Zwischen Hoffnung und Heimweh

19.9.2007, 00:00 Uhr
Zwischen Hoffnung und Heimweh

© Hans Winckler

Die Geschichte der «Gastarbeiter» wollte Nursen Schwanke dem Vergessen entreißen, als sie sich vor zweieinhalb Jahren an die Arbeit machte. Ein Thema, mit dem sie als ehemalige «Gastarbeiterin» bestens vertraut ist. Vor ihr hat sich in Fürth der inzwischen wieder in seine griechische Heimat zurückgekehrte Vaios Fassoulas (in: «Der Troubadour der Fremde» und «Die Sirenen der Fremde») daran versucht.

1973 hat Nursen Schwanke als 18-Jährige ihre Heimatstadt Kirsehir bei Ankara verlassen, um in Fürth das Glück zu suchen. Auch die von ihr porträtierte Neriman wagt mit 18 Jahren den Schritt in die Fremde. Sie stammt aus einem Dorf in der Nähe von Kirsehir. Ihr Lebensweg gleicht in vielen Zügen dem der Autorin. Allerdings ist das Buch keine Autobiografie, wie Schwanke betont.

Ein türkisches Volkslied steht am Anfang. Heimweh ist der Grundtenor. Und Heimweh nach der Geborgenheit in der Großfamilie ist es auch, das zwischen den Zeilen den Ton angibt. Dabei zeichnet Nursen Schwanke durchaus kein Bild von einer heilen türkischen Welt. An Problemen herrscht in Nerimans Elternhaus kein Mangel. Oft machen Spannungen Nerimans Alltag zur Hölle. Insbesondere mit der Mutter liegt die Tochter im Clinch. Eine schwere Erkrankung der Mutter zwingt die erst 14-Jährige in die Hausfrauenrolle, was zugleich das Ende der Schullaufbahn bedeutet.

Der von Neriman grenzenlos verehrte Vater verdingt sich in Deutschland vorübergehend als Gastarbeiter und nährt damit auch den Traum der Tochter, der Plackerei in Kirsehir einmal den Rücken zu kehren. Mit Unterstützung des Vaters gelingt ihr das auch. Doch in Deutschland erwartet sie nicht das Paradies. Die Familie ist der Anker, der Neriman trotz mancher Spannungen in allen Stürmen sicher hält. Die von den Eltern angebahnte Ehe erweist sich als Unglück und endet mit der Scheidung. Das der Ehe entstammende Kind wird von den Großeltern aufgezogen, während Neriman weiter in Deutschland arbeitet. Hier geht die junge Frau schließlich eine neue Beziehung ein, die in einer neuen Ehe mündet.

Zwischen Tragik und Komik skizziert Schwanke einfühlsam ein faszinierendes Frauenschicksal. Es gelingt ihr vor allem, aufzuzeigen, was der Integration von Menschen aus anderen Ländern in Deutschland noch im Wege steht. Was fehlt, ist oftmals nicht nur Geld allein, sondern wirkliche Anerkennung, moralische Unterstützung, wie die Autorin es nennt. Dass diese Anerkennung nicht selbstverständlich ist, das sei schmerzhaft.

Mangel an Zuwendung

Nursen Schwanke liegt nichts ferner, als zu polarisieren. Menschliche Unterschiede findet sie nicht in der Nationalität, sondern im Lebensumfeld der Großstadt oder des Dorfes. Die großstädtische Reduzierung auf die Kernfamilie sieht sie als problematisch an. Gerade Kinder litten unter dem Mangel an Zuwendung aus einem größeren Verwandtenkreis.

Der Wohlstand, den die Gastarbeiter einst vor Augen hatten, ist allein noch kein Segen, weiß die Autorin. Auch menschliche Werte, wie der Respekt vor dem Alter, wollen gepflegt werden. Nursen Schwanke hat 1992 bereits ein Kochbuch über traditionelle türkische Küche zusammengestellt und engagiert sich ehrenamtlich in interkulturellen Frauengruppen. VOLKER DITTMAR

Nursen Schwanke: «Neriman - Der Weg einer fränkischen Türkin», 240 Seiten, 10,90 Euro, NUS-Verlag, Nursen und Uwe Schwanke, Heilstättenstraße 103, Fürth, Telefon (09 11) 72 10 81. E-Mail: nursenschwanke@yahoo.de. Die Autorin stellt ihr neues Buch bei einer Lesung am Sonntag, 28. Oktober, um 16 Uhr im Multikulturellen Frauentreff in der Fürther Moststraße 9 vor.