"Wir müssen den Vereinfachern ins Wort fallen"

29.10.2017, 21:00 Uhr

© Foto: Stratenschulte/dp

Wer mit Brüchen rechnen will, sucht gewöhnlich zuerst einmal den gemeinsamen Nenner. Bei den knapp 40 Teilnehmern, die im Separee des Brauhauses Platz nahmen, war der nicht schwer auszumachen: Es gehe darum, "Diskussionen anzustoßen und Impulse zu geben für eine offene und soziale Gesellschaft", so Elisabeth Reichert, Fürther Sozial- und Kulturreferentin, über das vereinte Anliegen.

Ziele, die auch im Fokus des Jüdischen Museums Franken stehen. Reichert erinnerte daran, dass diese besondere Veranstaltungsreihe im Zusammenhang mit der Fundraising-Kampagne für die Erweiterung des Hauses in Fürth ins Leben gerufen wurde. Bisher seien dabei schon fast eine halbe Million Euro zusammengekommen; erreicht werden soll auf diesem Weg allerdings eine Summe von 1,8 Millionen Euro.

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly übernahm den Einstieg in das große Tisch-Thema, das seine Dimension bereits im Titel offenbarte: "Politik ohne Religion. Religion statt Politik. Welche Rolle spielen Religionen heute? An welchen Werten orientiert sich die Politik?" Maly unterstrich die Aktualität der Fragestellung: "Deutschland ist wieder in einem Prozess der Selbstvergewisserung begriffen." Damit seien stets heftige Diskussionen verbunden.

Nie reibungsfrei

Zweifelsfrei sei für ihn, dass auch "ein Staat Ethik braucht". Er legte aus, dass das Verhältnis zwischen Politik und Religion nie reibungsfrei sein könne: "Aber ich fordere ganz pragmatisch die Kirchen auf, meine Partner zu sein, damit die Stadt im besten Fall zusammenhält."

Alexander Jungkunz, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, moderierte die anschließende Expertenrunde und warf dabei auch die Frage auf: "Wie politisch darf Religion sein?" Peter Dabrock, Vorsitzender der Deutschen Ethikkommission, griff das Motto der Fundraising-Kampagne "Offen für Neues" auf und überlegte, ob eine solche Haltung nicht auch helfen könnte, zum einen den Blick auf unsere vielschichtige Gesellschaft, aber auch auf die jeweils anderen Glaubensrichtungen zu weiten.

Vor diesem Hintergrund wandte sich Dabrock nach seinen Ausführungen grundsätzlich gegen Tendenzen, simple Lösungen zu propagieren: "Wir müssen auch als Religionsgemeinschaften den Vereinfachern ins Wort fallen." Stattdessen sei es wichtig, eine Plattform für Gespräche zu bieten, Netze etwa zwischen Christen und Muslimen aufzubauen und nicht zuletzt "Komplexität auszuhalten".

Benjamin Idriz, Autor und Vorsitzender des Islamforums Bayern, griff Dabrocks Impuls auf: "Politik soll und darf von religiösen Werten profitieren." Idriz gab aber umgekehrt zu bedenken: "Je mehr sich Menschen mit Politik beschäftigen, umso mehr vermisse ich bei solchen Menschen religiöse Werte – das ist meine Erfahrung als Muslim." Prinzipiell sprach er sich aber für "eine Art von Kooperation von Religion und Politik" aus.

Wichtig seien auch Netzwerke, wie der Rat der Religionen in Nürnberg oder München: "Das gibt uns die Chance, wenn etwas Schlimmes geschieht, wie zum Beispiel ein Anschlag, dass wir alle gemeinsam dagegen aufstehen und sagen: Wir verurteilen das." In der muslimischen Gemeinschaft werde eine solche Haltung oft vermisst.

Diskurs ohne Ende

Autor Peter Prange ("Werte: Von Plato bis Pop – Alles, was uns verbindet") griff unter anderem diesen Punkt auf und erklärte: "Wenn es vor diesem Hintergrund um Terror geht, sind Muslime aus dem gleichen Grund besonders gefragt wie Deutsche, wenn es um die Verbrechen der NS-Diktatur geht."

Auf die Vielseitigkeit der unterschiedlichen Religionen und Positionen ging in seinen Ausführungen auch Elmar Nass, Leiter des Wilhelm Löhe Ethikinstituts, ein. Er machte deutlich, dass "zum interreligiösen Dialog die gegenseitige Wertschätzung" gehört, ohne die eigene Position zu vergessen: "Wir sollten auch davon erzählen, was unsere Schätze sind."

Die Diskussionen und Gespräche des Abends, den der Nürnberger Konzertgitarrist Stefan Grasse musikalisch begleitete, wurden von Alexander Jungkunz ausdrücklich nicht beendet. Stattdessen machte er deutlich, dass es weiterhin darum gehe, "diesen lebendigen Diskurs fortzusetzen".

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