Zirndorfs Glasscherbenviertel hat sich gemausert

20.1.2020, 21:00 Uhr
Zirndorfs Glasscherbenviertel hat sich gemausert

© Andre De Geare

Gemeint war das Stadtviertel hinter dem Bahnhof, genauer das Gebiet rund um die Weinleithe, in dem in den Geschosswohnungsbauten der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) Zirndorf aus den 1960er Jahren etwa 1600 Menschen leben. Anfang der 2000er Jahre bewarb sich die Bibertstadt mit dem Gebiet für das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt". Seit Oktober 2003 fließen Millionen – in den jüngsten Jahren sogar im jährlich zweistelligen Bereich – in die Modernisierung der insgesamt 1200 Einheiten in WBG-Besitz.

Die Klagen verärgerter Mieter, die unter den Baumaßnahmen im "bewohnten Zustand" litten und für manche Schlagzeile sorgten, sind verklungen. Man hat offenbar zu einem Modus Operandi gefunden, der akzeptabel für die Bewohner ist: Wohnungen werden nach einem Auszug nicht gleich wieder vermittelt, Mieter umquartiert, bevor die Handwerker anrücken. Kurz vor dem Abschluss stehen die derzeit laufenden Sanierungsobjekte in der Nibelungen- und Bergstraße sowie an der Weinleithe. Die Instandsetzung weiterer drei Wohnblöcke in der Breslauer Straße sowie die komplette Fertigstellung des Bereichs um die Bergstraße ist dieses Jahr geplant.

Soziale Defizite behoben

Soziale Defizite, die Gutachter vor 20 Jahren an einer "problematischen Bevölkerungsstruktur mit deutlich erhöhtem Anteil sozial schwacher Haushalte" festmachten, sieht WBG-Geschäftsführer Timo Schäfer weitgehend behoben. Die übers "Soziale-Stadt-Programm" im sogenannten Nordstadt-Treff angestoßene offene Sozialarbeit im Quartier hat die WBG inzwischen fest und zu 100 Prozent auf eigene Kosten etabliert. "Heute haben wir hier eine gute Durchmischung der Bevölkerung", sagt Schäfer, der seit Anfang 2018 an der Spitze der WBG steht.

Er hat das Unternehmen in ruhiges Fahrwasser gelenkt und schlägt doch zugleich Wellen – allerdings solche, die bei der Stadtspitze auf Wohlwollen stoßen. Ein Schelm, wer also denkt, es könnte etwas mit dem Kommunalwahlkampf zu tun haben, dass sich die Stadt auf ihre neuerdings auf Erfolgskurs wandelnde Tochter besinnt; mit dem 85. Jahr seit der Gründung zelebriert sie ein doch eher unübliches Jubiläum.

Zu dem sind die Gesellschafter – neben der Stadt mit einem Anteil von knapp 92 Prozent sind das die Sparkasse Fürth und eine Handvoll Handwerker – Geschäftspartner, Stadt- und Aufsichtsräte am kommenden Donnerstag eingeladen. Mit Ansprachen, dem Kabarettisten Klaus Karl-Kraus und der Stadtkapelle Zirndorf wird in der Paul-Metz-Halle gefeiert.

Aufgabe der WBG war und ist, Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen zur Verfügung zu stellen – "das heißt, Wohnraum zu errichten, zu erhalten, zu modernisieren und zu bewirtschaften", erklärt Schäfer. Doch gerade im vergangenen Jahr habe die WBG "stark an Tempo zugelegt und ihren Aufgabenkreis erweitert": Mit der Gründung der Bauträgergesellschaft ZiWoBau mischt die WBG nun auch auf dem Markt des Eigentumswohnungsbaus mit, und das mit Erfolg: Die 27 Wohnungen am "Breslauer Blick", die an der Breslauer Straße bis August entstehen, sind seit Ende des vergangenen Jahres verkauft.

Modern und bezahlbar

"Sie gingen weg wie warme Semmeln", sagt Bürgermeister Thomas Zwingel. Als "Highlights 2019" wertet er die Sanierungen in der Bergstraße und Aufstockungen in der Weinleithe. Sie sorgten für "modernen und bezahlbaren Wohnraum".

Weitere Projekte sind in Vorbereitung: Auf dem Areal "Bachwiese" an der Banderbacher Straße entstehen in 14 Gebäudeblocks 138 Wohnungen, teils sozial gefördert, teils frei finanziert. Außerdem hat Schäfer die Pläne für die "Neue Mitte Nordstadt-West", für die 2007 sogar ein Ideen-Wettbewerb ausgelobt war und die jahrelang auf Eis lagen, wieder aus der Schublade geholt.

In abgespeckter Form soll der Bau des zentralen Platzes – ohne Ladenzeile, stattdessen mit Wohnungen und Bürogebäude sowie öffentlichem Veranstaltungsraum – 2020 starten. Der Nahversorger in Form eines Discounters oder Supermarktes, den sich Zirndorf dort gewünscht hätte, ließ sich trotz jahrelanger Suche nicht finden.

Mit der Gründung von zwei weiteren neuen Gesellschaften, der WBG Zirndorf/Oberasbach und der WBG Zirndorf/Wilhermsdorf erweitert die WBG zudem ihr Geschäftsfeld um die Verwaltung der städtischen Liegenschaften Oberasbachs und die Wohnungen des Marktes Wilhermsdorf. Außerdem sollen diese GmbH & Co. KGs die Modernisierung und den Neubau von Wohnraum in den Nachbarorten forcieren. Denn unter Druck steht der Wohnungsmarkt nicht nur in Zirndorf.

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