Wonnen der Kammermusik

8.3.2013, 10:00 Uhr
Wonnen der Kammermusik

© Distler

Endlos mäandrierende Melodien, die einem Kopf und Ohr verwirren? Da teilt sich das Publikum meist in drei Teile: Kenner lauschen entzückt, Damen setzen ein höfliches Lächeln auf, Herren gehen was rauchen.

Um Kammermusik zugänglicher zu machen, rauschte bei den „Schliemännern“ ein Streichquartett vorbei: zwei charmante Damen (Christiane Seefried, Ingrid Bauer) an den Violinen, ein Cellist, den nichts aus der Ruhe bringt (Arvo Lang), sowie als Bratschist und sehr unterhaltsamer Moderator Sebastian Rocholl. Auf dem Programm: Mozart und Mendelssohn.

Um den Zuhörern die Eigenheiten und Finessen nahezubringen, beschränkten sich die Musiker nicht auf ihr professionelles Spiel, sondern erläuterten mit Hintergrundberichten, Kostproben und alternativen Versionen das Besondere an dieser Musik. Als „Charmeoffensive" begreift Rocholl den Abend, denn „um die Zukunft der Kultur ist es nicht gut bestellt". Ein Grund mehr für Schulen und Musiker, sich um eine entsprechende Jugendarbeit zu bemühen.

Die arme Jugend hat vor lauter Zukunftsplanung, -ängsten und Lernstress eh kaum noch Zeit für die schönen Dinge. Da ist es vielleicht ein Trost zu wissen, dass sogar ein ganz Großer wie Wolfgang Amadeus Mozart selbst als erwachsener Mann von solchen Plagen nicht verschont war. Mit 30 Jahren verdarb er es sich mit seinem Dienstherrn und riskierte den Sprung in die Selbstständigkeit. Um diese Zeit studierte er Joseph Haydns Streichquartette. Was Haydn in jahrelanger Tüftelei aufgebaut hatte, griff Mozart begeistert auf und verwandelte es auf seine Art. Heraus kamen die sechs „Haydn-Quartette", in diesem Fall das Quartett KV 387.

Ja, und wie hört sich das nun an? Das philharmonische Quartett spielt ein paar Takte aus dem Kopfsatz. Und zwar so, wie es um 1785 Standard war. Hört sich gut an und würde jedem Hofmusikus prima zu Gesicht stehen. Und nun das, was Mozart daraus machte. Nanu, was ist das? Die Lautstärke variiert, auf einen herzhaften Einsatz folgt ein Rückzug ins Verhaltene, dann wagt sich die Schnecke wieder raus aus dem Haus und erkundet die Welt aufs Neue.

Die kräftigen Farben des ersten Hörbeispiels fächern sich auf in ein schillerndes Mosaik. Hier geht es um die mental-akustische Wahrnehmung. Und die will erarbeitet sein. Da kommt es für die Musiker nicht allein aufs Zusammenspiel an, sondern aufs Zuhören und gegenseitige Aufeinandereingehen. Umso mehr, als Haydn und Mozart den Begleitstimmen gegenüber der ersten Violine mehr Aufgaben aufbürden als ihre Vorgänger. Früher gab in einem Quartett der Primarius den Ton an, „doch diese Zeiten sind inzwischen vorbei", meint Rocholl. Meist gibt der Cellist das Tempo vor, doch die Balance zwischen den Instrumenten ist stets im Fluss; da verbünden sich Bratsche und zweite Violine gegen die erste, wechselt die Bratsche die Fronten, brummt das Cello gegen alle drei an. Natürlich ist zwischenmenschliches Feingefühl nötig, um einen Kollegen bei den entsprechenden Passagen etwas auszubremsen oder aus der Reserve zu locken.

Und so ein Stück braucht Zeit, bis es sitzt. „Fünf bis sechs Proben zu je drei Stunden" klärt Rocholl auf. Und dann sitzt man in einer Aula mit entsprechendem Hall und muss sich noch einmal feinabstimmen. Klingt nach strikter Disziplin. „Aber Musizieren macht Spaß", beruhigt Rocholl die Zuhörer, „und spätestens ab der zweiten Flasche Wein ist es die reine Freude."

Das glauben wir gerne und freuen uns an Mozarts Quartett KV 387 und Mendelssohns hochromantischem Opus 44,1. Und die Zuhörer? Wie bei Tante Agathe: Die einen lauschen mit hochroten Ohren, die Mütter setzen ihr Lächeln auf, zwei Buben kämpfen mit dem Schlaf, einen dritten hält es nicht mehr auf dem Sitz.

Zum Ausklang Filmmusik: das James-Bond-Motiv von Monty Norman als Streichquartett. Das muss einfach in den nächsten Bondfilm eingebaut werden!

 

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