Wenn Holzbalken reden könnten

11.9.2012, 09:00 Uhr
Wenn Holzbalken reden könnten

© Thomas Scherer

Für Margarethe Hager stand gestern eine Reise zurück in die Vergangenheit an. Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder auf, wie sie mit anderen Kindern im Hinterhof des Anwesens in der Königstraße 17 gespielt hat — und dabei nicht selten von einem Anwohner beschimpft wurde, weil es beim Toben eben nicht immer nur leise zuging. Oder wie sie in der im Erdgeschoss des Hauses ansässigen Drogerie nach dem Krieg Soda gekauft hat, das die Wäsche zwar sauber machte, aber auch die Haut an den Händen angriff.

Aufgewachsen ist die heute 84-Jährige nämlich zwei Häuser neben dem am Sonntag für Besucher zugänglichen Gebäude. Ehrensache, dass sie sich von Weikershof aufmachte, um zu hören, was die an der Renovierung Beteiligten, ein Archäologe, ein Restaurator und eine Architektin, bei einer Tour durch das Haus, das um 1700 erbaut wurde, zu erzählen haben.

Wenn Holzbalken reden könnten

© Hans-Joachim Winckler

Rund 20 Interessierte waren zu der ersten Führung des Tages in dem ehemaligen Fachwerkgebäude mit seinen derzeit noch staubigen Dielen, löchrigen Wänden und freigelegten Dachbalken gekommen. Erfahren konnte man etwa, dass Mauerwerk und Fachwerk der Südfassade des Gebäudes wohl einst rot angestrichen waren und dass sich das Alter eines Hauses durch Bohrkerne aus den Balken bestimmen lässt, deren Jahresringe verraten, wann der Baum gefällt wurde. Dass das vierstöckige Haus seinen Besitzer bereits viele schlaflose Nächte gekostet hat, davon erzählen die Mauern nichts. Stefan Bär dagegen kann kann einiges berichten. Er hat das Haus von seinem Großonkel geerbt und lässt es für viel Geld herrichten. Sein Sohn soll einmal die oberen Etagen bewohnen. Unten dagegen könnte wieder der Kinderlärm von einst erschallen: Im Erdgeschoss wird eine Krippe untergebracht.

Schmuckes Ambiente

Ortswechsel: Im Rathausinnenhof findet sich ein Grüppchen ein, das Interesse hat am historischen Rathaussaal. Beinahe voll ist er, als Stadtheimatpfleger Alexander Mayer über den im Stil des späten Historismus entstandenen Raum berichtet, in dem heute noch der Stadtrat tagt. Ebenso wie die Vertäfelung des Raumes besteht die Innenausstattung der unweit des Rathauses gelegenen Mohren-Apotheke fast komplett aus Holz. Sogar die Stuckdecke ist ein Holzimitat. Seit acht Jahren gehört Maria Gonzales das Schmuckstück. Manchmal, gesteht sie, würde sie sich zwar eine größere Apotheke wünschen, doch wenn ab und zu eine der alten Flaschen oder ein antikes Salbengefäß zerbrechen, schmerzt sie das.

Der beschwerliche Aufstieg in den Dachstuhl von St. Michael hat kaum jemanden abgeschreckt. Dicht gedrängt lauschen Interessierte den Ausführungen von Zimmermann Detlef Schenkenbach, der erklärt, woraus sich das Gerüst aus Holzbalken zusammensetzt.

Um Fachbegriffe wie liegender oder stehender Dachstuhl, Strebe und Andreaskreuz ging es auch im Vortrag von Andreas Konopatzki. Der Rothenburger Architekt bot im „Gelben Löwen“ in Großhabersdorf Führungen an und warf unter anderem einen genauen Blick auf den „riesigen Dachstuhl“ des ortsbildprägenden Gebäudes, der wie das gesamte Baudenkmal — gemessen an seinem Baujahr anno 1683 — „relativ gut beinander ist“.

Seine Führungen boten die seltene Gelegenheit, ein historisches Gebäude in Augenschein zu nehmen, bevor es hergerichtet ist. Das Haus hat die Gemeinde nach zehn Jahren Leerstand vor einem Jahr erworben. Nachdem erst einmal acht Tonnen Müll entsorgt werden mussten, feilt Konopatzki jetzt am Nutzungskonzept und ersten Kostenkalkulationen.

Ob hier ein Restaurant samt Hotel, Ärzte und Geschäfte oder vielleicht doch Gemeindemitarbeiter einziehen, ist noch offen. Sicher ist, dass die Sanierung eine Herkules-Aufgabe ist. Auf Erd-, Ober- und drei Dachgeschossen bietet das Fachwerkhaus über 800 Quadratmeter Fläche. Konopatzki verabschiedet sich mit den Worten, „Ich freu mich schon drauf, wenn ich Ihnen zeigen darf, was aus dem Gelben Löwen geworden ist, wenn er irgendwann fertig ist“.

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