V wie Nelly vom Brennberg

30.8.2012, 19:00 Uhr
V wie Nelly vom Brennberg

© Gabi Pfeiffer

Das „Zamperl“ sprintet die Treppen im Garten hinauf, dass die Hundeohren flattern. Und die soll eigensinnig sein wie eine Hochwohlgeborene? Doch, doch, bekräftigt Hans Stricker: „Sie ist halt ein Dackel, der ist stur und lässt sich von niemandem was neireden.“ Die Strickers haben sich daran gewöhnt, Nelly vom Brennberg ist schon der vierte Dackel in der Familie. Ein jeder hieß mit Rufnamen Zamperl. „Das kommt noch von meinen Eltern in München, da heißen alle kleinen Hunde so“, erklärt das Frauchen.

Zamperl Nummer vier liegt derweil im Schatten, ihre beeindruckende „Ahnentafel für den Dachshund“ vor der Reporterin: Nelly vom Brennberg wurde am 2. August 2008 geboren. Ihr Vater war Xantos von Rauhenstein, die Großeltern väterlicherseits Ravnsager’s Aka und Lara von Rauhenstein. Die Mutter Liesel vom Brennberg stammte von Niko vom Brennberg und Ulla vom Brennberg. Bis zu den Urgroßeltern reicht der Stammbaum: eine Dackeldynastie.

Für Menschen ist die Lage heutzutage viel profaner. Noch im Mittelalter wurde das Adelsprädikat „von“ strikt eingehalten. Es bezeichnete den Geschlechternamen, der mit einem „zu“ um einen zusätzlichen Wohnstättennamen erweitert werden konnte. Später kam der „Briefadel“ dazu, was auf der Seite des Internationalen Adelsverbandes ein bisschen herablassend klingt. Menschen, die wie Goethe mit einem „von“ für besondere Verdienste ausgezeichnet wurden.

Frage der Höflichkeit

Mit den Vorrechten des Adels war nach dem Zweiten Weltkrieg Schluss, die Weimarer Verfassung machte das „von“ schlicht zu einem Bestandteil des Nachnamens. Es sei jedoch eine Frage der Höflichkeit und einer „gewissen Bildung“, erklärt der Adelsverband, das von in der Anrede zu verwenden.

Von wegen Höflichkeit! Nicht nur, dass Nelly vom Brennberg im Familienkreis das Zamperl ist: Wenn sie zu viel bellt, wird aus der Wasserpistole geschossen. Ein Tipp von der Tierpsychologin. Denn die Dackeldame meint, dass sie der Bestimmer ist — und das geht natürlich nicht. Dabei hängen die Strickers schon sehr an ihrem Hund. „Er ist eine Bereicherung unseres Ehelebens. Wir haben immer etwas zu reden“, sagt die 69-jährige Edith Stricker. Wo das Zamperl seinen Lieblingsplatz ausgesucht hat in der Wohnung (unterm Wohnzimmertisch, mit strategischem Blick auf den Gang), ob es gefressen und wie es sich wieder zum Gassigehen hat bitten lassen.

Viermal täglich geht das Herrchen mit seinem Dackel, die letzte Runde gegen Mitternacht. An manchen Tagen verschaffen sie sich drei Stunden Auslauf. An der Uferpromenade entlang („Ein Tütla gehört zur Ausrüstung“) und ums Scherbsgrabenbad herum. Es kann passieren, dass Nelly vom Brennberg ihren Launen nachgibt und auf der Spur eines unsichtbaren und stets unerreichbaren Hasen mitten durch die Badenden saust. Oder zwischen Büschen und im hohen Gras verschwindet. Oh weh! Stundenlang hat Hans Stricker dann schon nach seinem Zamperl gesucht. Im Endeffekt, seufzt der 71-Jährige, „ist das Erziehung für uns: die Ruhe und den Humor, den sie für ihren Hund haben und brauchen.“

Ein kleiner Völler

Noch immer trauert er Zamperl Nummer drei nach, dem frechsten und intelligentesten Dackel auf der ganzen Welt. Ein Weibchen, das zum Fußballspielen geboren war. „Der kleine Völler“ nannten es die Kinder auf den Wiesen an der Rednitz. Weil Zamperl dem Ball nicht nur hinterherjagte, sondern ihn auch zu führen wusste. 15 Jahre lang.

Als der Hund starb, sind die Strickers nach einem halben Jahr Trauerphase wieder zur Züchterin in Etzelwang gefahren, haben sich Nelly vom Brennberg ausgesucht. Ein Dachshund mit lockigem, dünnen Fell und einem langen Dackelkörper. Einen, der wie der Regisseur Billy Wilder sich lustig machte, wie geschaffen ist fürs Breitwandformat. Ein eigensinniger Hund, der mutig bellt und eine Beute-Bürste wie eine Trophäe trägt. Aber auch einer, für den Silvester der schlimmste Tag im Jahr ist. Wenn draußen geballert wird, muss er in die Küche — Rollos runter — und muss aushalten.

So wie Herrchen und Frauchen ihn aushalten. Mit Wonne, wie man schnell erfährt. Seit die Gravieranstalt Stricker in der Pfisterstraße langsamer läuft, ist der Hund noch wichtiger geworden und die Spaziergänge ausgedehnter. „Mit Hund kommt man leichter ins Gespräch“, erklärt Edith Stricker: „Wir haben noch nie so viele Menschen gekannt wie jetzt.“

Ihr Mann findet, dass er eine „ganz andere Einstellung zur Natur, zum Ganzen“ gefunden hat. Eine, die näher an den Wurzeln ist — quasi auf Dackelhöhe.

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