Treue Gäste im City-Center: Täglich geht's ins Gondola

31.1.2017, 06:00 Uhr
Treue Gäste im City-Center: Täglich geht's ins Gondola

© Fotos: Thomas Scherer

„Früher“, sagt Erika und seufzt. „Früher, da hat man im City-Center noch alles bekommen.“ Die 81-Jährige, die wie alle in ihrer Runde nicht mit ihrem vollen Namen in der Zeitung stehen möchten, lässt ihren Blick schweifen. Um sie herum herrscht grenzenlose Tristesse. Hinter ihr fällt der Blick in ein verwaistes Schaufenster. Viele Jahre lang hatte es in dessen Auslagen gefunkelt und geglitzert. Juwelier Weigmann hatte dort über Jahrzehnte sein Geschäft. Längst vorbei. Zuletzt hatte eine Fußpflegerin noch etwas Leben in die Räume gebracht, mittlerweile sind sie leer geräumt und trostlos.

Doch das Schaufenster ist nicht das einzige dieser Art. Beinahe alle Geschäfte sind aus der Schwabacher Ebene, dem mittleren Stockwerk des Centers, verschwunden. Einige wenige halten noch die Stellung. Nagelstudios beispielsweise und Geschäfte, die ein Sammelsurium an Billigartikeln feilbieten.

Und dann wäre da noch das Eiscafé Gondola. Seit 32 Jahren, also von Anfang an, liegt es in der Mitte des Einkaufskomplexes. Dort, wo die Rolltreppen nach unten führen. Wobei die Rolltreppen seit Anfang diesen Jahres wegen Wartungsarbeiten abgestellt sind und auch nur noch einer der Aufzüge in Betrieb ist (wir berichteten).

Doch das Café trotzt sämtlichen Widrigkeiten — zumindest derzeit noch. Am Vormittag sind einige der Tische besetzt, die seit jeher von einem kleinen Zaun umgeben sind, an dem Blumenkästen mit Plastikpflanzen befestigt sind.

Auf den Rattanstühlen mit den etwas ausgeblichenen Polstern sitzen vor allem ältere Leute. Die meisten haben eine Tasse Kaffee vor sich stehen. So wie Erika. Zu ihr gesellen sich Christa, Betti und Herbert.

Weltpolitik und Wehwehchen

Beinahe jeden Tag treffen sie sich hier. Die Stunde zwischen zehn und elf nutzt die Runde, zu der sich manchmal noch einige andere einfinden, um sich auszutauschen – darüber, wo es im fortgeschrittenen Alter überall zwickt, und über weltpolitische Themen wie den neuen amerikanischen Präsidenten. Auch, um den wenigen verbliebenen Passanten hinterherzuschauen und ihr Aussehen zu kommentieren.

Seit 30 Jahren schon kommen sie zusammen. Manche haben sich dort im Eiscafé auch erst kennengelernt. Inzwischen sind einige aus der einst zehnköpfigen Runde schon gestorben.

Dass auch das City-Center nicht nur in die Jahre gekommen, sondern beinahe verwaist ist, stört die Stammgäste wenig. „Ich sehe das gar nicht mehr“, kommentiert Betti (83) die Zustände um sie herum und reicht Erika einen Packen ausgelesener Zeitschriften über den Tisch. „Daheim ist man doch viel allein“, sagt sie. Da seien die regelmäßigen Treffen eine willkommene Abwechslung.

Auch wegen der sympathischen Chefin, stellt Christa klar, komme man regelmäßig. Ein freundlicher Zug, der quasi auf Gegenseitigkeit beruht. Denn auch Danica Misic hält die Stellung vor allem wegen ihrer Stammkunden. Seit 21 Jahren steht sie schon hinter dem Tresen mit der Marmorplatte, 2015 übernahm sie das Café, nachdem ihr Chef aus Altersgründen aufgehört hatte.

Die goldenen Zeiten

Gut erinnert sie sich noch an die goldenen Zeiten des Eiscafés. Acht Bedienungen schwirrten damals zwischen den Tischen und der „Basis“ hinter der Eistheke hin und her. Oftmals, so erzählt die 46-Jährige, hätten die Leute auf einen freien Platz warten müssen, so begehrt sei der Ort gewesen. Geändert habe sich das schleichend. Der Anfang des Niedergangs kam mit dem Wegzug des real-Supermarkts im Jahr 2007. Danach ging es stetig bergab. Immer mehr Läden verabschiedeten sich aus dem Umfeld des Cafés. Die meisten verschwanden 2012, als der damalige Investor den meisten Geschäftsinhabern die Kündigung aushändigte, diese aber kurz vor Ablauf der Frist wieder zurücknahm. Das Gondola überlebte auch diesen Einschnitt, wenngleich mit den geschlossenen Läden auch mehr und mehr Kundschaft ausblieb.

Zuletzt waren es die abgeschalteten Rolltreppen, die manche Kunden vom Café-Besuch abhielten, auch die Kältewelle machte sich im spärlich beheizten Center bemerkbar. Die meisten Gäste behielten deshalb ihre Jacken an. Denjenigen Stammkunden, die trotzdem noch jeden Tag kommen, fühlt sich Misic aber sehr verbunden. „Ich kann es mir nicht vorstellen, die Leute nicht mehr zu sehen.“

Alles in Ordnung?

Kommt jemand ein paar Tage lang nicht, fragt sie bei den anderen Gästen nach, ob alles in Ordnung ist, sie hat ein offenen Ohr für Probleme oder Krankheiten und kennt überhaupt fast die ganze Lebensgeschichte einiger. Vor allem aber hängt sie an dem Einkaufszentrum, auch wenn sie beobachtet, dass es „von Tag zu Tag kaputter wird“. Dabei, sagt Misic, habe sie das Café doch „übernommen, um zu bleiben“. Das möchte sie auch immer noch und hofft auf ein konstruktives Gespräch mit dem neuen Investor P & P. Sie stellt sich vor, das Gondola zu schließen, um nach dem Umbau wieder zurückzukehren.

Erika, Betti, Christa und Herbert würden das begrüßen. Wo sie ihren Kaffee trinken werden, wenn das Center irgendwann geschlossen ist? „Vielleicht beim Beck am Rathaus“, sagt Herbert. Allerdings, schiebt der 77-Jährige hinterher, sei das längst nicht so schön wie hier.

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