Glauber: "Wir wollen Photovoltaik wieder voranbringen"

25.11.2018, 05:54 Uhr
"Die Energiewende war mit ein Grund, warum ich in die Landespolitik gegangen bin", sagt der neue Gesundsheitsminister Thorsten Glauber im Interview mit NN-Redakteur Roland Englisch und klärt über seine Pläne auf.

"Die Energiewende war mit ein Grund, warum ich in die Landespolitik gegangen bin", sagt der neue Gesundsheitsminister Thorsten Glauber im Interview mit NN-Redakteur Roland Englisch und klärt über seine Pläne auf.

Herr Glauber, Sie sind seit gut einer Woche Umweltminister. Wie fühlt es sich an?

Thorsten Glauber: Gut. Wobei ich Respekt vor dem Amt habe, das eine große Herausforderung ist. Aber es ist natürlich auch eine wunderschöne Aufgabe, auf die ich mich freue.

Es war nicht naheliegend, dass die Freien Wähler sich das Umweltministerium holen. Was hat den Ausschlag gegeben?

Glauber: Wir hatten vier Ministerien in die engere Auswahl genommen, auch das Umweltressort. Ich erlebe das immer wieder, wenn ich zum Beispiel in eine Schulklasse gehe: Frage ich die Schüler, ob sie Finanzminister werden wollen oder lieber Umweltminister, dann stimmen 20 für Umwelt und fünf für Finanzen. Das zeigt, wie wichtig das Thema Umwelt ist als Zukunftsthema. Abgesehen davon haben wir im Koalitionsvertrag sehr viele Punkte gesetzt, die klarmachen, dass wir die Dinge weiterentwickeln wollen.

Einer dieser Punkte ist die Energiewende. Sie wollen keine großen Trassen im Freistaat, sondern eine dezentrale Energieproduktion. Ihnen bleiben nur noch drei Jahre, bis das letzte Atomkraftwerk in Bayern vom Netz geht.

Glauber: Die Energiewende war mit ein Grund, warum ich in die Landespolitik gegangen bin. Denn Wind und Sonne stellen keine Rechnung. Nach Fukushima hatte Bayern angekündigt, es wolle eine dezentrale Struktur schaffen. Damals hat man alles vorangetrieben und ausgebaut, Wind, Wasser, Solarstrom.

Damals hieß der Umweltminister noch Markus Söder.

Glauber: Glauben Sie mir: Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass ich ihn daran erinnere. Wir haben damals debattiert, wie wir eine sichere Energieversorgung für Bayern garantieren können. Plötzlich hat sich dann etwas gedreht und es war nur noch von den großen Trassen die Rede, in Kombination mit Kohlekraftwerken. Wenn ich nun sehe, dass die Trassen frühestens 2028 fertiggestellt sein werden, passt das nicht zusammen. Es wurde immer der Eindruck erweckt, mit dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks gingen die Lichter in Bayern aus, wenn es die beiden Trassen nicht geben sollte. Für mich greift diese Argumentation nicht mehr.

Sie meinen, dass Ihnen mehr als die drei Jahre bleiben für eine dezentrale Energiewende?

Glauber: Wir haben in Bayern eine ganze Reihe moderner Kraftwerke, die ihre Leistung binnen Sekunden regeln können. Auf der anderen Seite produzieren wir schon jetzt rund 44 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien. Darauf können wir doch aufbauen. Wir müssen beides vorantreiben – den Bau intelligenter Kraftwerke und den Ausbau der erneuerbaren Energie.

Wie wollen Sie das forcieren, beispielsweise die 10H-Regel einschränken, die den Bau neuer Windkraftwerke praktisch verhindert?

Glauber: Wir suchen gerade nach Wegen, wie wir die Photovoltaik wieder voranbringen können. Als Architekt verstehe ich nicht, warum wir bei einer bereits guten Gebäude-Isolation und der Gebäudetechnik die Vorschriften immer weiter verschärfen, statt dass wir sagen: Die Bauherren sollen dieses Geld lieber in eine Solaranlage auf dem Dach mit einem Energiespeicher im Keller investieren.

Wollen Sie neue Programme auflegen und den Ausbau der Erneuerbaren wieder anschieben?

Glauber: Grundsätzlich sollte der Freistaat mit gutem Beispiel vorangehen und jedes seiner 8000 staatlichen Gebäude energetisch sanieren, vor allem die älteren. Wir sind gerade in einer Nullzinsphase, da sollte das problemlos möglich sein. Das ist eine Investition, die sich in jedem Fall rechnet.

Der Staat ist das eine, die privaten Haushalte sind das andere. Planen Sie für sie entsprechende Förderprogramme?

Glauber: Wir als Freie Wähler werden in der Haushaltsdebatte einen entsprechenden Antrag stellen. Das haben wir in den vergangenen zehn Jahren immer gemacht.

Sie sind jetzt Teil der Regierung, da laufen die Dinge etwas anders.

Glauber: Trotzdem – wir werden den Antrag wieder stellen. Auch wenn noch offen ist, um welchen Betrag es gehen wird. Aber es werden etliche Millionen sein.

