Tief im Süden: Widerstand ist überall

7.1.2014, 09:56 Uhr
Tief im Süden: Widerstand ist überall

© Katrin Heim

Wenn ich meine Familie besuche und in Markt Schwaben, hinter München, aus der S2 steige, die früher die S6 war — ja, auch in Oberbayern ändern sich so manche Dinge —, begrüßt mich ein Gemurmel, dass eine andere Oberflächenspannung hat als in Franken. In Franken ist die Oberflächenspannung des Gemurmels weicher, schon alleine durch die Ts, die zu Ds werden, wie auch durch die Gs, die zu Chs werden. „Wos hosd gsachd?“

In Oberbayern ist es dagegen wirklich hart: Die Ts werden so richtig geschmettert. „Wos host gsogt, Saupreiß damischer?“

Aber Oberbayern ist eben der Ort meiner Herkunft und das wird auch immer so bleiben, genau wie es immer so bleiben wird, dass dort die Meisten die CSU wählen, weil „der Vater des scho gmacht hot, da Opa aa und der Uropa hätts aa gmacht, wenn a ned wos anders hät wähln müassn“.

So gibt es dann beispielsweise Orte wie Paslam. Gibt man in die Suchmaschine Paslam und Politik ein, dann erfährt man, dass der Filbinger Schorsch von der CSU Bürgermeister ist und seine Vorgänger Max Filbinger und Alois Filbinger waren; beide natürlich auch von der CSU. Ach ja, und Nachfolger wird der Ferdi Filbinger, der ist zurzeit noch auf Ausbildung in der CSU-Jugendortsgruppe Paslam.

Aber um den Paslamer Bürgern nicht Unrecht zu tun; in ihrer Gemeinde ist durchaus ein Interesse an Kultur zu erkennen. Der Bruno Willert hat ein Buch veröffentlicht, dass da heißt: „Ordnung ist das halbe Leben. Und die andere Hälfte auch. Amtliche Hinweise für ordentliches Verhalten in der Gemeinde Paslam“. Und auch einen Literaturwettbewerb hat die Gemeinde im letzten Jahr ausgelobt. „Wie ich einmal woanders Urlaub machen wollte, aber dann doch nach Paslam gefahren bin“ war das Thema der Ausschreibung.

Und wenn Sie jetzt neugierig geworden sind und einmal nach Paslam fahren wollen, dann können Sie der Wegbeschreibung auf der Internetseite folgen. Dort ist zu lesen: „Wenn man nach Bayern fährt, um den Tegernsee zu besuchen, und sich verfährt, kommt man an den Schliersee. Und wenn man dort nach dem Weg zum Tegernsee fragt und sich erneut verfährt, kommt man nach Paslam.“ Ich aber fahre jetzt nicht nach Paslam, sondern steige in den Bus und bin froh schon zu sitzen, als eine Horde Grundschüler die hintersten Reihen erobert.

Die Fahrt beginnt, die Jungs spielen Karten, und ich bin erstaunt, als einer mit dem Anwalt droht, weil ein anderer ihn als Spasti beschimpft hat. Für mich zeigt sich die fehlende Integration von Menschen mit Behinderung auf dem Land in diesem Ausdruck, obwohl Inzucht in den kleinen Dörfern kein seltenes Phänomen war und ist, womit wir wieder bei den Parteien angelangt wären.

Plötzlich höre ich „Du Kanak!“ und fühle mich wieder zu Hause. Ich überlege, ob ich was sagen soll, aber schon kommt mir ein couragierter Junge zuvor: „Du Rechtsradikaler“ und ich freue mich, dass es auch hier eine Antifa gibt.

Der Bus passiert eine erstaunlich hohe Dichte — für einen Exilanten erstaunlich hohe Dichte — an CSU-Plakaten, auf denen steht: „Wer betrügt, der fliegt!“ Will die CSU eine Flugschule mit Guttenberg, Seehofer und den anderen Amigos eröffnen?

Zwischen der Eingeborenen-Jugend entwickelt sich eine Diskussion, was denn „Kanake“ eigentlich bedeute. Der eine meint, es sei ein Schimpfwort für Jugoslawen, der andere ist davon überzeugt, es sei abwertend für Türken, während ein Dritter singt: „Deutschland, Deutschland über alles“.

Plötzlich mischt sich ein älteres Mädchen ein und erklärt den kleinen Jungs, dass Kanaken ursprünglich die Einwohner einer Südseeinsel sind. Die größte Klappe antwortet mit: „Ja, theoretisch stimmt‘s“.

Wir nähern uns über eine Anhöhe meinem Heimatdorf Isen, das ich von dort schön überblicken kann, und ich erfreue mich an der Natur mit ihren Wiesen und Wäldern. Der Ort erfreut mich dagegen schon weniger, er ist gepflastert mit Republikaner-Plakaten: Ich muss an meine alten Freunde denken, zu denen auch Erkan und Tahsin gehörten. Deren sprachliche Oberflächenspannung war härter als die mancher Bauern. Als ich in der Nacht einen Spaziergang mache und fast alle REP-Plakate besprüht sind, fühle ich mich wieder ein bisschen heimisch.

Zurück in Fürth — auch dort hat der Wahlkampf begonnen —, sehe ich eine Truppe für sich werben. Es handelt sich um die Bürgerinitiative Soziales Fürth (BiSF), die sich aus Neonazis rekrutiert und gegen Einwanderer und politische Gegner hetzt. Sie wollen in den Fürther Stadtrat einziehen. Ein Satz meiner Mutter kommt mir in den Sinn: „Oberbayern ist überall“, hat sie gesagt. Da sehe ich die Menschen vom Fürther Bündnis gegen Rechts und füge in Gedanken hinzu: „Überall ist Widerstand“.


 

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