Unberechenbar und dynamisch

5.5.2016, 13:49 Uhr
Unberechenbar und dynamisch

© Foto: De Geare

„Nichtgegenständliche Malerei“, das klingt in manchen Ohren wie „nichtsesshafte Malerei“. Soll heißen: Hängt das Bild richtig, oder haben oben und unten die Plätze getauscht? Und gleich noch eine haltlose Unterstellung: Zwei Katzen sind in den Farbtopf gefallen und haben auf der Leinwand miteinander gerauft.

Solche Einwände sind so alt wie die abstrakte Malerei selbst. Denn die Freiheit der Form- und Farbgebung, das Fehlen von Perspektive und Größenverhältnis, die Bearbeitung der Leinwand mit Spritzern und Wischern, die man für gewöhnlich als Fehler disqualifiziert, sie alle stürzen den Betrachter in die Desorientierung. Das kann Ablehnung provozieren, Neugier wecken, aber auch Begeisterung auslösen.

Der Pole Waldemar Kobiela, 1954 in Niederschlesien geboren, kann beides, gegenständliche wie nichtgegenständliche Malerei. Aber bei der abstrakten Malerei fühlt er sich besser aufgehoben. Wie die meisten abstrakten Gemälde tragen seine Bilder keine Titel. Auf einer Serie von vier Arbeiten dominiert ein schwarzer Block auf hellem Grund, den sehr energische Schwünge in Ocker und Weiß in eine unkalkulierbare Dynamik überführen.

Kleine Klecksgebilde

Eine weitere Serie zeigt nur die Nichtfarben Schwarz und Weiß. Diesmal erinnern die schwarzen Gebilde an chinesische Schriftzeichen, die ein Zen-Mönch in ekstatischer Erleuchtung hingeworfen hat: Mit breitem Pinsel gestrichen, ruht das Gebilde in sich, doch an seinen Rändern franst es aus, umschwirren schwarze Spritzer und kleinere Klecksgebilde das optische Zentrum wie Trabanten einen Planeten.

Drei Portraits, die tatsächlich vom selben Künstler stammen, zeigen junge Damen in leicht lasziver oder narzisstischer Geste. Und eigentlich sind es auch keine Portraits von leibhaftigen Frauen, die deren Charakter oder gar Seelenleben zu enthüllen beabsichtigen. Vielmehr wirken sie wie malerische Übersetzungen von fotografischen Vorlagen, die bereits ihrerseits auf maximale Modewirkung getrimmt sind. Mit anderen Worten: Kobiela überhöht die Fassade und den Oberflächenglanz der Models wie die tanzenden Farbschlieren einer Seifenblase.

Vollends in die optische Verwirrung stürzt der Betrachter bei einer Trilogie von Gemälden, in denen bis zu 20 Farbschichten einander überlagern, Muster sich gegenseitig durchkreuzen, einige Pfützen von ineinander verlaufenden Farbschlieren sich gegen einen Wust aus verschiedensten Farbeindrücken auf engstem Raum sich zu behaupten versuchen.

Erholung findet das Auge an der Wand gegenüber, wo in vertikaler und horizontaler Anordnung mit dem Rakel überarbeitete Farbketten einander überlagern und überlaufen. Hier stellt sich farbliche und räumliche Harmonie ein — und selbst der Genießer gegenständlicher Malerei seufzt erleichtert auf.

Vernissage am Samstag um 18 Uhr. Siehe auch „Fürther Kunststücke“ auf Seite 37.

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