Gewalt gegen Rettungskräfte steigt: Kampagne soll helfen

5.12.2020, 06:00 Uhr
Gewalt gegen Rettungskräfte steigt: Kampagne soll helfen

© Foto: Theo Bick/dpa

Es ist ein Thema, das niemanden kalt lassen sollte: Die wachsende Gewaltbereitschaft gegenüber Einsatzkräften. Es sind aber nicht nur Polizisten, die immer öfter Opfer von Aggressionen werden. Seit ein paar Jahren rücken mehr und mehr auch Fälle von Gewaltausbrüchen in die Schlagzeilen, in denen von Angriffen auf Rettungskräfte, Feuerwehr und sogar auf das Technische Hilfswerk die Rede ist. Die Hemmschwelle sinkt vor allem dann, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind.

Wer sich durch die zurückliegenden Meldungen des Polizeipräsidiums wühlt, muss nicht lange nach derartigen Übergriffen suchen. Da ist etwa ein Vorgang, der sich am 16. August 2018 ereignet hat: Ein 24-Jähriger stalkt in Fürth seine Ex-Freundin. Die Polizei wird alarmiert, vier Beamte stellen den Mann zur Rede. Doch der zeigt sich äußerst aggressiv und provoziert. Die Einsatzkräfte fesseln den Täter, doch es gelingt ihm sich loszureißen – mit einer Handschelle am Arm.

Fleischwunde an der Hand

Der 24-Jährige versuchte, einem Polizisten die Dienstwaffe aus dem Holster zu reißen. Es gelang ihm nicht. Mit der losen Handschelle am Arm drosch er in Richtung der Beamten – und traf. Das Resultat: Einer erlitt eine Kopfverletzung, ein anderer eine Fleischwunde an der Hand und ein dritter Schürfwunden. Zu sechst konnten die Streifen den renitenten Mann dann doch festnehmen. Die drei Verletzten waren anschließend nicht mehr dienstfähig.


"Echt sprachlos": Angriffe auf Rettungskräfte nehmen zu


In anderen Meldungen ist auch von Faustschlägen oder Kopfstößen ins Gesicht, von Tritten in die Genitalien, einer ausgekugelte Schulter und Blessuren zu lesen. Täter beleidigen mit unflätigen Ausdrücken, sie spucken und beißen Beamtinnen und Beamte. Letzteres kommt immer häufiger vor.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: "Die Anzahl an Delikten gegen unsere Polizistinnen und Polizisten ist 2019 auf 7959 Fälle gestiegen und hat damit im Landeslagebild Bayern 2019 einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2010 erreicht", stellt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann während eines Pressegesprächs in Fürth fest. Selbst in Mittelfranken habe man mit 974 Delikten einen leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. "Neben Polizeibeamten waren 2019 bayernweit auch Einsatzkräfte des Rettungsdienstes in 311 Fällen und Feuerwehrleute in 82 Fällen von Gewaltdelikten betroffen."

Als Ursache macht Mittelfrankens Polizeipräsident Roman Fertinger "den zunehmenden Alkohol- und Drogenkonsum", die "Verrohung in der Gesellschaft" sowie ein gewisses "Feindbilddenken" aus.

Was also tun? Polizei und Justiz in Bayern stellten bereits im Herbst 2018 ein neues Konzept zur Ahndung von Angriffen auf Polizisten, Notärzte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute vor. Dabei geht es um die "priorisierte Fallbearbeitung". Das heißt, die Verfahren werden beschleunigt und die Täter schneller der Justiz überstellt. Seit einer Gesetzesverschärfung im Jahr 2017 drohen den Beschuldigten bis zu fünf Jahre Haft. Für Herrmann und Fertinger ein Schritt in die richtige Richtung. "Die Polizei braucht Rückendeckung", betont der Polizeipräsident. Eine rasche Bestrafung stärke das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung sowie in die Handlungsfähigkeit von Polizei und Justiz.


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Ob potenzielle Täter dadurch aber abgeschreckt werden, kann heute noch nicht beurteilt werden. Die nackten Zahlen für 2019 lassen das jedenfalls nicht erkennen. Für 2020 liegt noch keine Statistik vor. Herrmann: "Dieses Jahr wird wegen Corona aus der Art schlagen." Es werde vermutlich einen Rückgang geben, doch der hänge mit der besonderen Pandemie-Situation zusammen. Normalisiert sich das Leben wieder, steigt sicher auch die Zahl der Gewaltausbrüche gegen Einsatzkräfte.

Vor diesem Hintergrund startet das Polizeipräsidium jetzt eine Kampagne für "mehr Respekt und weniger Gewalt" – Plakate werden geklebt und Broschüren verteilt. Darauf zu sehen sind Bilder von Einsatzkräften halb in Uniform und halb in ziviler Kleidung. Die Anti-Gewalt-Botschaft ist klar: In jeder Uniform steckt ein Mensch. Er oder sie sind Mütter, Väter, Eheleute, Brüder, Schwestern, Kinder und Freunde. Außerdem gibt es Videos und Fotos zur Kampagne auf den Social-Media-Kanälen der Polizei Mittelfranken.


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