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Wegen ICE-Werk: Fränkischer Landwirt fürchtet um Existenz

16.6.2021, 18:19 Uhr
Vom Stall aus blickt Tobias Röger direkt auf seine hofnahen Flächen. Sie liegen im Planungsbereich der DB für das neue ICE-Werk.

© Thomas Scherer Vom Stall aus blickt Tobias Röger direkt auf seine hofnahen Flächen. Sie liegen im Planungsbereich der DB für das neue ICE-Werk.

Während die Politiker, die da kamen, eher die negativen Folgen für die Wohnbevölkerung – wie etwa zusätzlichen Verkehr auf Schienen und Straßen oder die Lärmbelästigungen der ICE durch Huptests rund um die Uhr – im Blick hätten und den Schutz der betroffenen Wälder wie das Buchschwabacher Heiligenholz anmahnten, tauche das Problem des Flächenverlustes für die Landwirtschaft nur in Nebensätzen auf, finden Fürths stellvertretender Kreisobmann Günther Engelhardt und Roßtals BBV-Ortsobmann Norbert Tresch. Was das für den einzelnen Landwirt bedeuten kann, machen sie am Beispiel des Junglandwirts Tobias Röger deutlich.

Die Raitersaicher Hofstelle, die von der Dorfstraße aus zu sehen ist, wird bestimmt vom aufgelassenen Stall; dass da noch jemand auf die Landwirtschaft setzt, lässt sie gar nicht vermuten. Das Wohnhaus ist an den Hang gebaut und verstellt den Blick auf die eigentliche Betriebsfläche des Milchvieh- und Futterbaubetriebs auf der Anhöhe dahinter.

Wertvolle Flächen direkt am Hof

60 Milchkühe samt Nachzucht hält der 27-jährige Röger im offenen Laufstall. 70 Hektar Fläche bewirtschaftet er, um das Futter herzukriegen. 40 Hektar davon liegen in dem Korridor Richtung Buchschwabach und B 14, den die Deutsche Bahn als einen von neun Standorten für das neue ICE-Werk in Betracht zieht. Die Grundstücke liegen unmittelbar am Hof, Röger blickt direkt darauf, wenn er aus seinem Stall schaut. Würde das Instandhaltungswerk der DB hier realisiert, würde es dem Betrieb buchstäblich den Boden unter den Füßen wegziehen: "Das wäre das Todesurteil für meinen Hof", sagt Röger.

Wegen ICE-Werk: Fränkischer Landwirt fürchtet um Existenz

© Grafik: Klaus Grieninger

2016, als sein Vater starb, musste er – damals noch in der Ausbildung zum Landbautechniker – über Nacht den Betrieb managen. 2019 überschrieb Mutter Anneliese den Hof auf ihn. "Ehre die Scholle, die Dich ernährt", steht am Giebel des alten Stalls. So hält es auch Tobias Röger.

Doch angesichts der Bahnpläne fühlt er sich hilflos: "Eigentum verpflichtet, wir zahlen unsere Steuern dafür, doch Wert hat unser Grund nicht mehr. Es wird einfach darüber bestimmt", sagt er. In der Gegend gebe es weder Tausch- noch Pachtflächen, "jeder klebt an seiner Scholle". Doch mit nur 30 Hektar sei ein Milchviehbetrieb nicht zu machen.

Riesige Verluste

Das ICE-Werk bei Raitersaich würde die B 14 kreuzen, Überbrückung, Untertunnelung oder Verlegung der Bundesstraße stehen im Raum. "Das kostet noch einmal zig Hektar Fläche", glaubt BBV-Mann Tresch, "für die Landwirtschaft wären diese Verluste nicht zu verkraften." Dazu käme der Neubau des Umspannwerks im Zuge des Ausbaus der Juraleitung auf der entgegengesetzten Seite des Dorfes.

Die Landwirtschaft steht mächtig unter Druck, auch mit Flächensolaranlagen, die allerorts geplant sind. Zwischen Zautendorf und Cadolzburg ist jetzt eine entstanden. "8,5 Hektar bestes Ackerland sind unter PV-Modulen verschwunden", berichtet Kreisobmann Engelhardt. Das tue ihm "in der Seele weh".


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Ein Standort von den dreien in der Gegend – neben Raitersaich sind Flächen bei Müncherlbach und Heilsbronn fürs ICE-Werk im Gespräch – dürfte nach Treschs Einschätzung in die engere Auswahl kommen. "Und dann wird es wohl darum gehen, wo die Eigentümer am ehesten Verkaufsbereitschaft signalisieren", meint er. In letzter Instanz, hat er beim ersten Online-Dialog der DB erfahren, greife das Instrument der Enteignung.

Engelhardt warnt betroffene Landwirte dringend davor, vorschnell Vereinbarungen über Flächen zu unterschreiben, "erfahrungsgemäß werden die Bauern bei Großprojekten gern gegeneinander ausgespielt nach dem Motto, der Nachbar hat doch auch schon unterschrieben". In Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sei auch der BBV-Verband gefordert. "Der Einzelne", so Engelhardt, "kann diese Prozesse doch gar nicht mehr überschauen."

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