Roßtaler Archäologe wird Kreisheimatpfleger

2.11.2017, 06:00 Uhr
Roßtaler Archäologe wird Kreisheimatpfleger

© Foto: Ehm

Die Nazis haben den Begriff vergiftet, die Rechtspopulisten missbrauchen ihn gerade für ihre Zwecke – was, Herr Liebert, bedeutet Heimat für Sie?

Thomas Liebert: Diese politische Instrumentalisierung ist traurig. Für mich ist Heimat unheimlich vielschichtig. Heimat ist nichts Festes, sondern etwas Transportables, das heißt, ich kann sie mitnehmen. Wenn ich beruflich den Wohnort wechsle, mich dort wohl fühle mit der Umgebung, der Landschaft, der Architektur, den Menschen und ihrem Dialekt, dann kann das meine zweite Heimat werden. Wenn ich mir alleine den Wikipedia-Artikel im Internet ansehe, wird klar, wie viele Facetten Heimat hat. Für mich ist das auf jeden Fall ein positiver Begriff.

 

Sie sind Archäologe und Betriebswirt. Wie kamen Sie nun zum Ehrenamt des Kreisheimatpflegers?

Liebert: Unser derzeitiger Kreisheimatpfleger Georg Lang hat bei mir angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das Amt des Kreisheimatpflegers zu übernehmen.

 

Was reizt Sie an der Aufgabe?

Liebert: Einen Vortrag in Nürnberg habe ich einmal mit den Worten eingeleitet: Der Landkreis Fürth ist klein, aber fein und mittendrin. Letzteres gilt gerade, wenn man sich das Deutsche Reich in seinen mittelalterlichen Grenzen vorstellt. Wir haben einiges zu bieten, im Rückblick auf die Historie sind im Landkreis immer wieder Brennpunkte deutscher Geschichte entflammt.

 

Welche denn?

Liebert: Im Jahr 954 versuchte König Otto I., vom Fürstentag in Langenzenn kommend, auf der Verfolgung seines Sohnes Liudolf und dessen Truppen, das befestigte Horsadal, also Roßtal, einzunehmen und scheiterte. Die Hohenzollern hatten ihren Sitz in Cadolzburg. Oder der Dreißigjährige Krieg: Wallensteins Lager und die Schlacht an der Alten Veste, die dem schwedischen König Gustav Adolf den Nimbus des Unbesiegbaren aus dem Norden nahm, das waren zentrale Ereignisse der damaligen Zeit. Auch ein unrühmliches Kapitel deutscher Geschichte gehört dazu: der berüchtigte fränkische Gauleiter Julius Streicher in seinem Gut auf dem Pleikershof. Auf die von ihm herausgegebene Zeitschrift "Der Stürmer" trifft tatsächlich der Begriff der Lügenpresse zu. Und es ist die Ironie der Geschichte, dass gleich nach Kriegsende im Steiner Schloss Journalisten der freien Welt untergebracht waren, um von dort über die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse zu berichten.

 

Und was hat das für eine Bedeutung für Ihre Arbeit als Kreisheimatpfleger?

Liebert: Das sind Objekte und Ereignisse, die Alleinstellungsmerkmale für den Landkreis sein können. Man muss die verschiedenen Orte vernetzen, um den Menschen, die beispielsweise den FunPark besuchen, weitere Punkte präsentieren zu können. Mit der Cadolzburg haben wir jetzt noch solch einen Leuchtturm. Auf dem Hohenzollernradweg können die Besucher Geschichte erleben. Der große Vorteil: Ob für Wanderer oder Radler, der Landkreis besticht durch kurze Wege.

 

Zirndorf, Oberasbach und Stein wollen gemeinsam über das europäische Leader-Programm das Projekt "Wallensteins Lager" stemmen. Wie könnte denn Roßtal mit dem Pfund seiner Bedeutung als ehemalige frühmittelalterliche Reichsburg wuchern?

Liebert: Ich habe im Sommer im Marktgemeinderat dazu ein Konzept vorgestellt, unter anderem geht es darum, unseren Ärchäologischen Rundweg neu aufzubereiten. Wir müssen die digitalen Möglichkeiten nutzen und könnten so Besucher erleben lassen, was unter anderem auch auf der Roßtaler Richtstätte einst passierte.

 

Sie sprachen von Vernetzung, dazu braucht es vor allem Menschen. Welche Rolle spielen dabei die Heimatvereine?

Liebert: Eine sehr wichtige, denn sie kümmern sich um die Geschichte ihrer Orte. Ich will ab dem nächsten Jahr Kontakte knüpfen und in Gesprächen ausloten, was gemeinsam möglich ist oder wo ich unterstützend eingreifen kann. Ich denke nur an die diversen Sonderausstellungen. Da steckt viel Arbeit dahinter, vielleicht kann man Dinge austauschen. Es muss nicht jeder alles selbst machen.

 

Ein wichtiges Anliegen ist Ihnen, Natur und Landschaft unter heimatpflegerischen Aspekten zu thematisieren. Was muss man sich darunter vorstellen?

Liebert: Praktizierter Naturschutz verhindert die Versiegelung von Flächen und sorgt für saubere Luft, das hilft, Bodendenkmäler wie zum Beispiel Wallensteins Lager zu erhalten. Ich würde gerne Institutionen oder Personen, etwa aus den Bereichen Landwirtschaft und Naturschutz, an einen Tisch bringen. In beratender Funktion könnte ich hier gegebenenfalls dazu beitragen, die gemeinsamen Interessen zu stärken.

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