Teure Sturm-Folgen: Gerichtsstreit um ein fliegendes Klohäuschen

4.8.2020, 13:10 Uhr

Mundschutz im Treppenhaus, Plexiglasscheiben im Sitzungssaal. Die Pandemie hat das Procedere im Fürther Amtsgericht um ein paar Details bereichert. Neu ist auch, dass die Sitzordnung derzeit – wegen des nötigen Abstands – eine ebenso große Rolle spielt wie sonst allenfalls bei eleganten Dinnerpartys.

Als Gesprächsthema für ein solches Event taugt der Gegenstand dieser Verhandlung dann weniger: Es geht um ein Baustellen-WC. Ein nützliches Objekt in Lichtblau, das auch Mobiltoilette genannt wird und nun im Verdacht steht, allzu mobil gewesen zu sein. Es soll den Abflug gemacht haben.

In der Nacht vom 18. auf den 19. August 2017 zog ein Sturmtief namens Kolle vorüber. Nach einem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes gab es zur fraglichen Zeit Sturmböen aus südwestlicher bis nordwestlicher Richtung von in der Spitze bis zu zwölf Beaufort. Der Fürther Westen und besonders Cadolzburg wurden schwer getroffen.

In einem Zivilprozess geht es jetzt um die Frage, ob in dieser ausgesprochen steifen Brise in Cadolzburg ein nicht ausreichend abgesichertes Toilettenhäuschen von einer Baustelle gegen ein schräg gegenüber ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug befördert wurde, bevor es in einer Wiese landete.

Man ahnt: Es ist kompliziert

Daneben stellen sich rechtliche Fragen zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Baustelleneinrichtungen von Bauherren und deren Übertragbarkeit auf Dritte, insbesondere von den Bauherren zum Unternehmer und von der Vermietfirma auf das Bauunternehmen. Man ahnt: Es ist ein wenig kompliziert.

Der Kläger verlangt von den Beklagten – das sind die beiden Bauherren, das Bauunternehmen und die WC-Verleihfirma – circa 1500 Euro wegen der Beschädigung seines Wagens. Zudem fordert er die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden an dem Fahrzeug, das er mittlerweile verkauft hat - ein Punkt, der deshalb aus rechtlichen Gründen fraglich ist, merkt Richter Walter Groß an.

Die Gutachterkosten summieren sich

Der Vorsitzende rechnet vor, dass bislang bereits Gutachterkosten in Höhe von 6600 Euro angefallen sind. Durch den aktuellen Termin werden vermutlich 2000 bis 3000 Euro hinzukommen. Bemühungen des Gerichts, schon aus wirtschaftlichen Erwägungen eine gütliche Einigung herbeizuführen, seien gescheitert.

Der Erste der beiden Sachverständigen zeigt Fotos des entstandenen Schadens: Eine rund sieben Zentimeter lange Delle unterhalb der linken Schlussleuchte des Autos. Dass Baustellen-WCs grundsätzlich abheben können, beweisen durchaus unterhaltsame Internet-Videos, die der Experte zur Verdeutlichung einblendet.

Mit dem konkreten Cadolzburger Fall setzt sich seine Skizze des möglichen Hergangs auseinander. Demnach könnte der Schaden eingetreten sein, falls das flüchtige Häuschen in Schräglage, also quasi gekippt, mit dem Wagen kollidierte. Dann hätte eine der beiden Holzlatten, auf denen es montiert war, die Delle verursacht: "Passen würd’s schon – aber nur so."

Standfestigkeit ist gefragt

Der zweite Sachverständige wirft unter anderem die Frage der Erdnägel auf – und informiert darüber, dass die mobilen Toilettenhäuschen als Bauwerke gelten und laut bayerischer Bauordnung "standfest" aufgestellt werden müssen. Das wäre zum Beispiel mit rund 40 Zentimeter langen, besagten Erdnägeln möglich. Jeglicher Flugversuch würde damit unterbunden. Freilich seien die so fixierten Klos später nur sehr umständlich zu demontieren.

Ein Zeuge, der zur fraglichen Zeit bei der Aufsteller-Firma beschäftigt war, berichtet kurz und bündig aus seiner praktischen Erfahrung: "Die Häusle werden nicht in irgendeiner Weise befestigt." Die Frage des Richters, ob er denn schon einmal von der entsprechenden Vorschrift gehört hat, beantwortet er mit einem etwas ungläubigen: "Na?"

Da es weder Augenzeugen noch verwertbare Spuren gibt, wird ein weiterer Zeuge um Auskunft gebeten, auch um zu klären, ob vor dem Sturm vielleicht der Standort des WCs verändert worden war – ein nicht unwesentlicher Umstand, der das fragliche Klohäuschen als Dellenverursacher aus der Schussbahn bringen könnte, aber diesmal ebenfalls nicht eindeutig geklärt werden konnte.

Im September wird der Prozess mit weiteren Zeugen fortgesetzt.

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