Von kritischen Massen und Engeln im Flow

28.5.2016, 18:28 Uhr
Von kritischen Massen und Engeln im Flow

© Repro: FN

Nein, sagt kunst-galerie-Chef Hans-Peter Miksch, grundsätzlich möchte er Stimmzettel nicht als Mittel der Wahl in der Kunst etabliert sehen. Doch in diesem ganz speziellen Fall kann sich das Ergebnis dieses Verfahrens absolut sehen lassen. Aufgerufen waren die 150 Mitglieder des Galerie-Förderkreises. Sie durften jeweils den Namen eines in Fürth lebenden Künstlers auf eine persönliche, nummerierte Karte schreiben und auf diese Weise einen Teilnehmer an der Jubiläums-Schau nominieren.

Nicht nur, das sich „deutlich mehr als die Hälfte“ der Aufgerufenen beteiligte, deren vielseitiges Engagement für Miksch prinzipiell „kaum überschätzt werden kann“. Die Wahl entpuppte sich auch als sehr eindeutiges Votum. „Es hätten ja zum Beispiel auch 80 verschiedene Namen genannt werden können“, sagt der Galeriechef. Stattdessen entschieden sich die regen Förderkreis-Mitglieder klar für „ein dichtes Feld“, das „als repräsentativ gelten darf“.

Vertreten bei „10 = 10“ sind nun in alphabethischer Reihe: Oliver Boberg – auf ihn entfielen übrigens die meisten Stimmen —, Inge Gutbrod, Kathrin Hausel, Atsuko Kato, Ursula Kreutz, Sabine Neubauer, Andreas Oehlert, Stephan Schwarzmann (siehe auch „FragWürdig“ auf dieser Seite), Axel Voss und Hjalmar Leander Weiss.

Kunstvolle Inszenierungen

„Ich bin wie selten begeistert“, lobt Miksch. Jeder Teilnehmer durfte maximal drei Arbeiten mitbringen, keine ist älter als zwei Jahre. Die weitaus meisten stammen aus diesem Jahr. Sehr überlegt wurden die Möglichkeiten des Galerie-Raumes genutzt. So ist in den verschatteten Bereichen unter der Empore ein idealer Platz für drei Leuchtkästen von Oliver Boberg. Schacht 3, 5 und 6 faszinieren wieder mit den Un-Orten des Fürther Kulturpreisträgers 2009, die vertraut wie reale Punkte im Stadtbild wirken und doch kunstvoll inszeniert sind. Axel Voss zeigt hier unter anderem ebenfalls einen Leuchtkasten: „Space City“ ist zum ersten Mal ausgestellt und vereint eine Comic-Attitüde mit zahllosen Details und einer ironischen Unterströmung.

Einen Raum im Raum hat Inge Gutbrod gebaut. Ihre Installation „Because the sky is blue“ empfängt Besucher in einer transluzenten Welt. Licht diffundiert durch Wände aus japanischem Shoji-Papier, die dicht an dicht mit Linien in kühlen Farben bedeckt sind. „Hochpigmentierte Aquarellstifte erlauben es, sehr fest aufzudrücken und sichern diese intensive Art des Farbauftrags“, erklärt die Fürther Künstlerin, die auch wieder mit Wachs arbeitete, der in kreisrunden Leuchtkästen ins Spiel kommt.

„Critical Mass X“ nennt Ursula Kreutz ihre Rauminstallation, in der sie selbst mit hoch erhobenen Händen erscheint. Eine kreisrunde Form bringt den Torso zum Kreisen und verleiht dank Doppelbödigkeit zugleich Tiefe: „Mich interessiert die Verräumlichung der Fotografie“, macht Kreutz klar. Zugleich erzählt ihre Arbeit, deren Zentrum sich einer Uhr ähnlich bewegt, von Instabilität und der Absage an irgendwelche Sicherheiten.

Mit zwei ausdrucksstarken Leinwänden ist Kathrin Hausel präsent. „Lucha libre“ – Freistilkampf – hat sie die eine der beiden betitelt und zeigt darauf eine träumerische Sequenz, die von Schwerelosigkeit berichtet und außerkörperlichen Erfahrungen. Atsuko Kato erinnert an grausame Jahrestage. Die Daten der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki betiteln ihre Bilder. Das Grauen hat von Ferne beinahe ästhetischen Anziehung, aus der Nähe besehen, schmiegt sich Totenschädel an Totenschädel.

Material-Reize sind das große Thema von Sabine Neubauer, sie hat Neues aus ihrer Werkgruppe „fein.gratig.textil“ mitgebracht. Arbeiten, die sich als Brücken zu vergangenen Zeiten und Leben entpuppen. In direkter Nachbarschaft auf der Galerie-Empore ist Stephan Schwarzmann mit impulsiven, vibrierend lebendigen Werken vertreten: „Der Garten“. Andreas Oehlert, Kulturpreisträger 2004, zeigt äußerst ausgewogene Kompositionen, die sich nach seriellem Prinzip wiederholen und dabei zu neuem Wesen hinwachsen. Explosive Urgewalt bricht sich bei Hjalmar Leander Weiss Bahn. „Engel 1 & 2“ betitelt er zwei Leinwände und schreibt: „Engel sind immer im Flow“.

Im Rahmen der Jubiläums-Schau des Förderkreises wird ein mit 2000 Euro dotierter Preis verliehen. Eine Jury aus Vorstand und Beirat der kunst-galerie-fürth-Unterstützer wird sich für einen der ausstellenden Teilnehmer entscheiden. Wer das ist, wird bei der Midissage am 12. Juni um 17 Uhr, enthüllt. Zur Ausstellung ist eine informative Broschüre erschienen.

„10=10“: Vernissage Sonntag, 11 Uhr, kunst galerie fürth (Königsplatz 1). Öffentliche Führung am 17. Juni (15 Uhr). Bis 26. Juni.

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