Prozess um Gustavstraße: Bleibt es bei der 23-Uhr-Sperrzeit?

18.11.2015, 12:00 Uhr
Prozess um Gustavstraße: Bleibt es bei der 23-Uhr-Sperrzeit?

© Archivfoto: Hans Winckler

Nicht nur in der Kleeblattstadt wird man das Verfahren gespannt verfolgen: Denn mit der 23-Uhr-Außensperrzeit ist Fürth nicht allein, auch in Nürnberg, Erlangen und vielen anderen Städten nutzen Wirte ihre Freischankflächen bis 23 Uhr. Sollte der 22. Senat des VGH tatsächlich zur Auffassung gelangen, dass die Nachtruhe in Mischgebieten wie der Gustavstraße bereits um 22 Uhr anfängt, könnte das also „hohe Wellen schlagen“, wie Rechtsreferent Christoph Maier auf FN-Nachfrage sagt. Die 23-Uhr-Regelung könnte dann auch andernorts wackeln, wenn Anwohner klagen. Ein solches Urteil hätte „Präzedenzwirkung“, vermutet Maier, es würde wohl in Fachzeitschriften sowie im Städtetag und in parlamentarischen Gremien behandelt werden.

Noch ist der Ausgang freilich völlig ungewiss. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Streitparteien – die Stadt Fürth auf der einen Seite, ein Hausbesitzer aus der Altstadt auf der anderen – vor Gericht zu einem Vergleich finden, was den Richtern ein Urteil ersparen würde. Doch angesichts der gescheiterten Mediation ist eine Einigung nicht sehr wahrscheinlich. „Der Senat ist bekannt dafür, dass er dicke Bretter bohrt“, sagt Maier, „er wird einer Entscheidung nicht aus dem Weg gehen, wenn es sein muss.“

Der Referent selbst wird die Kommune in München zusammen mit Oberbürgermeister Thomas Jung, Ordnungsamtsleiter Hans-Peter Kürzdörfer und Oberrechtsrätin Hannah Gawehns vertreten. Sein Bauchgefühl? „Es ist ein bisschen Hoffen und ein bisschen Bangen – so wie sich ein Anwalt vor einem Prozess im Regelfall fühlt.“

Es war ein langer Weg bis zu dieser Berufungsverhandlung, bei der es um ein Urteil aus dem Juli 2013 geht: Damals hatte die juristische Auseinandersetzung mit dem Hausbesitzer aus der Gustavstraße, der für mehr Ruhe kämpft, gerade erst begonnen und die Fürther Stadtspitze eine Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach kassiert: Die Richter stützten sich auf die sogenannte TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm). Danach darf in Mischgebieten während der Nachtzeit von 22 Uhr bis 6 Uhr ein Lärmwert von 45 dB(A) nicht überschritten werden. Die Folge: Auf Freischankflächen müsste um 22 Uhr Schluss sein, denn selbst kleine Gruppen von Menschen, die sich unterhalten, wären schon zu laut.

Die Stadt legte Berufung ein und hofft, dass der VGH als höhere Instanz das Urteil aus Ansbach korrigiert. Dass es erst jetzt zur Verhandlung kommt, liegt daran, dass Richter des VGH zunächst die Chance sahen, den Fürther Streit mit der bereits erwähnten Mediation zu beenden.

"Nicht mehr zeitgemäß"

Die Stadt Fürth will den Senat davon überzeugen, dass sich das Ausgehverhalten geändert habe und die 1968 erlassene und 1998 letztmalig überarbeitete TA Lärm nicht mehr zeitgemäß sei. Es müsse erlaubt sein, die darin definierte Nachtzeit um eine Stunde hinauszuschieben. Kritiker bemängeln überdies, dass die TA Lärm für Industrie- und Gewerbeanlagen bestimmt sei und nicht geeignet sei, den Kneipenlärm zu regeln. Ein Vorstoß der bayerischen SPD, für Freischankflächen eine Verordnung gemäß der Biergartenverordnung (Sperrzeit: 23 Uhr) zu erlassen, scheiterte Anfang 2014 jedoch im Landtag.

Klar ist, dass sich die Richter nicht allein für den Alltagsbetrieb der Kneipen interessieren werden, sondern sich ein umfassendes Bild der Belastung der Anwohner machen wollen. Die Stadt will darlegen, dass sie die „Lärmfracht“ in der Altstadt durch Einschnitte bei Festen bereits deutlich reduziert habe.

Das allerdings sieht der Kläger anders. Die Gesamtsituation habe sich seit jenem Juli 2013 nicht verbessert, sagt er, und das in einem Viertel, in dem der Bebauungsplan einen besonderen Schutz der Anwohner vorsieht. Die Stadtverwaltung habe nur Einschnitte gemacht, die er und andere Kläger gerichtlich erstritten haben. Zudem gebe es mit ihr keine Rechtssicherheit und keine „Verbindlichkeit“, da sie sich nicht festlege, sondern etwa im Veranstaltungskonzept Spielräume für die nächsten Jahre lasse. Er und die übrigen Kläger hätten kein Vertrauen mehr in die Stadt, sie hoffen nun auf den Senat: „Da muss jetzt mal ein Gerichtsbeschluss her.“

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