Wegen Corona: Gesundheitsamt stoppt Schuleingangsuntersuchung

24.11.2020, 06:00 Uhr
Wegen Corona: Gesundheitsamt stoppt Schuleingangsuntersuchung

© Foto: imago/Thomas Frey

Die Tests sind gesetzlich vorgeschrieben und für angehende Erstklässler Pflicht. Sie bieten die Chance, Entwicklungsdefizite oder andere gesundheitliche Probleme zu erkennen. Bestenfalls kann das Kind noch vor dem ersten Schultag therapeutisch gefördert bzw. medizinisch behandelt werden.

Im Beisein der Eltern kontrollieren Mitarbeiter des Gesundheitsamtes den Impfstatus und testen teils spielerisch Seh- und Hörvermögen sowie sprachliche und motorische Entwicklung. Eine schulärztliche Untersuchung kommt hinzu, wenn etwa die kinderärztliche Vorsorgeuntersuchung U 9 fehlt.

Im Landkreis stünde die SEU heuer ab November für 1100 bis 1200 künftige Abc-Schützen des Schuljahres 2021/22 an. Stattgefunden habe aber noch keine einzige, heißt es aus der Pressestelle des Landratsamts, an dem das Staatliche Gesundheitsamt angesiedelt ist. Die Behörde begründet das mit den hohen Corona-Zahlen.

Kein Einzelfall. In Nürnberg gab es bereits Ausfälle bei der SEU, das Gesundheitsamt in Erlangen teilt auf seiner Homepage mit, die SEU müsse "aufgrund der steigenden Infektionsfälle im Rahmen der Pandemie ausgesetzt werden". Eine Nachfrage beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zeigt: So verfahren aktuell "die meisten" Gesundheitsämter im Freistaat.

Eine Ausnahme macht die Stadt Fürth, die – eine Besonderheit in Bayern – mit einer eigenen kleinen Dienststelle unabhängig vom Staatlichen Gesundheitsamt arbeitet. Wie Sozialreferentin Elisabeth Reichert sagt, sind in Fürth bis zum Beginn des Schuljahres 2021/22 rund 1300 Jungen und Mädchen zu untersuchen. Bis auf weiteres finden die Checks auch statt, doch kann sich das ändern, so Reichert, wenn das Staatliche Gesundheitsamt wegen der Pandemie die Unterstützung des Jugendärztlichen Dienstes der Stadt anfordert.

Noch aber werden Kinder und Eltern ins Sozialrathaus einbestellt, wo die Untersuchungen traditionell stattfinden. Um unnötige Kontakte zu vermeiden, sind die Termine großzügiger getaktet als vor Corona. Als Schutz vor Ansteckung arbeitet der Jugendärztliche Dienst laut Reichert unter strengen Hygiene-Auflagen, zu denen "medizinische Masken", Plexiglas–Scheiben sowie das regelmäßige Säubern, Desinfizieren und Lüften zählen.


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Auf die Frage, welche Konsequenzen das Ausbleiben der SEU für die Betroffenen hat, heißt es aus dem Landratsamt lapidar: "Keine. Mögliche Defizite bei den Kindern werden aufgrund der Vorsorgeuntersuchungen durch die Kinderärzte im Vorfeld erkannt und auch bearbeitet."

Doch was, wenn es bei den üblichen Kinderarzt-Kontrollen Lücken gibt? Familien die "U"-Untersuchungen nicht wahrnehmen? Die Fürther Referentin: "Die SEU ist für uns wichtig, denn sie zeigt, ob ein Kind Förderbedarf hat. Falls Untersuchungen fehlen, können wir die Eltern gezielt zum Arztbesuch motivieren."

Kritik an neuer Datenweitergabe

Fest steht: Solange die SEU weitgehend auf Eis liegt, kommen Neuerungen nicht zum Tragen, an denen im Vorfeld Kritik laut wird.

Bisher erfuhr die Schule von behördlicher Seite nur, dass die SEU stattgefunden hat, nicht aber, mit welchem Ergebnis. Laut LGL sieht nun das zum 1. August 2020 novellierte Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz vor, dass Gesundheitsämter Entwicklungsstörungen und Handicaps wie mangelnde Deutschkenntnisse der künftigen Schule direkt melden können. Eltern werden darüber informiert, zustimmen müssen sie nicht.

Kritiker befürchten, dass Kindern auf der Basis einer nur 30- bis 45-minütigen Begutachtung "schon ein Stempel aufgedrückt wird", noch ehe sie ihre Schule erstmals betreten. Sie fragen sich auch, ob die Informationsweiterleitung konform ist mit dem Datenschutz.

Im Fürther Landratsamt, wo das Staatliche Gesundheitsamt aktuell keine Kinder untersucht, beteuert man unterdessen, alle Informationen gingen über die Eltern und "nie direkt" an die Schule. "Es ist die Entscheidung der Eltern, festgestellte Auffälligkeiten mit der Schule zu kommunizieren." Und aus dem Fürther Rathaus heißt es, man untersuche noch nach den bisherigen Bestimmungen. Bisher sei "keine einzige Datenweitergabe" erfolgt.