Auf Tour von Tür zu Tür

2.3.2020, 11:49 Uhr
Auf Tour von Tür zu Tür

© Foto: Jürgen Eisenbrand

Aber der 33-Jährige – als Sozialdemokrat in Bayern gewohnt, mit kleineren und größeren Rückschlägen umzugehen – gibt sich unverdrossen optimistisch, schwärmt von seinen bisherigen Erfahrungen: "Die waren bislang durchweg erfreulich", sagt der selbstständige Software-Entwickler aus Markt Berolzheim. "Die Leute freuen sich", ist sein Eindruck, er habe schon viele interessante Gespräche geführt, sei zumeist sehr freundlich behandelt worden: "Nur einer hat mal seinen ganzen Frust bei mir abgelassen, und einmal wurde ich barsch abgewiesen."

Dass er am 15. März vom Wähler ähnlich barsch abgewiesen werden könnte, glaubt Hertlein nicht: Zwar gebe es einen eindeutigen Favoriten, aber seine Aussichten, gewählt zu werden bezeichnet er dennoch als "gut – und das ist nicht nur Rhetorik". Er glaube, dass es bei vier Kandidaten zu einer Stichwahl komme, "und dann habe ich eine Chance". Bisher habe er "ausschließlich positives Feedback bekommen", sagt Hertlein, wenngleich er angenehm offen einräumt: "Natürlich bewegen wir Politiker uns in einer gewissen Meinungsblase. Aber ich glaube daran, gewinnen zu können, sonst würde ich das hier nicht so ernsthaft betreiben."

"Das hier" ist ein anstrengender Wahlkampf mit vielen Terminen und Diskussionen, mit unzähligen Händen, die zu schütteln sind, Hände von Menschen, denen er erst einmal erklären muss, wer er denn eigentlich ist. "Ich bin Mathias Hertlein, der Landratskandidat", sagt er höflich, als sich endlich eine Tür in Frickenfelden auftut. Er wolle sich vorstellen und fragen, ob ihm sein Gegenüber nicht etwas mitgeben wolle. Für einen kurzen Moment sind die so Angesprochenen meist etwas verunsichert, aber dann kommt doch schnell ein Gespräch zustande. Über die geplatzte Ansiedlung eines Supermarktes im Stadtteil, die Autofahrer, die vor der Kita zu schnell fahren, den Bürgerentscheid zur Umgehung von Schlungenhof.

Hertlein hört zu, nimmt die Menschen und ihr Anliegen ernst, argumentiert sachlich. Bei lokalpolitischen Fragen verweist er bescheiden auf Paul Pfeifer, die Nummer 2 auf der SPD-Stadtratsliste in Gunzenhausen, den er als "Verstärkung" dabei habe. Und wenn er auf eine erkennbar politisch interessierte junge Frau trifft, ist er auch mal schnell beim einvernehmlichen "Du" – und bei der Frage, ob sie sich nicht vorstellen könne, sich für ihre Stadt zu engagieren; am besten natürlich bei der SPD.

Ein Klingeln bei Jürgen Meyer aus dem Kreisvorstand der FDP zeigt dann, dass Hertlein auch beim politischen Gegner punkten kann. Nach einem langen, von beiden Seiten auf hohem Niveau geführten Gespräch über die unzureichende Breitband- und Glasfaserversorgung, den Mangel an E-Tankstellen und die Probleme von Wasserstofffahrzeugen, stellt der Stadtrats-Kandidat Meyer, dessen Partei keinen eigenen Landrats-Kandidaten stellt, schmunzelnd fest: "Sie sind sympathisch, Sie könnte man wählen."

"Ich will gestalten"

"Man muss sich engagieren, um etwas zu bewegen", antwortet Mathias Hertlein auf die Frage, warum er sich neben seinem Brotberuf eine solche Wahlkampf-Ochsentour antut. Der junge Ehemann, der gerade in Markt Berolzheim, wo schon sein Großvater für die SPD im Gemeinderat saß, ein Haus baut, wird jetzt leidenschaftlich: "Ich will gestalten, nicht nur im Hinterzimmer wirken". Er habe lange überlegt, ob er kandidieren solle: "Aber es ist Zeit, etwas zu verändern, Probleme anzupacken."

Die Digitalisierung sei "verschlafen" worden, in Sachen Klimaschutz sei "zu wenig passiert", und was die viel zitierte "Bürgernähe" betrifft, könne man "in ganz Deutschland" mehr tun. "Die Leute müssen wieder mehr Vertrauen in die Politik und die Politiker bekommen", sagt er. Unter anderem deshalb mache er Wahlkampf an der Haustür, versuche so, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Trotz seiner Jugend hat Hertlein reichlich Erfahrung im harten Berufsleben gesammelt, entspricht also keineswegs dem Bild eines glatten, geradewegs in die Politkarriere strebenden Nachwuchsfunktionärs. Nach dem "Quali" in Markt Berolzheim wechselte er auf die Stephani-Schule in Gunzenhausen und von dort nach der mittleren Reife auf die Berufsfachschule für Informatik in Roth, die er nach zwei Jahren, mit 18, abschloss.

Weil ITler ohne Studium oder Berufserfahrung damals nicht gesucht waren, ging er als Produktionshelfer in die Fabrik und danach zur Bundeswehr. Nach einem kurzen Intermezzo bei der GfK in Nürnberg ging’s zurück zum Bund – als IT-Feldwebel in Landsberg/Lech. "Da hatte ich vier Monate lang rein gar nichts zu tun", erinnert er sich, "aber so wollte ich mein Leben nicht verbringen." Er kündigte, nahm verschiedene Stellen als Software-Entwickler in Erlangen, Bamberg und Berlin an, lernte daheim in B’heim seine Frau kennen – und entschloss sich 2016 zur Selbstständigkeit. "Nach vier Wochen schon war klar, dass das funktioniert", sagt er.

Ob es mit dem Einzug ins Landratsamt funktioniert, wird sich am 15. März zeigen – oder bei einer Stichwahl zwei Wochen später. Klar ist für Mathias Hertlein jedenfalls, dass er den Spitzenjob im Landratsamt für "maximal zwei Wahlperioden", also für zwölf Jahre, machen würde. Sonst bestehe, die Gefahr, dass man im Amt einen "Tunnelblick" bekomme oder abhebe.

In zwölf Jahren ist er gerade mal 45 Jahre alt – und wäre damit auf jeden Fall noch jung genug für eine neue Polit-Karriere. In München? In Berlin? Dazu will der schmächtige junge Mann, der beim Haustür-Wahlkampf in Frickenfelden soeben noch so offen geplaudert hat, lieber nichts sagen.

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