Salsa-Fieber

28.5.2013, 09:09 Uhr
Salsa-Fieber

© Meyer

Mit Ricardo hatte sie gerne getanzt. Den wöchentlichen Salsa-Abend hatten sie noch gepflegt, als von der Beziehung schon nicht mehr viel übrig war. Die Musik, die schnellen Schritte und Drehungen, Sandra hatten die Stunden viel Spaß gemacht. Sie waren ein tolles Team gewesen. Er führte gut und sicher, und sie konnte ihm beim Tanzen voll vertrauen. Wenn es gut lief, kamen sie in einen Flow, der sie alles vergessen ließ. Sie ging immer glücklich nach Hause.

Ihre Hoffnung, durch das Tanzen ihre etwas müde gewordene Beziehung wiederzubeleben, war allerdings gescheitert. Nun war Ricardo wirklich ihr Ex und sie war frei.

Tanzen, ja, jetzt wollte sie auf jeden Fall weiterhin genießen. Aber mit wem? In der Tanzschule wies man sie auf den Link „Tanzpartnersuche“ auf deren Webseite hin. Hier könne sie sich eintragen mit ihren Daten wie Alter, Größe und Gewicht und dem Partnerwunsch. Sie versuchte es sachlich. „Sandra, 38, 163 cm, 55 kg, sucht Tanzpartner für Salsakurs Mittelstufe.“ Mailadresse, Handynummer.

Das Ergebnis war enttäuschend. Außer einem älteren Herrn, dessen Stimme sie am Telefon schon an ihren Vater erinnerte, kam keine Reaktion. Sie entschloss sich, ihren Stil zu ändern. „Du willst tanzen und hast noch keine Tanzpartnerin? Versuch’s doch mal mit mir.“ Das wirkte. „Mann“ fühlte sich angesprochen. Das Handy klingelte immer wieder. Sie verabredete sich zum Kennen lernen im Bistro oder zur Übungsparty im Tanzcafé. Ein Anrufer erwähnte gleich, er habe schon viele Damen „eingetanzt“; am besten ginge das auf dem Parkett in seinem Wohnzimmer. Zu einem derartigen Arrangement hatte sie nun gerade keine Lust. Ein anderer, der auch schon älter war als auf dem Foto, das er ihr gemailt hatte, aber durchaus sympathisch, rückte im Gespräch langsam damit heraus, dass er eine Tanzpartnerin habe und nur mal sehen wollte, falls dies jetzige mal nicht mehr... An ihrem Kurstermin hatte er natürlich keine Zeit.

Na ja, die tanzbegeisterten Männer waren auf diesem Markt ja wirklich im Vorteil. Sie hatten die Auswahl. Auf jeder Liste suchten mindestens zwei Drittel Frauen und nur wenige Männer.

Aber noch hatte sie Hoffnung, selbst als einer der Typen zum verabredeten Termin einfach nicht erschienen war. Sie hatte ja noch Anfragen. Bernd (45, 175 cm, 80 kg) hatte geschrieben.

„Interessiere mich sehr für Salsa, habe bisher Standard-/Latein getanzt.“ Er hatte leider eine total verschlüsselte Mailadresse, so dass man ihn garantiert nicht googeln konnte. Ein Foto hatte er nicht geschickt. Sie verabredete sich zur Tanzparty am Samstagabend. Vor ihr betrat ein etwas müde wirkender Herr mit Hängeschultern den Tanzclub. Er wird’s schon nicht sein, hoffte sie. Er hatte dann aber doch das blauweiß gestreifte Hemd und die kurzen, blonden Haare, wie er geschrieben hatte. Aber vielleicht tanzt er ja ganz gut, hoffte sie.

Doch zunächst erklärte er ihr den Inhalt der Jutetasche, die er an seinen Stuhl gehängt hatte. Er komme beim Tanzen immer so leicht ins Schwitzen, so dass er sich Wechselwäsche mitgebracht habe. Wollte sie das wirklich wissen? Er tanzte keineswegs so leidenschaftlich, dass man ins Schwitzen kam, gerne auch etwas neben dem Takt. Auch das Gespräch mit ihm war sehr mühsam. Nein, der war’s auch nicht. Er war dann regelrecht enttäuscht über ihre Absage.

Von der Tanzpartnersuche hatte sie nun die Nase voll.

Rhythmus, Tempo, Bewegung, Geselligkeit, wo gab es das noch ohne Partner-Pflicht? In ihrem Sport-Studio entdeckte sie das Plakat. Einladung zur „Zumba-Party“. Fitness und Spaß an kreativer Bewegung nach lateinamerikanischer Musik wurden versprochen. Ja, das wollte sie nun versuchen. Die modisch passenden Cargo-Pants mit Bändern waren schnell beschafft, passende Sneaker hatte sie zuhause. Jetzt konnte sie ihrer Bewegungsleidenschaft frönen, so oft sie es wollte. Jetzt bin ich unabhängig, freute sie sich.

Die Party kam in Schwung. Die Vortänzerinnen auf der Bühne zeigten tolle Choreografien und animierten zum Mitmachen. Die Stimmung steigerte sich, der Rhythmus hatte auch Sandra wieder gepackt. Sie hatte sich weiter hinten platziert und überblickte den Saal. Viele, überwiegend jüngere, Frauen hatten sich eingefunden und nur wenige Herren. Neben den riesigen Lautsprecherboxen stand jetzt ein Mann, der, seiner Kleidung nach zu schließen, zum Technikteam gehörte. Spontan und geschmeidig bewegte er sich im Rhythmus der Musik. Er war nicht sehr groß, nicht sehr schlank, auch nicht besonders attraktiv, aber er faszinierte sie. Die Leichtigkeit, mit der er sich trotz seiner Sicherheitsschuhe bewegte, war verblüffend. Mit seinem Werkzeug trommelte er selbstvergessen auf seine Handfläche. Sein ganzer Körper schien auf die Musik zu reagieren und zu vibrieren.

Sie musste es einfach tun. „Ich habe gesehen, wie du dich bewegst,“ sprach sie ihn an. Ihre Augen strahlten voller Hoffnung. „Hättest du Lust, mit mir Salsa zu tanzen?“

Denn Zumba verhielt sich zu Salsa doch eher wie Instant-Kaffee zu türkischem Mokka. 



 

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