Zwei Jahre nach dem Aus: Quelle lebt wieder

14.10.2011, 10:16 Uhr
Zwei Jahre nach dem Aus: Quelle lebt wieder

© Hans-J. Winckler

Wenn Thorsten Wehner in Hamburg den Hörer abnimmt, meldet er sich mit den Worten: „Wehner, Quelle.“ Quelle. Das sitzt. Da muss der Fürther am anderen Ende der Leitung erst mal schlucken. Quelle ist doch bankrott, ausverkauft, tot. Nein, Quelle lebt. Zwei Jahre nach der Insolvenz ist der Name wieder da – hauptsächlich im Internet, aber auch in Person von Thorsten Wehner und rund 40 Kollegen in der Hansestadt.

Den Untergang des Fürther Versandhändlers 2009 verfolgte Wehner in den Nachrichten: „Ich habe damals Werbespots produziert. Dass ich mal selbst bei Quelle arbeiten werde, hätte ich nie gedacht.“ Heute ist er Leiter der Unternehmenskommunikation der Quelle GmbH, einer Tochter der Otto-Gruppe. 65 Millionen Euro hat Otto für die Rechte am Namen Quelle und Marken wie Privileg gezahlt.

Im August dieses Jahres ging die Webseite quelle.de wieder ins Netz. Wehner beschreibt sie als einen Marktplatz, auf dem große Einzelhändler ihre Produkte verkaufen dürfen. Angelockt werden die Kunden vom Klang des guten Namens. Im Gegenzug verdient die Hamburger Quelle GmbH an jedem Verkauf ein bisschen mit.

Eigene Lagerhäuser gibt es nicht, auch keinen Versand, den erledigen die Händler. „Wir existieren ja nur online“, sagt Wehner. Eine Ausnahme sei der telefonische Kundenservice in Hamburg. „Quelle hat sich immer um seine Kunden gekümmert“, sagt er, „das wollen wir auch so machen.“

Etliche frühere Quelle-Kunden habe man schon am Apparat gehabt. Manche wundern sich, wollen wissen, was hinter der neuen Quelle steckt. Andere rufen an, um mitzuteilen, dass sich ihre Bankverbindung geändert hat. Dann heißt es: „Entschuldigung, Ihre alten Daten haben wir nicht, wir sind ein ganz neues Unternehmen.“ Ein Unternehmen, das mit Fürth oder Nürnberg so wenig zu tun hat wie der Hamburger Fischmarkt.



In der Kleeblattstadt erinnert im Herbst 2011 nicht mehr viel an den Quelle-Untergang, der die Region wie ein Erdbeben erschüttert hat. Doch anders als bei der Grundig-Pleite in den 90er Jahren hielten sich die Folgen in Grenzen.

Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 6,2 Prozent, dabei hatten Experten zwölf Prozent befürchtet. Die über Fürth verstreuten Immobilien sind längst aufgekauft. Die frühere Hauptverwaltung in der Nürnberger Straße bezog das Landesamt für Statistik. Im Retourenlager an der Waldstraße wird Bowling gespielt. An der Flößaustraße entwickelt P&P einen Gewerbepark und an einigen weiteren Standorten werden frühere Büroräume zu 450 Wohnungen.

Ist die Quelle in Fürth bloß noch Geschichte? Nicht ganz. In einem Reisebüro in der Gustav-Schickedanz-Straße führt Andrea Sehilis einen Foto-Quelle-Laden. Die betriebseigene Kindertagesstätte übernahm der Humanistische Verband: Das „Haus für Kinder – Grete Schickedanz“ bietet 87 Betreuungsplätze an. In Poppenreuth eröffnete 2010 das Prüfinstitut Bureau Veritas ein Labor. Mit dabei: 13 Mitarbeiter des ehemaligen Quelle-Instituts für Warenprüfung. Und in Nürnberg steht die „Küchen-Quelle“ auf eigenen Beinen – auch dank Fürther Investoren.

Die Firma Vertbaudet dient ebenfalls als gutes Beispiel: Als Quelle gerade in die Pleite schlitterte, arbeitete Andreas Schröder in einem Büro in der Hauptverwaltung. „Wir haben die gedrückte Stimmung miterlebt“, erinnert er sich; direkt betroffen war er nicht. Sein Auftrag lautete, die Kindermode-Marke Vertbaudet in Deutschland einzuführen; so hatte es Vertbaudet Frankreich mit der Quelle-Dachgesellschaft Primondo im Jahr 2007 vereinbart. Dann kam die Insolvenz. Vertbaudet musste seine Büros in der Hauptverwaltung räumen und zog in die Uferstadt.

Aus damals 18 Mitarbeitern wurden 65, 14 kamen direkt von Quelle. Der Umsatz wächst stetig, sagt Schröder. Während die Kleidung in Frankreich entworfen und gelagert wird, sind in Fürth Marketing und Vertrieb fürs Deutschland-Geschäft zu Hause. Neben einigen Vertbaudet-Shops, die in „Baby Walz“-Läden integriert sind, läuft viel übers Internet — wie bei quelle.de und Thorsten Wehner.

Wehner hat übrigens einen ganz persönlichen Bezug zu Fürth. An seinen Arbeitsplatz in Hamburg pendelt der Münchner mit dem Zug. Zweimal die Woche rauscht er durch Nürnberg und Fürth, sieht aus dem Fenster den Quelle-Turm und das Areal in Eberhardshof. „Dann denk ich mir, mein Gott“, sagt Wehner, „was war das für ein riesengroßer Verein.“

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