Q wie Quelle

25.8.2012, 19:00 Uhr
Q wie Quelle

© Weigert

Arcandor war ein politischer Name. Mit dem Beiklang von Arkaden und Gold sollte KarstadtQuelle an Glanz gewinnen, der neue Name „Verlässlichkeit, Treue und Mut“ vermitteln. Da war die Holding längst in Misskredit geraten, milliardenschwere Verluste mussten abgebaut werden. Wenn an den internationalen Finanzmärkten über Arcandor gesprochen wurde, sollte niemand mehr an rote Zahlen denken.

Die Versandhandelsaktivitäten firmierten unter Primondo. „Ein blödsinniger Name!“ Manfred Gawlas, langjähriger Leiter der Unternehmenskommunikation der Quelle, kann heute frei heraus sagen, was er denkt. Und er hat noch immer Wut. Nicht die Umbenennung sei der Anfang vom Ende gewesen, sondern die Fusion von Karstadt und Quelle 1997.

Für die Kunden freilich firmierten auch unter Arcandor Quelle und Karstadt weiter unter ihrem guten Namen. Denn eine Marke ist gewonnenes Vertrauen: Produkte oder Dienstleistungen, die über Jahre und Jahrzehnte durch Qualität überzeugen und Kunden binden. Das ist bares Geld wert. 65 Millionen Euro soll Otto für den Namen Quelle an den Insolvenzverwalter gezahlt haben.

Was ist ein guter Name für ein Unternehmen? Er soll eingängig, bildhaft und leicht auszusprechen sein, heißt es in diversen Tipps für Gründer. Er muss aussagekräftig sein und darf keine übertriebenen oder unwahre Angaben enthalten. Es sollte ihn kein anderer schon besetzt haben, etwa in der gleichen Stadt oder als direkter Konkurrent. Ist er gefunden, kann man ihn beim Patent- und Markenamt schützen lassen und wer sich dieses Recht weltweit sichern will, zahlt bis zu 20000 Euro dafür.

Uff. Über all das hat sich Gustav Schickedanz wahrscheinlich wenig Gedanken gemacht, er hatte mit „Quelle“ einen trefflichen Namen gefunden. Direkt von der Quelle sollten seine Kunden beziehen, Qualität musste für die breite Masse erschwinglich sein. Darauf gründete eine unglaubliche Erfolgsgeschichte und ein steiler Niedergang. 2002 noch feierte das Unternehmen sein 75-jähriges Jubiläum mit einem rauschenden Fest im Fürther Stadtpark, im Oktober 2009 war Quelle pleite.

Die Frage, die man sich damals bei der KarstadtQuelle-Versicherung stellte: „Können wir unter diesem Namen sinnvoll verkaufen?“ Die Antwort lautete Nein. Die Ergo Holding — seit 2002 Mehrheitsaktionärin und ab Januar 2009 alleinige Eigentümerin – ging auf Distanz. Neuer Name, neuer Start. Im Unternehmen sei kollektiv aufgeatmet worden, erinnert sich Pressesprecher Frank Roth. Die Umbenennung kostete etwa 1000 Personentage und drei Millionen Euro: Zwei Kundenbriefe gingen an 8,4 Millionen Versicherte. 500 Werbemittel, 200 Servicenummern und 30 Bandansagen mussten geändert werden, dazu 5000 Textbausteine. „In den Untiefen des Intranets finden wir noch heute den Namen KarstadtQuelle“, berichtet Roth. Einzelfälle. Die Kunden haben sich an den neuen Namen gewöhnt, die Entscheidung war richtig.

Für die Küchen Quelle war dagegen wenig wichtiger, als den eigenen Namen zu halten. Als eigenständige Quelle-Tochter war sie Marktführer in Deutschland und gesund. Innerhalb von 20 Arbeitstagen hatte Bernd Warnick, damals noch Quelle-Manager und heute zusammen mit Christian Bühler geschäftsführender Gesellschafter, die Umwandlung zur GmbH gemanagt. Den Verkauf des Markennamens Quelle an Otto erlebte er als „herben Rückschlag“. Obwohl es eine Vereinbarung gab, musste Warnick zum Gespräch nach Hamburg reisen. Herzinfarktstimmung: „Bei uns war kein anderer Name da.“

Alles stand auf dem Spiel: Das Vertrauen der Kunden und der Zugriff auf acht Millionen Haushalte in der Adressdatei. Alles ging gut. Der wirtschaftliche Knoten platzte aber erst mit einer breit angelegten Radiokampagne, die zeigte: Küchen Quelle lebt. „Das hätten wir mit keinem anderen Namen hingekriegt“, ist Bernd Warnick überzeugt. Im zweiten Geschäftsjahr konnte das Unternehmen ein Umsatzplus von 29 Prozent vermelden, in diesem Jahr peilt die Küchen Quelle 14 Prozent an.

Traurig findet Warnick immer noch, dass es „meine Quelle“ nicht mehr gibt. Aber eine lebendige Erinnerung: Bis zum 23. September ist die Ausstellung zur „Geschichte eines fränkischen Weltkonzerns“ im Nürnberger Museum Industriekultur zu sehen. Manfred Gawlas, der heute bei einer Frankfurter Agentur arbeitet, kam zur Eröffnung im Frühjahr. Es war sein erster Ausflug in die Region nach dem Ende.

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