#Streetart Lesen lädt zum Flanieren ein

29.6.2020, 18:34 Uhr
Seit kurzem geben die beiden Hände vor dem Stadttheater einen eindeutigen Fingerzeig: Der Literatur-Parcours, den sich die Künstlerin Sascha Banck ausgedacht hat, entstand in Kooperation mit dem Fürther Kulturamt.

© Hans-Joachim Winckler Seit kurzem geben die beiden Hände vor dem Stadttheater einen eindeutigen Fingerzeig: Der Literatur-Parcours, den sich die Künstlerin Sascha Banck ausgedacht hat, entstand in Kooperation mit dem Fürther Kulturamt.

Mit dem Lesen ist es so eine Sache. Kann man’s, tut man es auch. Schon mal versucht, etwas nicht zu entziffern? Eben. Das ist unmöglich. Schon alleine deshalb hat die Künstlerin Sascha Banck ein unumgängliches Werk geschaffen. Wer durch die Straßen und Grünanlagen der City geht, wird darauf stoßen, wird sehen, wird erleben. Denn Banck hat Texte von Autoren und Autorinnen mit lokalem Bezug sichtbar gemacht. Als Zitate tauchen sie an unerwarteten Orten auf, sind klitzeklein oder riesengroß, lassen sich treiben oder ankern im Grün.

Auch das bewährte "Lesen"-Spektakel in Fürth gibt es 2020 aus C-Gründen in abgespeckter Form, das ist korrekt. Falsch ist dagegen, dass die Freiluft-Literatour der Künstlerin ebenfalls der Pandemie geschuldet ist. "Das war von Anfang an genauso geplant", bestätigt Sascha Banck. Ausgangspunkt ihrer Gedanken sei vielmehr die Frage gewesen, wie Kultur im alltäglichen Stadtleben mehr wahrgenommen werden kann. Die Antwort: Streetart.

Bevor die Straßenkunst realisiert werden konnte, musste freilich zunächst eine ganze Reihe von Genehmigungen eingeholt werden. Die lagen pünktlich vor, dank der Unterstützung vieler Institutionen und Stellen. Die kurzen Texte, die die Künstlerin gestaltet hat, stammen unter anderem von Matthias Egersdörfer und Helmut Haberkamm. An der Uferpromenade der Rednitz ist auf einem Schal, wie er üblicherweise Fan-Hälse ziert, ein Egersdörfer-Gedicht eingewebt. Das Textil hat diesmal Überlänge – fast 24 Meter lang ist der Schal, auf dem eine Hommage an die Großmutter des Kabarettisten und Schauspielers aus "Die Jugend turnt. Wozu?" zu lesen ist. Aus Haberkamms Gedichtband "Frankn lichd nedd am Meer" stammen die Zeilen, die die Fürther Kulturförderpreisträgerin an ein Stromhäuschen in der Mathildenstraße angebracht hat. Fünf Mauersegler umschweben den Text.

An der Glasfassade des Kulturforums ist der Fürther Autor Veit Bronnenmeyer angeschrieben. Als Verbotsschild getarnt fällt Nora Gomringers Beitrag in der Gustavstraße garantiert nicht ins Auge. Tipp: Links vom "Alten Rentamt" suchen. Zart und meist vom Wind bewegt ist der Vorhang, der, bedruckt mit einem Gedicht von Karl Gerold, aus einem Fenster des Jüdischen Museums weht. Gerold schrieb die Gedanken als Erinnerung an Frida Langer, eine Schriftstellerin aus Fürth, die starb, um der Deportation zu entgehen.

Zum Download bereit scheint ein imaginärer PC-Bildschirm, der im Asphalt Schwabacher Straße Ecke Moststraße überrascht. Es ist ein Aufkleber, der sich auf Joshua Groß’ "Flexen in Miami" bezieht. Wer Natascha Wodins Gedicht entdecken will, muss – mit aller gebotenen Vorsicht – nach oben schauen: Zu finden ist es auf einem Zusatzschild zu einem Straßenschild der Mathildenstraße. Müßig schlendernd lässt sich dagegen im Stadtpark ein Appetithappen aus Ewald Arenz Roman "Alte Sorten" goutieren.

Im Stadtpark ist auch richtig, wer sich nach Lara Ermers Sätzen umschaut, die kaum zu überlesen sind. Sascha Banck hat die Worte mithilfe einer Schablone, die die Größe der einzelnen Buchstaben vorgibt, frei in den Rasen geschrieben. Eine Arbeit, die wiederholt werden muss, da der Untergrund nachwächst. Kann bei Thomas Schmidt nicht passieren. Sein Wortspiel schwimmt, und zwar als spiegelnde Installation in den Wasserspielen der Adenaueranlage. Es sind zwei Worte nur: "Meine Quelle". In Fürth gibt es dazu auf jeden Fall eine Deutungsvariante mehr als anderswo.

Auf Aushängen an verschiedenen Kreuzungen findet sich der Anfang zu einem Gedicht von Pauline Füg und eine wichtige Telefonnummer, wer anruft, hört die Stimme der Autorin, die ihre Zeilen vorträgt. Aus einem Song von Monika Roscher, Musikerin und Big-Band-Chefin, stammt die Textblase aus dem Mund der Pik-Dame, die mit ihren Kolleginnen an der Bahnunterführung Schwabacher Straße Hof hält. Die Jüngste im Kreis der Literaten ist Johanna Gimpel (17), mit Tape ist ihr Text auf die Fliesen des Luisentunnels geklebt.

Für Sascha Banck ist mit der Erschaffung der Werke die Arbeit noch nicht getan. "Ich gehe regelmäßig die Runde und schaue, ob etwas repariert werden muss." Bis 16. Juli ist die Lese-Kunst zu erleben. Banck hofft: "Vielleicht finden sich Leute, die in der Zeit eine Art Patenschaft für ein Objekt übernehmen."

Alle Standorte und Infos zu "Streetart Lesen" gibt es auf der Seite www.senf.xyz

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