Porträt aus vielen Puzzlestücken

9.11.2010, 22:00 Uhr
Porträt aus vielen Puzzlestücken

© Städtebilder-Verlag

Denken kann man sich, dass der kleine Elias 1760 in der Gegend zur Welt kam, die aufgrund der zahlreichen Synagogen, Bethäuser und pädagogischen Einrichtungen so eine Art jüdisches Viertel in Fürth bildete, wenngleich es hier, am Rande des Gänsbergs zwischen Löwenplatz und Königstraße, nie ein ausgesprochenes Getto gab wie in vielen anderen deutschen Städten.

Elias „genoss“ eine strenge Erziehung und eine umfassende Einweisung in die Notwendigkeiten und Geheimnisse der Religion. Sein Lehrer soll unter anderem Rabbi Jossef Steinhardt gewesen sein, der zwischen 1764 und 1766 der großen und bedeutenden jüdischen Gemeinde in Fürth vorstand und hier eine in ganz Europa bekannte und gerühmte Talmud-Hochschule, eine sogenannte Jeschiwah, leitete.

Fundierte Bildung

Elias erwarb nicht nur eingehende Kenntnisse des traditionellen jüdischen Schrifttums, sondern auch der hebräischen Sprache und ihrer Sprachlehre – was ihm schon bald zugute kommen sollte.

Zwar war das jüdische Fürth mit seinen Hochschulen und den berühmten Lehrern im 18. Jahrhundert alles andere als Provinz, einen wissbegierigen jungen Mann wie Elias jedoch zog es hinaus in die Welt, von der man auch in Franken Ungeheuerliches vernahm: nicht zuletzt die Französische Revolution mit ihren Idealen machte die angehenden jungen Intellektuellen neugierig, Paris – und dort die Möglichkeiten der Bildung und des Disputes – zog sie wie ein Magnet an. Elias verlässt das Haus seines Vaters Jakob Chalfan Levi und seiner Mutter Gela und reist aus diesem „fränkischen Jerusalem“ ab. Für ein paar Jahre verliert sich seine Spur, aber er muss – wo auch immer – weiter studiert haben: den Talmud und Sprachen, unter anderem auch Arabisch.

Über Metz führt ihn sein Weg – Elias ist schon über 30 Jahre alt und wird sich jetzt in Frankreich Elie Halévy nennen – nach Paris. Dort kommt er mit wenigen Habseligkeiten im Gepäck 1795 an: er ist bereits ein ausgewiesener und hervorragender Spezialist auf dem Gebiet der hebräischen Sprachlehre, hat Erfahrungen als Lehrer in jüdischen Fächern und Synagogalmusik (Chasanuth). Elie assimiliert sich in Paris leicht, fühlt sich als echter Franzose. Beruflich versucht er sich zunächst als Kaufmann, muss um das Jahr 1802 herum aber schon Konkurs anmelden, wird dann Angestellter der wachsenden jüdischen Kultusgemeinde, arbeitet als Übersetzer und Lehrer für hebräische Sprache, ist Chefredakteur der ersten jüdischen Zeitung in Paris („L`Israélite francais“, die ab 1817 erscheint) und Autor zahlreicher Bücher, darunter ein „Lehrbuch für die israelitische Jugend“, eine Religions- und Morallehre und ein hebräisch-französisches Wörterbuch (das unveröffentlicht bleibt).

Keineswegs aber bewegt sich Halévy in seinem Denken allein in starren religiösen Grenzen: seine Zeitschrift wird vielmehr zu einer gefragten Plattform für den philosophischen Dialog, er selber setzt sich mit Sokrates und Spinoza auseinander, untersucht und interpretiert die Aesopischen Fabeln – und er ist vor allem ein leidenschaftlicher Verteidiger der revolutionären französischen Gedanken.

Am 5. November 1826 stirbt Halévy, der seine Heimatstadt „Fjorda“, wie er einmal unter ein Gedicht schrieb, wohl nie recht vergessen konnte und wollte. Er hinterlässt fünf Söhne – und an einigen von ihnen ist es nun, dem Familiennamen einen noch größeren Glanz zu geben.

Zum Beispiel Fromental Halévy, Komponist und Schöpfer der bis heute enorm erfolgreichen Oper „Die Jüdin“. In ihr verarbeitet der Sohn typische Szenen aus dem Leben jüdischer Bürger in einer Stadt, die diese nicht an den Rand drängte, sondern sie aufnahm in ihre Mitte.

Fürther Anklänge

Das Wissen darüber konnte der in Paris geborene Fromental nur von seinem Vater haben, und auch wenn der Name Fürth nicht genannt wird in dem Werk, lässt sich der Ort ziemlich genau lokalisieren. Was in jüngster Zeit auch Musikwissenschaftler bestätigten. Ein Halévy-Biograf geht sogar so weit, dass er sagt, in der Oper würden „die uralten, geheiligten Niggunim (synagogale Gesänge, Anm.) der Kehila Kedoscha (Gemeinde, Anm.) Fürth immer von neuem erklingen“.

Doch nicht genug: Elie Halévys Enkeltochter heiratete den Komponisten George Bizet (zudem wird ihr Marcel Proust in seinem großen Romanwerk ein kleines Denkmal setzen), der Enkelsohn Ludovic wurde zum genialen Textdichter von Jacques Offenbach; die Familie wird außerdem Philosophen, Historiker, Politiker und gar ein Mitglied der Académie Francaise hervorbringen...

Stammvater aber aller war Elias Jakob Chalfan Levi, geboren an irgendeinem Tag vor 250 Jahren in irgendeinem Haus zwischen Königstraße und Löwenplatz in Fürth, das er stolz und in der Fremde sehnsüchtig Fjorda nannte.