Sechziger auf dem Weg zu neuer Turnkultur

23.1.2015, 12:28 Uhr
Sechziger auf dem Weg zu neuer Turnkultur

© Foto: Giulia Iannicelli

Diese Szene zeigt die ganze Vielfalt des Turnsports. Während rechter Hand junge Frauen grazil zu langsamen Klängen tanzen, geht es wenige Meter weiter akrobatisch zu. Alexander Weigel reibt seine Hände mit Magnesia ein, zieht die Bandage um die Hand fest und atmet kurz durch. Ein Sprung, und der 28-Jährige windet sich elegant und schnell um das Pauschenpferd. Sein Kollege Kai Meister hängt dahinter in luftiger Höhe an den Ringen und dreht sich mehrfach. Die Kinder auf dem Trampolin staunen.

Turnstunde bei Fürths größtem Sportverein, dem TV 1860. 4300 Mitglieder sind dort in 23 Abteilungen aktiv, die Turner sind mit 900 Sportlern die größte. Neben Gymnastik und Kinderturnen bietet der Klub die Trendsportart Parkour und den Mannschaftssport Team Gym an. Seit gut zwei Jahren weht aber auch ein ganz anderer Wind durch die Halle an der Coubertinstraße. Als einziger Verein in der Region bieten die Sechziger Leistungsturnern die Möglichkeit, im Ligabetrieb zu starten. Geplant sei es nicht gewesen, sagt Alexander Weigel. „Einige Turner sind aus anderen Städten hierher gezogen, zur gleichen Zeit haben einige Ehemalige wieder begonnen.“

In Mittelfranken wandern aber nur wenige Sportler auf den Spuren von Turnvater Jahn. „Kein Verein hat hier alle notwendigen Geräte und Matten – nur wir“, sagt Weigel. Eine Anlaufstelle wollen sie folglich sein, für Ambitionierte aus der ganzen Region.

Seit zwei Jahren nimmt die Fürther Mannschaft auch wieder an Wettkämpfen teil, derzeit noch ganz unten in der Landesliga. In der abgelaufenen Saison wurde das achtköpfige Team Dritter von zwölf. Gesteigert hätten sie sich, sagt Weigel, „aber jetzt wollen wir auch mal weiter hoch“. Einen ersten Erfolg konnte der TV schon verzeichnen: Der 21-jährige Kai Meister wurde in der Einzelwertung bester Turner der Saison, die vier Wettkämpfe umfasst. Dabei gibt es jeweils sechs Disziplinen, die geturnt werden müssen: Ringe, Barren, Reck, Pauschenpferd, Sprung und Boden. Die vier Besten pro Mannschaft starten an jedem Gerät, das drei Kampfrichter begutachten. Am Ende werden die vier Wertungen pro Gerät mal sechs genommen und auf diese Weise eine Team-Wertung errechnet.

In Fürth kann der Verein aber keine Wettkämpfe ausrichten. „Die Geräte genügen schlicht den Ansprüchen nicht“, sagt Weigel. Deshalb ist die Abteilung auf der Suche nach Sponsoren, die dem Turnen in Fürth zu neuem Glanz verhelfen wollen. „Ein neues Reck kostet beispielsweise 2000 Euro“, rechnet er vor.

Kenntnisreicher Trainer

Während Kai Meister abermals an den Ringen hängt, steht Trainer Norbert Stocker an der Seite, gibt Tipps. Beinhaltung, Stabilität — Stocker sieht selbst kleinste Fehler. Das rein sportliche Geschehen sei ihm gar nicht so wichtig, sagt der 65-Jährige, „ich will Turnkultur verbreiten, denn Turnen ist Kunst“. Stocker hat selbst lange Jahre geturnt und unterrichtet am Fürther Hardenberg-Gymnasium. Als sein Sohn Fabian, selbst passionierter Sportler, ihn auf das Traineramt ansprach, sagte er sofort zu.

Kai Meister und Alexander Weigel dagegen schulen die Jugend. „Wir wollen langfristig unseren eigenen Nachwuchs aufbauen“, sagt Meister. Es herrsche ein Zulauf in allen Altersklassen, aber es fehlen die Übungsleiter. Wie so oft im Breitensport. Meister ist überzeugt, dass Turnen den Kindern gut tut: „Sie bekommen ein Gefühl für ihren Körper, was eine Basis für die gesamte Entwicklung ist.“

Wenig später steht auch er am Pauschenpferd, um „an seiner Performance zu arbeiten“, wie Norbert Stocker es formuliert. Bis Mai hat er dazu Zeit. Dann geht es wieder um Punkte. Und um den Aufstieg.

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