T wie Teutsch

29.8.2012, 09:00 Uhr
T wie Teutsch

© Horst Linke

Das Atelier in der Mathildenstraße ist quasi leer geräumt. Stemmeisen und Hammer liegen auf der Werkbank, die Metallsäge steht still und den Mickey-Maus Gehörschutz hat Paul Teutsch lässig darüber gestülpt. Der 37-Jährige kommt gerade aus Ulm, wo er eine Einzelausstellung mit großen Arbeiten aufgebaut hat. Hat er sie schon signiert? „Signieren ist nicht so meine Welt“, sagt er und denkt schon weiter, „die Reviernummer zieht nicht.“ Dass Künstler ihre Werke mit dem eigenen Namen oder einem persönlichen Signet kennzeichnen, hält er aber für eine „an sich sinnvolle Konvention“. Herkunft, Einzigartigkeit, Markenzeichen und Schöpferwille – alles spielt hinein.

Schon vor 30000 Jahren haben steinzeitliche Künstler in Höhlenwände geritzt und diese bemalt. Die Höhle von Lascaux ist mit den Jagdszenen und Herden von Wildpferden und Bisons vielleicht das prominenteste Beispiel. Immer wieder finden sich auch Handabdrücke auf dem Stein, mit denen sich die frühen Künstler verewigt haben.

Natürlich signiert auch Paul Teutsch seine Werke. Die beiden Stahlskulpturen in der Hornschuchpromenade etwa. Massiv, eckig, geradeaus. Eisenplatten von 120 Kilo hat der gebürtige Freiburger auf Stoß gesetzt, verschweißt und die Nähte sorgsam geschliffen. Die Signatur? Ist schwer zu entdecken. Denn sie besteht aus zwei linsengroßen Buchstaben, P und T. Die Stempel dafür sind nicht einmal so lang wie ein kleiner Finger. Paul Teutsch greift einen schweren Hammer und treibt sie zur Demonstration in die Platte. Bitte nicht nochmal, sagt er: „Signieren mache ich extrem ungern. Die Chance, sich auf den Finger zu hauen, ist extrem groß.“

Seltsamer Größenwahn

Viel häufiger als eigene Skulpturen signiert er die Werke anderer. Wie das? Der Bildhauer, der in Nürnberg freie Malerei studierte und Meisterschüler bei Hans Peter Reuter war, verdient seinen Lebensunterhalt in der Kunstgießerei Lenz in Nürnberg. Immer wieder vergessen Auftraggeber, ihre Namen oder Zeichen in Ton- oder Wachsmodelle zu drücken. Dann muss Teutsch den Guss nacharbeiten.

Er meißelt Namenszüge aus dem Metall oder schlägt Initialen ein. Manche Künstler wollen ganz groß rauskommen. Paul Teutsch schüttelt den Kopf: „Fingerabdruckgroße Teile!“ Um die in Bronze, Eisen oder Stahl zu schlagen, bräuchte es tonnenschwere Rammen. In der Kunst war Albrecht Dürer der erste, der sein „hanndzaichen“ – das große A über dem D – auf fast alle Grafiken und Gemälde setzte. Groß und unübersehbar. Das selbstbewusste Monogramm nutzte er als Marketinginstrument und zog sogar in Venedig vor Gericht, als der Kupferstecher Raimondi seine Werke hemmungslos kopierte. Dürer gewann. Raimondi durfte weiter kopieren, musste die Blätter aber fortan ohne das Monogramm drucken.

Als Echtheitsbeweis sei die Signatur für den Konsumenten wahrscheinlich wichtiger als für den Produzenten, meint Paul Teutsch. Denn der wisse ja, was er geschaffen habe. Andererseits steigert sie auch den Marktwert. Picasso etwa hat Bilder und Zeichnungen erst signiert, wenn er sie verkauft hatte. Mit flottem Schwung und entschiedenem Unterstrich. Ganz anders als der Surrealist René Magritte, der fast kindlich unterschrieb, und gelöster als Joseph Beuys, der mit vollem Namen spitz und krakelig signierte – und zuweilen einen Hut darüber zeichnete.

Für Paul Teutsch, 2005 mit dem Kulturförderpreis ausgezeichnet, taugt das nicht. Sein Thema ist die Reduktion: möglichst wenige Komponenten mit denen er konzentriert umgeht. Seine Arbeiten sollen sich nicht aufdrängen, sondern dem Betrachter ein Angebot machen. Teutsch nennt das „friedliche Erstkommunikation“.

Aktuell arbeitet er an Messingplatten, die er mit einem strengen geometrischen Muster versieht. Klebeband löst sich schmatzend von der Rolle, die Sprühdose zischt und eine Lösungsmittelwolke kriecht die Nase hinauf. Nicht anfassen! Wenn die Platten fertig sind, wird er seinen Namen auf die Rückseite schreiben. Schön leserlich.

Das findet Paul Teutsch einfach praktisch. So wie er all die „männlichen Unterschreiber“ affig findet, die Agilität, Kraft und Dominanzwillen per Namenszug demonstrieren wollen. Wilder Großbuchstabe am Anfang, hingeschluderte Wellen für alles mittendrin und am Ende ein markiger Wisch. „Das Überraschende ist“, sagt Paul Teutsch, „die sehen alle gleich aus.“

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