Schon GEZahlt?

3.5.2011, 00:00 Uhr
Schon GEZahlt?

© Scherer

Es gab einmal eine Zeit, da hielt ich mein fernseherloses Dasein für gesegnet. Meine Freizeitgestaltung war unbeeinflusst von den allabendlichen magischen Wendepunkten 20 Uhr 15 und 21 Uhr 45, ich musste nie Kartoffelchips und Erdnussflips kaufen, und alle heilige Zeit kam eine vorgedruckte Anfrage von der GEZ, ob ich nach wie vor keinen Fernseher besitze. Stets kreuzte ich voll Stolz, einer unbeugsamen Minderheit anzugehören, das „Nein“ an und warf meine Antwort unfrankiert in den Briefkasten, um ihr Misstrauen zu strafen.

Bei Freunden konnte ich mir, wenn ich wollte, jederzeit ansehen, was ich ohne Fernseher verpasste – Politiker, die sich Wahlniederlagen schönreden, Kriegsgemetzel und Naturkatastrophen aus aller Welt, Werbezwangsberieselung im Viertelstundentakt und schließlich das Wetter, präsentiert von Krombacher, Warsteiner oder Jever. Da fiel es mir nicht schwer, standhaft zu bleiben.

Doch irgendwann in den letzten Jahren muss bei der GEZ eine Konferenz über Fernsehverweigerer stattgefunden haben – und wie man sie am besten kleinkriegt. Seitdem kommen die Briefe, ob man denn auch ganz bestimmt und wirklich keinen Fernseher besitze, in deutlich kürzeren Abständen. Natürlich immer garniert mit der heuchlerischen Bitte um Verständnis, dass man mich schon wieder anschreibt, aber es könnte ja sein, dass ich mir eventuell vielleicht doch einen Fernseher gekauft hätte.

Nein, ich habe noch immer keinen, und Verständnis habe ich schon lang nicht mehr. Halten die mich für senil, verkalkt und veralzheimert? Glauben die ernsthaft, ich könnte immer noch vergessen, einen Fernseher anzumelden? Trotz der mehreren Dutzend Briefe, die ich im Lauf der letzten 25 Jahre bekommen habe? Die haben mich inzwischen so weit, dass ich im Fall eines Fernseherkaufs noch vom Elektrofachmarkt aus anrufen würde: „Ich stehe gerade mit einem Fernseher an der Kasse – in 20 Minuten bin ich zu Hause – in 30 Minuten werde ich ihn anschließen – bitte ziehen Sie sofort die fällige Gebühr ein! Ich werde das Gerät erst einschalten, wenn das Geld von meinem Konto abgebucht ist – ich schwöre!“

Ein Freund von mir, ebenfalls fernseherlos, erzählte mir einmal, er habe der GEZ vor Jahren auf ein entsprechendes Schreiben geantwortet, dass er aufgrund seiner Scheidung finanziell ruiniert sei und sich keinen Fernseher leisten könne. Seither, sagte er mir, habe er Ruhe. Daraufhin verfasste ich einen handschriftlichen, drei Seiten langen Brief an die GEZ, in dem ich ausführlich darlegte, dass es zu meinen Lebensprinzipien gehört, keinen Fernseher zu besitzen. Es nützte nichts. Bald darauf war wieder der stereotype GEZ-Brief im Kasten, und ich verspürte zum ersten Mal im Leben den Wunsch, genau das zu inszenieren, was ich nur von Fernsehbildern kenne – eine Amoklaufschneise des Terrors von Nürnberg nach Köln schlagen und das GEZ-Büro sprengen! Dabei gäbe es doch gerade jetzt, nach Abschaffung der Wehrpflicht, die einmalige Chance, mit diesem verfluchten Psychoterror Schluss zu machen und die kreiswehrersatzamtlichen Gewissensprüfer mit einer neuen, sinnvollen Aufgabe zu betrauen.

Wie gern würde ich einer qualifizierten Person schreiben, dass ich in abgrundtiefe, behandlungsbedürftige Depressionen fiele, wenn ich mich mit den Schreckensbildern aus aller Welt bombardieren ließe, dass ich nicht über genug innere Kraft verfüge, um die Konfrontation mit Krieg, Hunger, Armut und Katastrophen zu ertragen, dass ich von quälenden Schuldgefühlen heimgesucht werde, weil ich hier in Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg lebe, während andere im Elend dahinvegetieren, dass ich es nicht aushalten würde, mir täglich den drohenden Weltuntergang anzusehen, ohne ihn aufhalten zu können, dass ich es nicht einsehe, dafür auch noch bezahlen zu müssen, und dass ich deshalb den Dienst am Bildschirm verweigere und hiermit meine offizielle Anerkennung als Fernsehverweigerer beantrage.

Aber es wird wohl eher darauf hinauslaufen, dass ich, nach 25 Jahren Korrespondenz mit der GEZ ein gebrochener Mann, demnächst einen Fernseher anmelde. Ich kann bloß hoffen, dass ich damit nicht verpflichtet bin, mir wirklich einen zu kaufen.