei Stunden am Schreibtisch in Zirndorf seine Erfahrung und sein Wissen ein.

Hat der Mann, der beinahe sein ganzes Arbeitsleben den Playmobilfiguren gewidmet hat, einen Favoriten unter den inzwischen rund 4000 Varianten? Oswald Bayer besinnt sich. „Eigentlich nicht“, gesteht er. Sein Blick geht stets in Zukunft, das jeweils nächste Model ist darum für ihn das spannendste.

Zu Hause im Regal steht allerdings doch etwas Besonderes: „Da habe ich eine Bauernfigur mit Gänsen, die haben mich von der technischen Seite absolut fasziniert. Der rote Schnabel, die Augen – alles aus einer Form. Daneben gibt es bei mir noch einen Affen, der im Mehrkomponentenverfahren gefertigt wurde. Auch der ist für mich ein kleines technisches Wunderwerk.“

http://www.museen.nuernberg.de/spielzeugmuseum/kalender-details/ausstellungen/die-welt-im-spiel40-jahre-playmobil/1b43c8d749d309bce6203783fdca8bce/

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