Stecker raus: Darum macht die Kofferfabrik Konzertpause

22.10.2020, 21:00 Uhr
Stecker raus: Darum macht die Kofferfabrik Konzertpause

© Foto: Donnerwetter Musik

Lange Straße 81: eine Adresse, die der Landesvater aktuell meiden sollte. Es sei denn, er hat große Lust auf Klartext. Natürlich drohte Markus Söder hier, käme er überraschend des Wegs, kein blaues Auge, man ist ziemlich friedliebend hier; wohl aber ein zielführendes Gespräch mit dem meinungsfreudigen Chef vom Ganzen - mit Kofferfabrik-Chef Udo Martin.

O-Ton Martin, Mittwochnachmittag: "Diese Regierung macht was, nur damit sie was macht." Und gleich noch ein Leberhaken hinterher: "Die komplette Gastronomie wird Stück für Stück in die Insolvenz getrieben." Zur Stunde ist noch unklar, ob Martin damit auch seinen eigenen Laden meint.

Die erste Konsequenz aus dem aktuellen Corona-Regelungskuddelmuddel hat der 62-Jährige bereits gezogen: Ab diesem Donnerstag schweigen die Instrumente im "KofferMusicClub" im ersten Stock des Backstein-Komplexes, bis mindestens 23. Dezember ruht der Konzertbetrieb in der Subkulturmanufaktur nahe der Stadtgrenze. Rund 40 Auftritte: für die Tonne.

Umsatz fällt ins Bodenlose

Wer schon Karten gekauft hat, kann sie behalten, bis es Ersatztermine gibt. Zurückgeben kann er sie auch, doch in beinharten Zeiten wie diesen hat die Kofferfabrik nichts gegen eine milde Spende, also den Verzicht auf Rückerstattung, einzuwenden.

Konzertpause: Gezwungen zu diesem deutlichen Schritt hat Martin niemand, auch nicht das Fürther Ordnungsamt, "auf das ich nichts kommen lasse, die Kommunikation ist hervorragend". Doch wenn nun auch in Konzerten das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes vonnöten ist, dann fällt der Umsatz ins Bodenlose, sagt der Chef. Erst recht, seitdem klar ist, dass nun nochmals weniger Leute in den Saal dürfen.

"Es hat sich ja schon seit September", seit dem Saisonstart also, "nicht wirklich gerechnet. Doch wenn nun alle am Platz Masken tragen müssen, verdienen wir auch über den Getränkeausschank nichts mehr."

25 Zuhörer

Zuletzt durften lediglich 45 (statt normalerweise 160) Zuhörer ins Koffer-Konzert, die Abstandsregel verlangt das. 45, die auf einem Stuhl und an einem Tisch sitzen müssen - auf dass gar nicht erst die Aerosol-freudigen Disziplinen Tanz und Zappelei ins Spiel kommen.

Bislang durfte jedoch jeder, am Platz angekommen, die Maske ablegen. Geht ab heute nicht mehr. Schlechte Zeiten für Durstige. Und noch schlechtere Zeiten für die "Koffer", denn zudem sind statt der 45 Konzertgänger ab sofort nur noch 25 erlaubt.Von der jetzt auf 23 Uhr vorgezogenen Sperrstunde ganz zu schweigen. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste.

"Ich muss", betont Martin, "die Konzerte nicht absagen. Doch die Rahmenbedingungen machen sie nicht mehr durchführbar." Lediglich 25 Leute, die nichts konsumieren: Man muss nicht zwölf Semester BWL studiert haben, um zu begreifen, was das bedeutet.

Ein Schlag ins Kontor ist das auch für zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, die, unterwegs in kleinen und mittleren Clubs, eh keine Superstar-Gagen einsacken und "denen wir jetzt ein ohnehin schon lächerliches Zubrot auch noch wegnehmen". Gleichwohl belässt es Martin nicht bei nur einer oder zwei konzertlosen Wochen. "Es hat keinen Sinn, weil ich davon ausgehe, dass die Fallzahlen in der nächsten Zeit nicht sinken werden."

"Wir brauchen Zuschüsse"

Nach deftigen Dellen im Frühjahr und Frühsommer, die dank Fördermittel, Crowdfunding und großherziger Spender ausgebessert wurden, kämpft die Kofferfabrik nun also mit der nächsten großen Herausforderung. Wer stärker ist, kann sich schon in Kürze entscheiden. "Wir brauchen Zuschüsse, mit denen wir überleben können", sagt Martin unumwunden.

Die vorläufige Deadline 23. Dezember kommt nicht von ungefähr. Niemand weiß, wie die Zahlen an jenem Tag aussehen werden. Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr jedoch ist für die Kofferfabrik eine der umsatzstärksten im Jahr, mit traditionell hochkarätig besetzten Konzerten und einem sehr ausgehwilligen Publikum, das der Festtags-Laune daheim eher wenig bis nichts abgewinnen kann. Dass also ab Heiligabend wieder die Gitarren eingestöpselt werden können, weil es sich wieder lohnt, ist die große Hoffnung aller im "Koffer"-Team.

Benefiz-Literaturdinner

Die anderen Termine im Kalender bleiben indessen vorerst stehen. Das heutige Kneipenquiz findet statt, die Spieleabende und auch die Theateraufführungen. Aktuell soll diePremiere der überarbeiteten "Antigone", wie berichtet, an diesem Freitag über die kleine Kofferbühne gehen.

Ironie des Schicksals: Ausgerechnet an diesem Samstag kommt das traditionelle Literaturdinner als Benefizveranstaltung daher, das war vor Wochen schon so geplant. Einen Querschnitt durch sein literarisches Schaffen, vom Kurzkrimi bis zum launigen Feuilleton, gibt der Fürther Autor Veit Bronnenmeyer; er verzichtet auf ein Honorar, sodass alle Einnahmen der Kofferfabrik zugute kommen.

Wie immer gibt es drei Gänge, Hauptgang sind gratinierte Blumenkohlrosen mit Mandelstückchen an Petersilienkartoffel oder Kräuterlachsfilet auf Dillrahmsoße, dazu Mandelblumenkohl an Petersilienkartoffel. Karten bitte unbedingt im Vorverkauf kaufen - in der FN-Geschäftsstelle (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77) oder an der Koffer-Kasse.

Oder ist schon wem der Appetit vergangen?

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