Vor dem Ruhestand: Fürths Polizeichef blickt zurück

27.3.2018, 12:00 Uhr
Vor dem Ruhestand: Fürths Polizeichef blickt zurück

© Hans-Joachim Winckler

Als Polizist hat man einen Job, der einen immer wieder mit Abgründen konfrontiert. Sind Sie froh, dass Sie da jetzt bald raus sind?

Messing: Es stimmt, dass man belastende Situationen erlebt. Ich habe den Beruf aber trotzdem nicht als Last erlebt. Ich mache meine Arbeit bis zur letzten Stunde sehr gerne, ich wüsste tatsächlich kaum einen Tag, an dem ich ungern in die Arbeit ging – egal, ob früher beim Streifendienst, bei den Aufgaben im Präsidium oder seit 2011 in Fürth.

 

Welche Fälle, welche Einsätze haben Sie am meisten bedrückt?

Messing: Fälle, in denen Familien nahe Angehörige verloren haben, etwa bei einem tödlichen Unfall, außerdem Missbrauchsfälle und häusliche Gewalt. Erschütternd waren aber auch die Demonstrationen von Atomgegnern in Wackersdorf, da war ich zweimal eingesetzt; die Zeit des RAF-Terrors – wie sich später herausstellte, lag eine konspirative Wohnung in meinem Streifenbezirk. Und der Anschlag auf die israelische Mannschaft bei Olympia 1972. Da war ich noch in der Ausbildung, 18 Jahre alt, wir waren rund ums olympische Dorf eingesetzt. Zum Zeitpunkt des Attentats hatte ich dienstfrei. Es war schmerzlich, wie die zu Beginn der Olympiade unbeschreiblich fröhliche, lockere Stimmung unter den Gästen aus aller Welt von einem Tag auf den anderen umschlug.

 

Ob in Wackersdorf oder andernorts: Was denken Sie über Demonstranten, die aggressiv werden?

Messing: Grundsätzlich habe ich kein Verständnis dafür, wenn Protest, so berechtigt er auch sein mag, mit Gewalt verbunden ist.

 

Sie haben in Fürth einige Demonstrationen von Rechten erlebt und teils wütende Gegendemonstranten. Wie schwierig waren die Einsätze?

Messing: Es war mein Bestreben, immer so zu entscheiden, dass alle Beteiligten, egal auf welcher Seite, wieder gesund heimkommen – einschließlich meiner Kollegen. Als Polizisten haben wir die Pflicht, unabhängig von den Kundgebungsinhalten, Veranstaltungen zu schützen, die nicht gegen Gesetze verstoßen. Das ist unser Rechtssystem, es wäre doch schlecht, wenn beispielsweise ein Polizeichef entscheiden könnte, welche Kundgebungen er zulässt und welche nicht. Diese Rolle versteht aber nicht jeder.

 

Wie beurteilen Sie das Verhältnis zum Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus? Immer wieder wird der Polizei von linker Seite ja vorgeworfen, sie schütze die Rechten. Oder sie gebe sich zu wenig Mühe, rechtsextrem motivierte Straftaten aufzuklären.

Messing: Ich war von Anfang an um ein sachlich orientiertes, von gegenseitigem Respekt geprägtes Verhältnis bemüht. Das ist aus meiner Sicht ganz gut gelungen. Die monoton vorgebrachte Parole, dass unsere moderne, demokratisch geprägte Polizei die Rechten schütze, kann ich nicht mehr Ernst nehmen. Was die Straftaten betrifft, so betreiben wir alleine wegen des Symbolwerts mancher Beschädigungen – beispielsweise bei der Benario-Gedenktafel – einen relativ hohen Aufwand, um die Taten zu klären. Allerdings sind wir auf Zeugen angewiesen. Wenn irgendwo in der Nacht irgendwelche Parolen hingesprüht werden, so dauert dies nur Sekunden.

 

Nicht aufgeklärt wurde auch, wer 2013 bei einer der Demonstrationen den Stein – ein Stück Gehwegplatte – warf, der Sie am Kopf traf. Sie hatten damals Glück. War das die einzige Verletzung im Einsatz?

Messing: Ja, das hätte viel schlimmer ausgehen können. Und es war zum Glück das einzige Mal.

 

46 Jahre waren Sie bei der Polizei – was hat sich in dieser Zeit verändert?

Messing: Das beginnt bei der Ausrüstung: vom VW Käfer ohne Klimaanlage zu den heutigen Hightech-Fahrzeugen, vom Analog- zum Digitalfunk, von der mechanischen Adler-Schreibmaschine zur EDV. Die Stadtpolizei wurde zur Landespolizei, Direktionen und Spezialeinheiten wurden eingeführt. Es war eine ständige Professionalisierung, die auch nötig war. DNA-Nachweise haben enorme neue Möglichkeiten eröffnet. Es ist aber auch rechtlich alles komplexer geworden. Beim Datenschutz ist das richtige Maß noch nicht gefunden, da wird immer unterstellt, dass die Polizei die Daten missbräuchlich nutzt. Aber wenn man jetzt sieht, was bei Facebook passiert, stimmen die Relationen nicht ganz.

 

In den vergangenen Jahren hat sich die Welt gewandelt, Terroranschläge haben viel Angst ausgelöst, Rechtspopulisten bekommen Aufwind. Blicken Sie mit Sorge in die Zukunft?

Messing: Wenn ich zurückblicke, gab es immer wieder Phasen, in denen man sich sorgte, wie es weitergeht. Etwa die schon erwähnte RAF-Zeit, oder auch die Probleme, die auf die Euphorie nach dem Mauerfall folgten. Die Öffnung nach Osten. Es kamen immer neue Herausforderungen. Zurzeit ist viel Hass zu spüren, und der Respekt nimmt ab, nicht nur der Polizei gegenüber, auch in vielen anderen Berufen. Das ist eine Entwicklung, die in die falsche Richtung geht. Aber das kehrt sich hoffentlich wieder um. Es gibt auch viele junge Menschen, die einem Hoffnung geben. Also nein, grundsätzlich schaue nicht mit Sorge in die Zukunft. Ich bin eher ein Optimist.

 

Bevor Sie nach Fürth kamen, haben Sie einige Jahre am Schreibtisch gearbeitet. Hier waren Sie bei größeren Einsätzen wieder mit draußen. Wie war der Wechsel?

Messing: Der Streifendienst war der Grund, warum ich zur Polizei gegangen bin. Es war deshalb schön, dass ich noch mal die Chance hatte, zu den Wurzeln zurückzukehren.

 

Welchen Eindruck haben Sie von Fürth gewonnen, der sichersten Großstadt Bayerns?

Messing: Ich habe hier eine sehr schöne Zeit gehabt und ein sehr gutes Miteinander erlebt. Man hat kurze Wege, alles ist nicht so bürokratisch, man findet schnelle Lösungen. Es ist angenehm, in der sichersten Großstadt zu arbeiten – aber kriminalitätsfrei ist natürlich auch Fürth nicht. Hinter jedem Fall steckt Leid, und jeder Fall ist ein Fall zuviel.

 

Wie konnten Sie in all den Jahren Ihre Familie beruhigen, wenn die sich Sorgen machte, weil Ihr Job auch Gefahren mit sich bringt?

Messing: Ich hab immer versucht, Optimismus zu verstreuen. Ich selbst habe auch nach dem Steinwurf nicht groß darüber nachgedacht, dass mich noch mal ein Stein treffen könnte. Ich bin da auch nicht verbittert, mir ist es fremd, Hass zu empfinden. Der Täter muss das mit seinem Gewissen vereinbaren.

 

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