Ruhe höchst unsanft

27.5.2014, 15:15 Uhr
Ruhe höchst unsanft

© Hans-Joachim Winckler

Ein Bestattungsinstitut stellt man sich schattig und trübe vor, mit dicken Vorhängen, Blümchentapete, Kitschbildern, Schutzengeln und Brahmsmusik im Hintergrund. In der Trauerhalle Burger in der Schwabacher Straße ist das Gegenteil der Fall: die Wände sind weiß, Vorhänge fehlen, ebenso die Kitschbilder, und statt getragenen Klängen herrscht zügelloses Schnattern, denn das Publikum ist hochmotiviert.

Immerhin, einige Möbelstücke sind doch unverzichtbar. Auf einem weißen Podest ruht in Schräglage ein Sarg (Eiche, rund 80 Kilo schwer, geschlossen), mit Trockenbukett und Organza garniert. Davor eine Urne — grünes Kleeblatt auf weißem Grund, allerdings vierblättrig — sowie eine Wasserschale, in der brennende Kerzen schwimmen und mittels verströmendem Wachs Inseln und ganze Archipele bilden. Sehr romantisch. Weniger romantisch dräut im Hintergrund die Tür zum Behandlungsraum, der nur fürs Personal reserviert ist. Und für Kunden, die keine Ansprüche mehr stellen.

Der erste Autor ist Alexander Köhl aus Aschaffenburg. Dessen Detektiv ist gar keiner, sondern der Neffe eines privat ermittelnden Onkels, mit dem er denselben Vor- und Nachnamen gemein hat. Der Onkel hat soeben das Zeitliche gesegnet, der Neffe inspiziert die heruntergekommene Hütte, da rückt Kundschaft an: Ein Bestatter beauftragt unseren Helden in Unkenntnis des wahren Berufs, den lange zurückliegenden Tod seines Vaters aufzuklären. Das Geld kann der Hobby-Ermittler dringend gebrauchen. Das also ist „Die Stunde des Löwen“.

Kommt der Bestatter nicht zum Detektiv, kommt der Detektiv eben zum Bestatter. Bei Ingeborg Struckmeyer, die zusammen mit einer Komplizin unter dem Autorennamen Frida Mey publiziert, sieht eine Ermittlerin beim begrabenden Unternehmen nach dem Rechten, als ein höchst unzufriedener Kunde Rabatz macht und alles kurz und klein schlägt. Zwei Urnen, ein Gipskreuz, eine Totenmaske gehen zu Bruch. Doch auch der Kunde betrachtet alsbald die „Radieschen von unten“, so der Romantitel.

Lautstarke Attacken

Und schließlich gibt es auch den Bestatter als Ermittler. Warum auch nicht, wenn schon Gerichtsmediziner sich derart in die polizeiliche Arbeit einmischen, dass sie den Täter allein mit Skalpell, Pinzette und Knochensäge ermitteln? Sehr schön gestaltet Reiner Sowa den Anfang seines Romans „Ein Bestatter auf der Flucht“, in dem ein Bürgermeister sich bei einer Domina seine sauer verdiente Strafe abholt. Kulturträger und Einrichtungen, die unter Budgetkürzungen leiden, dürften ihre helle Freude daran haben (vielleicht sollte man nächstes Mal andere Räumlichkeiten anmieten?). Auch versteht es Sowa von allen drei Autoren am besten, spannend vorzulesen, und das Publikum mit lautstarken Attacken aufzuschrecken. In diesem Fall will ein Kunde sich gleich an Ort und Stelle aufbahren lassen, und während der Bestatter Selbstmord befürchtet, beschleicht ihn noch ein ganz anderer Verdacht . . .

Von solchen Besuchen ist Johannes Bauer, Geschäftsführer des Bestattungsinstituts Burger, bisher verschont geblieben. Weder hat ihm jemand das Inventar verwüstet, noch hat einer Probe gelegen. „Allerdings muss man als Bestatter hunderte Dinge regeln und eine Beerdigung punktgenau hinkriegen.“ Und neben dem Formular- und Ämterkram, dem Abfassen der Trauerkarten mit all den richtigen Adressen und Uhrzeiten gibt es ja auch noch die hohe Kunst der Restauration. Also die Kunst, den Verblichenen, der vom Hochhaus fiel, unter den Zug geriet oder über die Schrotflinte stolperte, so zu gestalten, dass ihn die Hinterbliebenen wiedererkennen.

Aber das ist ein ganz anderes Kapitel.

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