Photovoltaik dürfte noch der einfachste Teil einer dezentralen Energieversorgung sein. Sie werden wesentlich unangenehmere Themen anpacken müssen von der Wind- über die Wasserkraft bis zu Biogasanlagen.

Glauber: Ich glaube, dass in der Vergangenheit einiges schiefgegangen ist. Wir müssen die Leute mitnehmen und sie überzeugen. Wenn ein Kind heute ein Windkraftrad sieht, das seine Gemeinde mit Strom versorgt, wird es das später nicht für einen optischen Makel halten. Wenn wir die Nachhaltigkeit solcher Projekte vermitteln, wird die Akzeptanz steigen. Einer der großen Fehler war, dass wir dort weitere Windkrafträder gebaut haben, wo ohnehin schon Anlagen standen. Das ist der falsche Ansatz. Das schafft keine höhere Akzeptanz. Wir sollten uns jetzt mehr auf die Bürger konzentrieren.

Die kommunalen Energieversorger beziehen Sie mit ein?

Glauber: Absolut. Sie waren mal ganz vorne dabei. Aber dann hat die Politik sie aus dem Spiel genommen. Wir wollen sie zurückholen.

Ist die CSU in dieser Frage auf Ihrer Seite – die hat jahrzehntelang das Land regiert, aber die Bedingungen nicht geschaffen, die Sie anmahnen.

Glauber: Ich denke schon. Der Koalitionsvertrag verlangt eine sichere Stromversorgung. Er lässt aber Platz dafür, dass wir das Thema neu denken und den Klimaschutz ernst nehmen. Das geht gar nicht anders als über erneuerbare Energien.

Ihre Vorgänger haben den Fokus nicht so auf den Naturschutz gelegt, sondern einen Mittelweg gesucht, der die Bevölkerung schont. Wo wird Ihr Schwerpunkt liegen – Ihre Koalition legt sich nicht fest, wenn sie sagt, die Ökolandwirtschaft müsse vorankommen, die konventionelle dürfe aber nicht vernachlässigt werden?

Glauber: Wir müssen grundsätzlich partnerschaftlich miteinander umgehen. Der Koalitionsvertrag fixiert klare Ziele im Naturschutz. Auch in der Landwirtschaft verändert sich zurzeit ja sehr viel. Wer das nicht sieht, der tut den Bauern unrecht. Meine Interessen als Umweltminister sind zwar nicht immer deckungsgleich mit denen der Landwirtschaftsministerin. Aber wir werden gemeinsame Lösungen finden.

Zum Naturschutz gehört der Artenschutz, ein Feld, bei dem die Landwirtschaft in Verruf geraten ist.

Glauber: Das ist nicht ganz gerecht. Bei uns arbeiten viele Landwirte im Nebenerwerb und verpflichten sich trotzdem dem Vertragsnaturschutz. Sie machen das aus Leidenschaft, sie wollen die Kulturlandschaft und die Artenvielfalt erhalten. Wir werden sie brauchen in den nächsten Jahren, weil sich hier viel verändern wird. Deshalb werde ich eine naturnahe Landwirtschaft nach Kräften unterstützen.

In Franken ist das Grundwasser mit Nitrat belastet aus der Landwirtschaft. Da müssten Sie sich gegen ihre Kollegin im Kabinett stellen.

Glauber: Unser Wasser ist in der Tat ein hohes Gut, das wir schützen müssen. Es gibt kaum ein anderes Land auf der Erde, das Wasser in dieser Qualität und zu diesem Preis bieten kann. Dieses Privileg werde ich als Minister weiter verteidigen.

Heißt das, dass Sie hier aktiver werden wollen als Ihre Vorgänger?

Glauber: Ich werde bei diesem Thema ganz klar die Hand heben. Da wird man mich sehen.

Der Trinkwasserschutz gehört zum Verbraucherschutz, der sich in der Vergangenheit zum Albtraum für Ihre Vorgänger entwickelt hat mit Lebensmittelskandalen, für die sie nichts konnten. Planen Sie Veränderungen im Ministerium oder in den nachgeordneten Behörden?

Glauber: Der Verbraucherschutz ist grundsätzlich sehr gut aufgestellt. Da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel verändert, vor allem gab es eine große Reform der Lebensmittelüberwachung. Es ist ein komplexes Kontrollsystem entstanden, das den Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen in diese Kontrollen zurückgeben kann.

Das in den vergangenen Jahren ziemlich verloren gegangen ist, eben wegen dieser Skandale.

Glauber: Das Haus hat darauf reagiert. Die Verfahren sind klug aufgebaut. Wir haben ein Kontrollsystem entwickelt, das früh eingreift. So gesehen finde ich es fast schade, dass wir meistens nur vom Umweltministerium sprechen und selten vom Verbraucherschutzministerium.

Außer, es gibt wieder einen Lebensmittelskandal.

Glauber: Leider. Dabei ist es doch so wertvoll, dass wir im Supermarkt ganz selbstverständlich gute Lebensmittel vorfinden. Darum beneidet uns die halbe Welt. Dafür ist aber ein straffes und gutes Kontrollsystem notwendig. Leider konzentrieren wir uns zu sehr auf die Negativbeispiele. Da müssen wir umdenken.

 

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