"Verbrauchern geht es um Regionalität"

Warum ein Wachendorfer Junglandwirt auf Bio setzt

23.6.2021, 13:00 Uhr
Seit drei Wochen erntet Michael Decker (links) Erdbeeren, Pflanzenbauberater Nikolaus Ehnis kostet.

© Foto: Thomas Scherer Seit drei Wochen erntet Michael Decker (links) Erdbeeren, Pflanzenbauberater Nikolaus Ehnis kostet.

Auch im Fürther Land verzeichnet der Ökolandbau Zuwachsraten. Mehr dazu erläutern Fachpflanzenbauberater Nikolaus Ehnis vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Fürth, sowie Biobauer Michael Decker aus Wachendorf.

Vorneweg etwas Statistik: Aktuell wirtschaftet jeder zehnte Bauer in Bayern ökologisch, bei der Fläche liegt der Biolandbau-Anteil bei zwölf Prozent. Wie sieht es im Fürther Land aus?

Ehnis: Diesen Zahlen hinken wir leider hinterher: Wir haben 27 Betriebe in Stadt und Landkreis Fürth, die mit gut 1000 Hektar etwa sechs Prozent der Fläche ökologisch beackern. Der Anteil der Betriebe liegt mit 4,5 Prozent weit unter dem Schnitt. Aber lieber ein verhaltenes Wachstum als gar keines.

Woran liegt der unterdurchschnittliche Anteil im Fürther Land?

Ehnis: Sicher nicht an der Bereitschaft der Landwirte umzustellen. Doch die Vermarktungsstrukturen für Bio sind bei uns schlicht nicht so gut ausgebaut wie andernorts. Wir haben mit Schöner in Cadolzburg gerade mal einen Landhandel mit großer Lagerhalle für Stadt und Landkreis Fürth.

Decker: Und das ist ein logistisches Problem. Wegen der verschiedenen Ökolabels muss im Lager für jede Marke, egal ob Dinkel oder sonstwas, eine separate Lagerfläche vorhanden sein.

Herr Ehnis, was also raten Sie Landwirten, die sich wegen einer Umstellung an Sie wenden?

Ehnis: Ich empfehle ihnen, sich vorab ganz genau Gedanken darüber zu machen, wie sie ihre Produkte absetzen können. Die Umstellung beginnt im Kopf.

Wie war das bei Ihnen, Herr Decker?

Decker: Für mich waren monetäre Aspekte nicht ausschlaggebend, sondern meine ganz persönliche Einstellung. Mit dem Nachwuchs am Hof – meine Frau Luisa und ich haben zwei Kinder – stellte sich für mich schlicht die Frage, wo geht es langfristig hin mit der Landwirtschaft und was will ich meinen Kindern hinterlassen? Deshalb wirtschafte ich ökologisch, im Einklang mit der Natur.

Teilen Sie die Kanibersche Einschätzung, dass „Bio aus der Heimat boomt“?

Decker: Ich würde mal sagen, das für die Verbraucher bei uns das Attribut „bio“ gar nicht ausschlaggebend ist. Ihnen geht es um die Regionalität.

Trotzdem heißt es allenthalben, Corona sei auch durch den Magen gegangen. Im Home Office bekochten sich die Menschen selbst und wählten hochwertigere Produkte.

Decker: Die gesteigerte Nachfrage konnten wir im vergangenen Jahr tatsächlich beobachten, allerdings wird abzuwarten sein, ob uns diese Kundschaft erhalten bleibt. Im Augenblick schaut es nicht so aus.

Sie haben sich mit der Haskap-Beere, die wegen ihres hohen Ernährungswertes insbesondere bei Antioxidantien und Vitaminen eine Fangemeinde gefunden hat, doch eine ganz eigene, deutschlandweit seltene Sonderkultur erschlossen, ist Bio in der Nische nicht sehr rentabel?

Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber.

Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber. © Eduard Weigert, NN

Decker: Grundsätzlich ja, aber wenn ich auf Ökolandbau umstelle, muss ich ohnehin mehr Kulturen anbauen. Für mich geht es darum, zum Schutz des Bodens die Fruchtfolge auf bis zu sechs Jahre auszudehnen. Das bedeutet, dass ich in diesem Zeitraum jedes Jahr eine andere Kultur auf dem Schlag anbaue, um den Boden aufzuwerten. In der konventionellen Landwirtschaft könnte ich jedes zweite Jahr Mais auf der gleichen Fläche aussäen. Im Ökolandbau geht es um die Bewahrung der natürlichen Ressourcen.

Auf welche Feldfrüchte setzen Sie?

Decker: Auf unserem Hof bauen wir seit 25 Jahren Spargel und Erdbeeren an, dem sind wir mit der Umstellung 2017 treu geblieben. Jetzt können wir die Früchte eben in Bio-Qualität verkaufen.

Bis 2030, so ist es das Ziel des freistaatliche Programms BioRegio 2030, sollen 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet werden. Herr Ehnis, wie realistisch ist das?

Ehnis: Das ist sehr ambitioniert. Zumal uns 2023 eine EU-Agrarreform ins Haus steht, von der im Grunde noch keiner weiß, wie sie tatsächlich aussehen wird. Das bremst den Wechselwillen. Die Landwirte wissen derzeit einfach nicht, was auf sie zukommt. Da kollidiert der politische Wille mit den aktuell unsicheren Rahmenbedingungen.

Dazu kommt die Doppelmoral der Verbraucher: Es gibt Zahlen, denen zufolge 84 Prozent der Deutschen Ökolebensmittel gut heißen, tatsächlich aber nur acht Prozent tatsächlich Biolebensmittel kaufen.

Ehnis: Stimmt. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass Worten auch Taten folgen. Wir arbeiten daran, die Wertschätzung der Lebensmittelproduktion vor Ort zu steigern, beispielsweise mit Aktionen wie dem Hofladen-Frühstück, bei dem die Landfrauen Kunden vor ein paar Wochen auf Bauernhöfen zum Frühstück eingeladen haben.

Das Programm BioRegio, so wirbt Ministerin Kaniber, wird von einem ganzen Paket an Maßnahmen zur Unterstützung begleitet, was genau tut der Freistaat auf diesem Feld?

Ehnis: Das sind ganz viele Mosaiksteine. Vorneweg können Betriebe, die umstellen wollen, für die Dauer der Übergangsfrist – in der Regel sind das zwei Jahre – im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms, kurz Kulap, Förderung erhalten. Außerdem wird mehr Geld in die Forschung gesteckt. In Bamberg ist eine Öko-Akademie entstanden, an der sich Biolandwirte fortbilden können. Darüber hinaus hat der Freistaat das Siegel Bio Bayern „Geprüfte Qualität“ – es ist fast kreisrund in Blautönen auf den Produkten zu finden – aufgelegt. Das bietet dem Verbraucher Orientierung. Auch auf Bundesebene, in grün-schwarzen Farben gehalten, gibt es so ein Label. Darüber hinaus sind die vier Öko-Verbände in Bayern – Bioland, Naturland, Demeter und BioKreis – Markenzeichen für echt bio.

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