Vom Fern- zum Wechselunterricht: So erleben das Fürther Mittelschüler

21.2.2021, 06:00 Uhr
Vom Fern- zum Wechselunterricht: So erleben das Fürther Mittelschüler

© Screenshot: FN

Für sie heißt der Neustart am Montag erst einmal: Die halbe Klasse kommt zur Schule, die andere Hälfte bleibt daheim und wird digital zugeschaltet. Wie finden sie die Aussicht? Wir waren eine Stunde im Online-Unterricht dabei, schauten zu und fragten nach.

Als wir den virtuellen Klassenraum betreten, sitzt Lehrer Stefan Herbst, der auch Fachberater für Digitalisierung an Fürther Schulen ist, mit FFP2-Maske vor dem Bildschirm. Maske? Allein daheim? Er lacht und erklärt: Er habe nur mal demonstriert, dass das ab Montag schwierig werden könnte.


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Denn auch wenn er dann ja wegen des Mindestabstands, den die Schüler von Tisch zu Tisch einhalten müssen, nur vor der Hälfte seiner Klasse steht, müsse er Maske tragen. "Und die Frage ist: Verstehen mich dann die anderen noch?" Die, die zuhause am Handy, Tablet oder PC sitzen. Sie will Herbst zuschalten.

Weil bald der Mittlere Schulabschluss ansteht, ist es ihm wichtig, "jeden Tag alle Schüler sehen". Das Livestreaming wäre eine praktische Option. Also will er es probieren, vielleicht mit der dünneren OP-Maske, auch die ist erlaubt.

Unterricht findet auch jetzt statt. Salvatore (Salvo) hat die Tagesschau vom Vortag zusammengefasst. Seine Arbeit erscheint auf dem Bildschirm. Titel, Foto, Themen, Stichpunkte – alle können mitlesen. Punkt eins befasst sich mit dem Politischen Aschermittwoch, der erstmals online über die Bühne ging.

Welchen Unterschied es für einen Redner macht, ob er zuhause in eine Kamera spricht oder in einem Bierzelt vor 500 Leuten, will Herbst wissen. Die Meinungen sind geteilt: Salvo meint, Reden ohne Publikum sei leichter, Herbst gibt zu bedenken, dass es einem Gag die Wirkung nimmt, wenn keiner lacht.

An sich sollte jetzt auch Valerie ihre Arbeit präsentieren, doch sie kämpft mit technischen Problemen. Auf Herbsts Frage "Ist dein Internet wieder fit?", kommt erst keine Antwort, dann meldet sich eine Mädchenstimme: "Ich bin grad drin, mit mobilen Daten." Ihr Lehrer winkt ab: "Nee, das wird uns zu teuer . . ."

Schwaches Internet, kleiner Schubs

Schülerin Damla bittet, einem Klassenkameraden wieder Zutritt zur Videokonferenz zu verschaffen. Kurz darauf entschuldigt sich der Betreffende mit dem schwachen Internet: Sein Bruder habe auch gerade Fernunterricht. Ab dem Moment läuft alles recht reibungslos.

Klar wird: Die Stoffvermittlung auf Distanz hat Tücken, aber auch gute Seiten. Mit einem neuen Thema in Mathe tue er sich leichter, wenn das gemeinsam an der Tafel erarbeitet wird, sagt Salvo. Zwiegespräche dauern länger, merkt Stefan Herbst an. Außerdem hätten nicht alle Schüler große Monitore. "Und schauen Sie mal drei bis vier Stunden aufs Handy."

Mal hakt es an der Hardware, mal an der Motivation. Sich aufzuraffen, sich selbst zu organisieren, dem Tag eine Struktur zu geben – das galt und gilt es, zu erlernen.

Valerie sagt: "Wer im Präsenzunterricht nicht lernen will, wird auch im Online-Unterricht nicht lernen." Ihr hilft ein Zeitplan, anderen mitunter ein kleiner Schubs des Lehrers, jetzt sofort Pause zu machen, an die frische Luft zu gehen – und ein "Beweisfoto" zu schicken.

Angefreundet mit Distanzunterricht

Zugleich haben sich die Zehntklässler angefreundet mit dem Unterricht auf Distanz. Sie loben, dass die Lehrkräfte ihre Fragen beantworten, wenn sie mit Aufgaben Schwierigkeiten haben, und finden es gut, dass sie sich ihre Zeit zum Teil freier einteilen können ("Ich kann selbst entscheiden, ob ich Mathe oder PCB mache").

Er habe gelernt, disziplinierter und selbstständiger zu arbeiten, sagt zum Beispiel Raffi. Vanessa erklärt, als Brillenträgerin tue sie sich im Distanzunterricht leichter als im Klassenzimmer, wo hinter der Maske "ständig die Gläser beschlagen". Sie, Marius und Valerie können sich daheim besser konzentrieren, weil es da ruhiger ist und niemand schwätzt.

Salvatore erinnert ans viele Lüften im Klassenzimmer im Kampf gegen die Aerosole und an den Lärm, der durch die offenen Fenster dringt, wenn der Verkehr auf der Schwabacher Straße vierspurig vorbeirauscht.

Ein Schüler habe immer "Weckerdienst", also darauf zu achten, dass alle zwanzig Minuten gelüftet wird, erklärt der Lehrer – und fügt schmunzelnd hinzu, bei den zweistelligen Minusgraden neulich war also niemand böse über den Fernunterricht.

Angst vor Ansteckung

Natürlich möchten sich die Zehntklässler gerne wieder sehen. Aber solange die Pandemie nicht unter Kontrolle ist, reagieren sie ähnlich wie viele angehende Abiturienten, die sich seit Anfang Februar wieder im Wechselunterricht befinden: Auch ihnen wäre die Beibehaltung des reinen Fernunterrichts lieber.


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Ein Schüler gesteht, er habe große Angst, sich das Coronavirus einzufangen. Auch Valerie hat "ein bissl Bammel" bei der Vorstellung, am Montag wieder "im rappelvollen Bus" zu sitzen.

Und Stefan Herbst beendet die Stunde mit nachdenklichen Tönen, als er sagt, die Lernplattform habe ihnen allen "in der großen Krisenzeit" sicher Krankheit und Kummer erspart.

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