Die Blitz-Einkäufer

Streiks und Kritik: Lieferdienst Gorillas unter Druck

21.6.2021, 20:10 Uhr
Streiks und Kritik: Lieferdienst Gorillas unter Druck

© Foto: Gorillas

Das große Versprechen lautet: Zehn Minuten nach der Bestellung steht dein Einkauf vor der Tür. "Schneller als du" – das ist der Slogan, mit dem Gorillas für sich wirbt.

Als das Berliner Start-up vor ein paar Wochen auf Instagram heftig um die Aufmerksamkeit der Fürtherinnen und Fürther buhlte, weil man hier nun auch liefert, von einem Lager in der Nürnberger Straße aus, da durften die Verantwortlichen noch hoffen, dass es weiter rund laufen würde für sie und ihre "Bike Crew", die Fahrradkuriere.

In Windeseile liefert das Unternehmen nicht nur Lebensmittel nach Hause. Es galt innerhalb kürzester Zeit auch als extrem erfolgreich. Laut Tagesspiegel ist es das erste deutsche Start-up, das nur neun Monate nach der Gründung von Investoren mit mindestens einer Milliarde Euro bewertet wurde und damit den begehrten Einhorn-Status erreicht hat.

Zurzeit bekommt das Image allerdings empfindliche Schrammen. In den vergangenen Tagen sorgten wilde Streiks eines Teils der Beschäftigten in Berlin für Schlagzeilen. Die Mitarbeiter blockierten Lagerhäuser und warfen dem Unternehmen Ausbeutung und Missachtung von Arbeitnehmerrechten vor. Ausgangspunkt war die Entlassung eines Fahrers, der zu spät zum Dienst kam.

Die Grüne Jugend Fürth springt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun bei: Man unterstütze "vehement" den Protest "gegen die viel zu niedrigen Löhne, den ständigen Leistungs- und Zeitdruck und die viel zu lange Probezeit von sechs Monaten, in denen die Angestellten immer fürchten müssen, direkt gekündigt zu werden, wenn sie dem Druck nicht standhalten", heißt es in einer Pressemitteilung.

Grüne Jugend: "Unnötiges Versprechen"

Die Zehn-Minuten-Regel sei ein "unnötiges Versprechen" zu Lasten des Personals. Trotz großen Wachstums habe Gorillas kein Geld in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gesteckt, klagt die Jugendorganisation der Grünen. Man werde die Beschäftigten unterstützen, wenn sie sich für einen Betriebsrat und bessere Konditionen einsetzen.

Gewerkschaften kritisieren die Arbeitsbedingungen in der Lieferbranche seit längerem, etwa beim Essens-Lieferdienst Lieferando. Seit kurzem ist Gorillas auch in Nürnberg aktiv, ebenso wie Konkurrent Flink, auch er aus Berlin. Viel Konkretes können hiesige Vertreter der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) jedoch noch nicht zu den Anbietern sagen.

Hoffnungsvoll blickte Laura Schimmel von der NGG in Nürnberg kürzlich nach Berlin, wo ein Kollektiv aus Gorillas-Fahrern ("Gorillas Workers Collective") die Schaffung eines Betriebsrats vorbereitete. Auch hier kam es zu Turbulenzen, das Management will die Wahl des Wahlvorstands gerichtlich überprüfen lassen; es hätten nicht alle Angestellten gleichberechtigt teilnehmen können, hieß es zur Begründung.

Das Konzept von Gorillas: Kunden können in der App aus mehr als 1000 Produkten wählen, in 18 Städten in Deutschland hat das Unternehmen eigene Lager eingerichtet. Von dort aus setzen sich die "Rider" – so nennt Gorillas die Kuriere – mit ihren E-Bikes in Bewegung, geliefert wird in einem begrenzten Radius.

Medienberichten zufolge wehrt sich bei den Streiks ein Teil der Beschäftigten – andere seien durchaus zufrieden mit dem Arbeitgeber – gegen die sechsmonatige Probezeit, in der jeder fristlos gekündigt werden kann. Sie fordern zudem, dass Entlassungen künftig erst nach drei Abmahnungen möglich sind. Kritik gibt es auch am Stundenlohn: Gezahlt werden 10,50 Euro, "egal ob am Donnerstag, Sonntag oder an Weihnachten", so NGG-Vertreterin Schimmel. "Das ist auf jeden Fall prekär." Eine Anfrage dieser Zeitung zu den Arbeitsbedingungen ließ das Unternehmen bisher unbeantwortet.

Der Chef weist die Vorwürfe zurück

Auf die Proteste reagierte Gorillas-Chef Kagan Sümer mit einem öffentlichen Statement und einer Zoom-Ansprache an die Mitarbeiter. Die letzten Tage hätten ihn zutiefst erschüttert, betonte er auf Englisch. Vorwürfe, man würde die Rider unfair behandeln, wies er zurück. Der entlassene Fahrer habe mehrfach gegen Verhaltensregeln verstoßen und sei verwarnt worden. Die Streikenden behaupten das Gegenteil.

Sümer führte zudem ins Feld, dass man die Kuriere fest anstelle, ihnen ein stabiles Einkommen ermögliche. Nach seinen Worten beschäftigt Gorillas 6000 Fahrer – und das mit Entwicklungsperspektive: 400 ehemalige Rider seien bereits in anderen Bereichen des Unternehmens tätig, etwa in der Kundenbetreuung.

Kuriose Aktion angekündigt

Der Chef schwärmt von der Unternehmenskultur, man habe die Lager zur "Homebase" für die Mitarbeiter gemacht, das Liefern zum "Teamsport". Er kündigte außerdem eine überraschende Aktion an: Am 28. Juni will er sich aufs Fahrrad setzen und von Berlin aus von Stadt zu Stadt radeln, um die Beschäftigten auf ihren Touren zu begleiten.

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