Wie das Fürther Klinikum neue Pflegekräfte gewinnt

21.12.2020, 06:00 Uhr
Wie das Fürther Klinikum neue Pflegekräfte gewinnt

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Blick über den heimischen Tellerrand gehört dazu. "Das hat bei uns schon Tradition", sagt Schröder, "2014 haben wir uns auf den Weg gemacht." Seit damals kooperiere man mit einer renommierten Agentur, die darauf spezialisiert ist, ausländische Arbeitnehmer zu vermitteln.

"Aus diesem Projekt sind inzwischen rund 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Serbien, Mazedonien, Albanien oder dem Kosovo zu uns gekommen." Schröder freut sich: "Nur fünf haben uns seither wieder verlassen – aus familiären Gründen oder der Liebe wegen."

Gespräche im Iran

Ein anderer Vertragspartner hilft, Hebammen aus Italien für das Klinikum zu gewinnen. Mit einem Partner im Iran laufen derzeit Gespräche für ein ähnliches Konzept. Aber auch im Personalbereich spielt Corona eine Rolle: "Derzeit stehen 35 Anreisen aus den vier Balkanländern an, die sich wegen der Pandemie leider deutlich nach hinten verschieben."


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Die Entscheidung, im Fürther Klinikum zu arbeiten, ist "keine Einbahnstraße", macht Carola Schröder klar. Bei den Vorstellungsgesprächen, die im jeweiligen Heimatland stattfinden, präsentiert sich auch der mögliche neue Arbeitgeber. "So können sich die Bewerber ein genaues Bild machen und sich ganz bewusst für Fürth entscheiden."

Damit allein ist es natürlich nicht getan. Ein wichtiger Punkt ist die Ausbildung nach deutschem Standard. In Serbien wurde zum Beispiel schon 2014 damit begonnen, "komplette Klassen auf diese Weise zu beschulen". Ein notwendiger Schritt, weil "die Vorstellungen vom Pflegeberuf sehr unterschiedlich sind". Während hierzulande pflegeorientiert gearbeitet werde, stehe andernorts in der Ausbildung die Theorie im Vordergrund.

Die Sprachkenntnisse leiden

Eine große Hürde ist laut Schröder die lange Wartezeit zwischen der Entscheidung für Fürth und der Ausstellung eines Visums: "Das kann zwölf bis 15 Monate dauern." Darunter leiden die Sprachkenntnisse, die in Deutschkursen erworben wurden und die dann erst einmal brach liegen. Doch halten die Fürther in dieser Zeit den Kontakt und bleiben mit den neuen Kollegen im Gespräch.


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Ein ganzes Paket an guten Ideen sorgt dann dafür, dass der Einstieg im Klinikum reibungslos gelingt und der Slogan "Vielfalt wird zur Normalität" gelebt wird. Das Integrationskonzept ruht auf mehreren Säulen, dazu gehört der persönliche Bereich: "Die neuen Mitarbeiter werden abgeholt, wenn sie ankommen, und zu ihrer Wohnung gebracht. Auch bei Behördengängen werden sie begleitet." Herzstück ist die intensive Einarbeitung. Im ersten halben Jahr steht monatlich eine Schulungswoche auf dem Programm, in den übrigen Wochen gibt es jeweils einen Theorietag. Ein "Einarbeitungs-Tagebuch" hilft, den Überblick zu behalten.

"Alles war vorbereitet"

"Es war ganz leicht", sagt zum Beispiel Jonis Manellari. Der 33-Jährige kommt aus Albanien und arbeitet als Pfleger in der Anästhesie: "Alles war für mich vorbereitet. Sogar der Kühlschrank in meiner neuen Wohnung war am ersten Tag gefüllt." Ein Mentor habe ihn zum Beispiel zur Bank begleitet und "auch außerhalb der Arbeitszeit konnte ich mich immer melden, wenn ich Fragen hatte".

Doch es gibt Punkte, die man nicht vorhersehen kann, einfach, weil man sie nicht kennt. "In der Abteilung habe ich mich zuerst nicht vorgestellt, weil ich gewöhnt bin, dass das zum Beispiel jemand, der älter ist, übernimmt." Die kleine Unsicherheit sei aber schnell aufgeklärt worden, "sonst war alles super". Eine Umstellung war zunächst die Aufgabenverteilung in einem deutschen Krankenhaus: "In Albanien übernehmen wir als Pfleger viele Dinge, die hier zum Bereich der Ärzte gehören."


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Christine Bauer, Teamleitung Anästhesie, lobt die "unglaublich hohe Fachkompetenz" der ausländischen Pflegekräfte am Klinikum. "Sie sind hochqualifiziert und zu 100 Prozent anerkannt." Zu Beginn habe es auch schon einmal Ängste oder Vorurteile gegeben. "In diesem Fall ist Kommunikation der Schlüssel. Die Dinge anzusprechen, hilft."

Das "Bassdscho"-Problem

Wie alle Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland hat Jonis Manellari das Deutschzertifikat Pflege erworben. Doch trotz des qualifizierten Diploms tauchte in Fürth schnell das "Bassdscho"-Problem auf. "Am Anfang war es mit dem Fränkischen nicht einfach, da sagt jemand beispielsweise ,des Knie‘ tut ihm weh, und ich denke: Das ist doch gar kein Genitiv." Dank Fränkisch-Schulung im Klinikum ist das kein Problem mehr. "Man muss beim Reden halt ein bissele elastisch sein."

Dem stimmt Ismail Fatia (29) zu. Auch er arbeitet als Pflegekraft in der Anästhesie und kam gemeinsam mit Jonis aus dem albanischen Tirana, wo sie am gleichen Krankenhaus gearbeitet haben. Wie gefällt ihm seine Aufgabe in Fürth? "Supersupergut", heißt seine Antwort. Das Leben in der Kleeblattstadt unterscheide sich grundlegend vom Alltag in Tirana: "Hier geht es familiär zu, langsamer und sehr gemütlich." Genau wie Jonis Manellari hat Ismail Fatia mittlerweile erfolgreich den Kurs als Praxis-Anleiter bestanden: "Jetzt können wir neue Kollegen hier an unserem Haus unterstützen."

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