Wundern auf der Spur

20.9.2017, 10:00 Uhr
Wundern auf der Spur

© Foto: André De Geare

Wunder haben es nicht leicht. Schuld daran sind natürlich wir, die immer gleich die ganz großen Dinger erwarten. Dass plötzlich die Vernunft regiert. Nur so zum Beispiel. Oder der Weltfriede ausbricht. Da tut sich so ein etwas zurückhaltenderes Mirakel schon schwer. Doch die Sache ist nicht hoffnungslos. In den Galerieräumen in der Königswarterstraße lässt sich gerade bestaunen, wie sich Gedanken und Ideen verselbstständigen und auf wunderbare Weise ein Eigenleben beginnen können.

Auf den Weg gebracht wird diese Metamorphose von zwei jungen Künstlern, die die Beletage der Gründerzeitvilla bespielen, als gelte es, ein Netz zu spannen, um völlig neue Linien der Verständigung zu installieren. Marco Stanke (30) und Michael Ullrich (29), ein Maler und ein Fotograf, sind in ihrer Kunst längst über Grenzen gegangen. Sie haben schon jetzt ihre jeweiligen Genres ausgedehnt. Ein sehr persönlicher Prozess, dem etwas Spielerisches anzuhaften scheint – selbst, wenn der Vorgang ein schmerzlicher war.

Spürbare Anziehungskraft

Stanke zeigt in Fürth unter anderem Teile einer Arbeit, die er "Kollektiv" nennt. Das sind Oberflächen, geformt aus Keilrahmen und Leinwand, markiert mit Farbfeldern. Jedes dieser Teile scheint in der Lage zu sein, seinen Platz autark bestimmen zu können. Anziehungen werden spürbar, Konfrontationen oder Abstoßungen. Immer wieder neue Konstellationen ergeben sich. Auch im Bühlers, wo sich jetzt – Satelliten gleich – an mehreren Stellen "Kollektiv"-Ableger finden. So entsteht eine Art von Mobile, das trotz der zwangsläufigen Verhaftung mit einer Wandfläche Leichtigkeit verströmt und Freiheit.

Gefühle, die ganz direkt mit Arbeiten von Michael Ullrich korrespondieren. Da ist etwa die Aufnahme einer traumhaften Meereslandschaft. Auf einem Felsen mitten im kristallklaren Wasser ist ein Mann zu erkennen. Er spielt keine Rolle in der kraftvollen Natur. Das macht ihn auf eine befreiende Weise unabhängig, doch seine Freiheit paart sich gleichzeitig mit einem Gefühl der Demut. Dieser Ort bedarf keiner Menschen. Er wird sein, was er ist, auch ohne diesen Mann.

Der Forscher

Michael Ullrich und Marco Stanke kommen von der Nürnberger Kunstakademie. Ullrich ist Meisterschüler von Juergen Teller, Stanke von Thomas Hartmann. Der junge Maler nähert sich seinen Themen mit der Methodik eines Forschers. Auf diese Weise wird seine Suche sogar hörbar: Stankes Installation "Tonträger" basiert auf einem Siebdruck, dessen Farbschichten so dick aufgetragen wurden, dass sie von der Nadel eines Plattenträgers abgetastet und letztlich – inklusive Takt – wiedergegeben werden können.

Bei Ullrich wird eine Sonnenbank zum Medium. Wieder übernimmt der Fotograf selbst die Rolle des Models und präsentiert sich im strahlenden Sandwich des Bräunungsbeschleunigers. Der Titel der Arbeit: "I have all the time to make you love me". Kein Schönheitsideal wird hier angestrebt, stattdessen liegt die Botschaft in der Verweigerung, des allgegenwärtigen Kampfs um körperliche Ideale.

Alle Zeit der Welt wird augenscheinlich eingefordert, damit endlich gelingt, was schwer fällt: Den eigenen Körper zu akzeptieren, so wie er ist. Michael Ullrich schafft die Art von Distanzlosigkeit zwischen Objekt und Betrachter, die Juergen Teller hervorgebracht hat. Diesem Sog in die dargestellte Situation stehen Marco Stankes Werke gegenüber, die eine gegenläufige Haltung einfordern. Ihre konzentrierte Zuspitzung verlangt beinahe zwangsläufig, aktiv zu werden und selbst den Weg zu erkunden, den ihr Schöpfer beschritt. So oder so wird bald deutlich, wie intensiv sich die Arbeiten gegenseitig herausfordern. Und der Titel der Schau? Was ist "Miracle Macho"? Die Antwort ist schlicht: ein Anagramm. Wer die Vornamen der beiden Künstler lange genug schüttelt, wird dem Wunder auf die Spur kommen.

ZGalerie Bühlers, Königswarterstraße 22, "Miracle Macho", Bilder, Fotografien und Objekte von Michael Ullrich und Marco Stanke, bis 10. November. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag von 11 bis 15 Uhr sowie auf Anfrage. Näheres im Internet unter: www.buehlers-fuerth.de

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