Von lockenden Bambustüchern und ersten Flugversuchen

14.10.2011, 19:00 Uhr
Von lockenden Bambustüchern und ersten Flugversuchen

© Hans-J. Winckler

Verflixte Bambustücher. Anderthalb Wochen lang habe ich der Versuchung widerstanden, und kurz vor Torschluss, in den letzten Kärwa-Stunden, hat es mich, den Wenn-schon-dann-aber-gefälligst-effektiv-Putzer, doch noch erwischt. Direkt vor der Redaktionstür bin ich zum x-ten Mal am Stand mit den angeblich unglaublich saugfähigen und im Handumdrehen blitzblank säubernden Wundertüchern hängengeblieben; habe den vollmundigen, kurzatmigen und bezirzenden Schilderungen gelauscht; über die fingerfertigen, geschmeidigen und schier unglaublichen Vorführungen gestaunt, wie sie nur diese Art fliegender Händler beherrschen.

Den Ausschlag für die Investition ins Lappen-Set gaben dann mein Hausarzt und eine ältere Dame. Die ältere Dame, ebenfalls fasziniert am Stand ausharrend, bestätigte voller Inbrunst, dass kein Wort gelogen, kein bisschen Schmu zu befürchten sei. Und versicherte gleich mehrfach, finanziell nicht involviert zu sein: „Ich hob do fei nix dävou!“

Meinem Hausarzt war ich schon vorher begegnet, behende schlängelte er sich durch die Menschenmasse, ein Sortiment Messer vom Stand mit den Solinger Stahlwaren in der Hand. „Letzter Kärwatag“, gab er knappe Auskunft, „muss noch dringend Sachen besorgen.“ Sachen wohlgemerkt, die man sonst „das ganze Jahr über nicht kriegt“, wie mein Hausarzt beteuerte.

Bei dieser Gelegenheit fiel mir mein Vater ein, der früher immer nur aus einem Grund auf die Kärwa ging: um im Revier Moststraße, Nürnberger Straße, Kirchenstraße stundenlang eben jene Händler mit ihren mehr oder auch mal weniger nützlichen Dingen und ihren immer sagenhaften Geschichten darüber abzuklappern.

Damals habe ich nie verstanden, was ihn dorthin zog, keinen Sinn für diese skurrile, bezaubernde, in ihren Bann schlagende Meile gehabt und deshalb milde lächelnd den Kopf geschüttelt. Heute stehe ich selbst hier — und schüttle wieder milde lächelnd den Kopf.

Morgen dann testen mein Sohn und ich, ob man mit den Bambustüchern tatsächlich streifenfrei Fenster putzen kann. Wir halten Sie auf dem Laufenden.



Dienstag war der Tag, an dem Marlene fliegen lernte. Im Dezember wird die Kleine drei, da dachten wir, es sei an der Zeit, zum ersten Mal allein den Traumflug auf der Freiheit zu besteigen.

Mit Hilfe ihrer Schwester Hanna (8) und deren Freundin Emma enterte Marlene einen der Hubschrauber des Fahrgeschäfts. Die beiden großen Mädchen erklärten ihr, dass der Hubschrauber abheben werde, wenn sie nur den Steuerknüppel nach hinten ziehe. Marlene nickte.

Als das Karussell Fahrt aufnahm und sich sämtliche Gondeln nach und nach in die Luft erhoben, kreiste der Hubschrauber allerdings immer noch auf Bodenhöhe. „Marlene, der Hebel“, schrien die beiden Achtjährigen, „der Hebel.“ Dabei taten sie so, als würden sie einen Steuerknüppel nach hinten ziehen. Als alle Hoffnung bereits verloren schien, passierte es: Der Hubschrauber stieg hoch. Die großen Mädchen kreischten wie Teenies bei einem Konzert von Justin Bieber.

Marlene aber zog stumm ihre Bahnen am Fürther Himmel, die Hand am Hebel — huldvoll lächelnd wie die Queen.



Den können Sie auch als Wagenheber verwenden, so stabil ist der!“ Wer hat’s gesagt? Der Schuhlöffel-Mann. Aber nicht irgendwelche Schuhlöffel bietet er feil, sondern hölzerne Unikate, und nach fünf Minuten Zuhören ist man sich vollkommen sicher, der Schlossallee unter den Schuhlöffeln dieses Planeten gegenüberzustehen. Wer jetzt nicht zugreift, finden keinen mehr, keinen so schönen. Jetzt warten wir nur noch ganz geduldig auf die nächste Wagenpanne. Fünf Minuten später: Der junge Mann auf dem Kettenkarussell hat vom Warten genug; als sich die Gondeln in Bewegung setzen, fragt er die Mitfahrerin, ob sie seine Frau werden will. Hoch droben sagt sie Ja. Das war sehr rührend, aber den Schuhlöffel haben wir dann doch nicht rausgerückt. Man weiß ja nie, wie manche Geschenke so ankommen.



Wenn man die Funktionäre der Schausteller und Markthändler reden hört, müssten Münchner und Italiener die Wiesn jedes Jahr links liegen lassen und zum Feiern auf die Freiheit kommen. Von der „schönsten“ Straßenkirchweih Deutschlands schwärmen sie, vom „einmaligen, strahlenden Familienfest“ und einer „Faszination, der Besucher aus der ganzen Republik erliegen“.

Unter uns: Dass Unternehmer den Ort schlecht reden, an dem ihre Kasse klingelt — wer hat je davon gehört? Zugegeben: Man kann sich vielleicht vorstellen, dass der Billige Jakob

zum Beispiel beim Schnarchenreuther Volksfest seine Hosenträger wieder einpackt und den verdutzten Oberfranken einen Satz um die Ohren haut wie „Ich geh’ widda, bei eich is ja ned halb so schee wie in Fädd.“ Dieselbe Szene auf dem Oktoberfest? Nun ja, schwerer vorstellbar.

Dabei hätte er recht, denn man muss die Konkurrenz nicht kennen, um zu wissen: Die Fürther Kirchweih ist und bleibt die schönste im Land. Das ging übrigens auch immer wieder aus Gesprächsfetzen hervor, die man in den vergangenen Tagen in der Budenstadt aufschnappen konnte und die in verschiedenen Tonlagen und Dialekten nichts anderes waren als — Liebeserklärungen an die Fädder Kärwa.



 

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