Schildkröte "Steini": Stein hat sein Sommerloch-Tier

14.9.2020, 11:00 Uhr
Schildkröte

© Foto: privat

Sie zählen zu einer besonderen Spezies, die in der Regel nur in der nachrichtenarmen Zeit auftaucht, es dann aber in Zeitungen und Fernsehkanälen in die erste Reihe schafft: die sogenannten "Sommerloch-Tiere". Erinnert sei hier stellvertretend an Kaiman Sammy, die "Bestie vom Baggersee"; oder Geierschildkröte Eugen, das "Ungeheuer von Loch Dornach".

In Fürth sorgte, viel friedlicher, genau vor 30 Jahren, das freiheitsliebende Zwergflusspferd Elsbeth mit seiner Flucht aus dem Zirkus in die Pegnitz für Aufsehen. Und jetzt, quasi kurz vor Saisonende, zieht Stein nach.

Zugegeben, nicht ganz so spektakulär: Der Stadt war das Ganze jedoch eine Pressemitteilung wert – Überschrift: "Neues Zuhause für Köhlerschildkröte". Aber der Reihe nach.

Im Steiner Freiland-Aquarium und -Terrarium können Besucher heimische Reptilien, Amphibien und Fische bewundern. Die weitläufige, 1925 entstandene Anlage hat die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg (NHG) in Obhut. Ehrenamtliche Helfer betreuen das Areal.

Grundsätzlich strafbar

Es kommt hier glücklicherweise nicht oft vor, trotzdem regt es Günter Schirmer auf – tierisch sozusagen: Mitmenschen, die ihre exotischen Haustiere einfach in der Natur entsorgen. "Das ist grundsätzlich strafbar. Exoten haben hier nichts verloren, weil sie heimische Tiere gefährden bzw. verdrängen", sagt er.

Der Mann kennt sich aus. Seit 47 Jahren ist er NHG-Mitglied. Zwei Jahrzehnte lang war Schirmer als Obmann "Mädchen für alles" im Terrarium, auf dem Gelände am Heuweg arbeitet er nach wie vor mit. In zwei Weihern leben dort unter anderem europäische Sumpfschildkröten, etwa 50 Stück an der Zahl. Sich einen genauen Überblick zu verschaffen, ist schwer. Selbst wenn die Gewässer im Frühjahr abgelassen werden und die Helfer die Tiere messen, wiegen und fotografieren. Heuer fand sich dabei plötzlich ein Exemplar, das hier überhaupt nicht sein dürfte: eine Moschus-Schildkröte, eigentlich in den USA und Kanada daheim. Weil das eingezäunte Freilandterrarium coronabedingt erst Ende Mai öffnete, war klar: Das Tier wurde bereits im vergangenen Jahr dort ausgesetzt.

Doch damit nicht genug. Im Juni, Schirmer hatte im Terrarium Dienst, meldeten Besucher: "Da hinten kriecht eine Schildkröte auf dem Weg." Günter Schirmer eilte an den Ort und fand eine Köhlerschildkröte. Eigentlich krabbelt Chelonoidis carbonaria in Südamerika über Land.

Fiese Bakterien

Normalerweise böte die Reptilien-Auffangstation in München "Findlingen" dieser Art ein neues Heim. Doch die Köhlerschildkröte, ein Weibchen, das wir der Einfachheit halber jetzt auf den Namen "Steini" taufen, war mit Mykoplasmen infiziert. Von "fiesen Bakterien", die in der Nase sitzen und Atemwegserkrankungen hervorrufen, spricht Dr. Fritz Karbe. An den Tierarzt aus Leinburg hatten sich Schirmer und seine Mitstreiter gewandt.

Bestimmte Schildkrötenarten würden routinemäßig auf diese Bakterien untersucht, sagt Karbe. Obwohl das Tier keine Symptome zeigte, hätte es die Krankheit verbreiten können, was die weitere Vermittlung komplizierte. Denn das Reptil darf nicht mit Schildkröten in Berührung kommen, außer diese sind ebenfalls mykoplasmapositiv. Doch dann fand sich eine neue Heimat: im rheinland-pfälzischen Bad Bergzabern. Dort, in einer Anlage, sind Zwergkrallenäffchen und Leguane die Mitbewohner. "Am Amazonas in der Südlichen Weinstraße", wie Fritz Karbe schmunzelnd sagt. "Steini" kann hier nun hoffentlich eines – gelassen in aller Ruhe steinalt werden.

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