Geplante Schweinemast wird zum Präzedenzfall

11.4.2012, 07:49 Uhr
Geplante Schweinemast wird zum Präzedenzfall

© Klaus-Dieter Schreiter

Um die Gegner und Befürworter des geplanten Schweinemastbetriebs in Bräuningshof an einen Tisch zu bekommen, traf sich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Ende Februar mit den zerstrittenen Parteien in Erlangen: Da aber die Befürworter der Schweinemast, wie etwa der Bauernverband Oberfranken und der Landtags- sowie Kreistagsabgeordnete Eduard Nöth (CSU), dem Gespräch fern geblieben waren, „war es ein Gespräch im kleinen Kreis“, sagt Turhan Kurt von der Bürgerinitiative Wohnregion IBB (Igelsdorf Bräuningshof Bubenreuth).

So sprachen die Landtagsabgeordnete Christa Matschl (CSU) aus Uttenreuth (Kreis Erlangen-Höchstadt) und drei Vertreter der Bürgerinitiative mehr als eine Stunde mit dem Minister: „Das eine oder andere Argument hat Minister Herrmann sehr nachdenklich gestimmt“, berichtet Kurt: „Besonders die Präzedenzfallbedeutung des Bayreuther Urteils vom letzten Oktober.“

Wie berichtet, hatte das Verwaltungsgericht in diesem Urteil zu Gunsten des Bauern entschieden. Die Richter empfahlen dem Landwirt sogar, seinen landwirtschaftlichen Betrieb in einen Gewerbebetrieb zu wandeln, um die Umweltauflagen zu umgehen. Hiergegen zogen die Stadt Baiersdorf (Kreis Erlangen-Höchstadt) mit der Gemeinde Bräuningshof vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München. Sollten jedoch die Gegner der Schweinemast bei der Berufungsverhandlung unterliegen, befürchtet Turhan Kurt von der Bürgerinitiative ein Präzedenzurteil: „Sollte das Urteil des Erstgerichts konsequent umgesetzt werden“, so Kurt, „könnte jedes bauliche Vorhaben in den Außenbereichen der bayerischen Gemeinden verwirklicht werden, unabhängig von Geruchs- und Lärmbelästigung für die Bevölkerung.“ Dies beträfe nicht nur Bayern, sondern ganz Deutschland.

Überdies stehe das Bayreuther Urteil im krassen Widerspruch zu den Richtlinien des Landesentwicklungsprogramms (LEP). Auf der Internetseite des bayerischen Wirtschaftsministeriums heißt es dazu: „Die Raumentwicklung in Bayern muss den Grundsätzen der Nachhaltigkeit gerecht werden: Die ökonomischen, ökologischen und sozialen/kulturellen Belange müssen gleichwertig berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht werden.“ Während Kurt berichtet, man sei sich in dem Erlanger Gespräch über eine verbindliche Umsetzung des Landesentwicklungsprogramms einig gewesen, verwies das Innenministerium bei einer Nachfrage der NZ auf das laufende Gerichtsverfahren.

Seit Jahresbeginn haben sich auch die Fronten zwischen dem Forchheimer Landrat Reinhardt Glauber (Freie Wähler) und den Schweinemastgegnern verhärtet: In einer Kreistagsanfrage vom Januar, so berichtet Turhan Kurt, habe der Landrat die widerborstigen Bürger rüde in ihre Schranken gewiesen. Die Gegner der Schweinemast hatten den Landrat um Erklärung gebeten, warum sich das Landratsamt Forchheim als eigentlich Beklagte nicht an der Zulassung der Berufung beteiligen wolle. Landrat Glauber soll die schriftlich eingereichte Bürgerfrage mit den Worten abgeschmettert haben: „Sie können mich nicht zu einer Antwort zwingen. Der Antrag ist abgelehnt. Punkt.“

Was Turhan Kurt noch mehr erbost: „Der Landrat hat sich bei seiner Entscheidung, nicht mit in die Berufung zu gehen, immer auf eine Abstimmung mit der obersten Baubehörde berufen.“ Doch im Gespräch habe Innenminister Herrmann auf die konkrete Nachfrage geantwortet: Es habe keine Abstimmung gegeben. Das Staatsministerium erklärt auf Anfrage der NZ, dass es sich bei dem Gespräch mit der Bürgerinitiative am 20. Februar um ein nichtöffentliches Gespräch gehandelt habe. „Deshalb können wir uns zum Thema ,Schweinemast in Franken‘ derzeit nicht äußern.“

Unterdessen weist Landrat Glauber den Vorwurf in einem Schreiben vom 27. Februar an die NZ zurück. Zitat: „Die oberste Baubehörde wurde auf dem Dienstweg über die Regierung von Oberfranken informiert, sie hatte keine Einwände hinsichtlich des Verfahrens – nicht in Berufung zu gehen!“ Weiter zitiert Landrat Glauber die OBB (oberste Baubehörde) aus dem Schreiben vom 26.1.2012: „Es ist ein tragender Grundsatz unserer Verfassungs- und Rechtsordnung, dass die Behörden der staatlichen Verwaltung, im vorliegenden Fall das Landratsamt Forchheim, die Entscheidungen der unabhängigen Gerichte zu beachten haben. Wir bitten deshalb um Verständnis, dass der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten bleibt.“

Turhan Kurt hätte dem Landrat gerne erklärt, warum nach seiner Meinung die Belange des Landkreises betroffen sind: „Die Bevölkerung in den durch die Schweinemast betroffenen Gemeinden steigt seit Jahren kontinuierlich an. Durch den Bau der Schweinemast würde diese Entwicklung sofort gestoppt.“ Alle gemeindlichen Investitionen, auch die Häuser und Wohnungen der Bürger, würden rapide an Wert verlieren.

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