Autos verkauft man jetzt per Video: Kaum noch Nachfrage bei den Händlern

8.2.2021, 17:12 Uhr
Autos verkauft man jetzt per Video: Kaum noch Nachfrage bei den Händlern

© Foto: Isabel-Marie Köppel

Im ländlichen Raum – wie der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen einer ist – sind viele auf ihr Auto angewiesen, um etwa auf die Arbeit zu kommen. Doch seit der Pandemie hat sich einiges geändert. Denn wer zuhause im Homeoffice sitzt oder gar in Kurzarbeit gehen musste, braucht seinen Wagen wesentlich weniger. Ein Effekt, den die Autohäuser in der Region deutlich spüren.

"Seit Dezember ist das Benzingeschäft stark rückläufig", sagt Karl Oster vom gleichnamigen Autohaus in Dittenheim, der neben Neu- und Gebrauchtwagenhandel, Werkstatt und Waschanlage eben auch eine Tankstelle betreibt. Die Leute seien verunsichert vor allem seit der Ausgangssperre. Hinzu käme noch der Schnee, der in den vergangenen Wochen immer wieder fiel, und die Kundschaft zusätzlich im Haus hielt. Diese Worte überraschen zunächst, denn in der Werkstatt nebenan stehen mehrere Kunden mit ihren Autos – natürlich unter Wahrung aller geltender Vorgaben – und warten, bis sie fertig sind.


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"Gerade ist Stoßzeit, weil heute TÜV-Tag ist. Sechs Autos sind es heute, ansonsten ist tote Hose", erklärt Bettina Oster und etwas Bitterkeit schwingt in ihrer Stimme mit. Zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester Annette Zäh führt die 48-Jährige das Autohaus, das nächstes Jahr seit 50 Jahren besteht. Freuen kann sich der 72-jährige Karl Oster, der eigentlich gelernter Schmied ist und mal Rallye-Fahrer war, aber derzeit nicht bei "der Belastung und dem Druck".

Kaum Nachfrage nach Neuwagen

Die Halle mit den Neuwagen ist voll, doch kaufen mag derzeit kaum jemand einen. "Obwohl sie kommen dürften und die Autos besichtigen", weiß Karl Oster. Auf der Freifläche wäre man an der frischen Luft und auch die Ausstellungshalle sei groß genug. Schließlich würde man einen Termin vereinbaren und der Kunde wäre allein vor Ort.

Wenn etwas nachgefragt wird, "dann Gebrauchtwagen", ergänzt Bettina Oster. Sie könne das verstehen. Immerhin seien viele Leute in Kurzarbeit oder wüssten nicht, wie es weitergeht und denkt dabei an die Mitarbeiter von Pressmetall Gunzenhausen, die aufgrund der Schließung nun alle ihren Job verlieren oder bereits verloren haben.


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"Wenn wir ,mobile.de‘ und Autoscout nicht hätten, würde gar nichts gehen", sagt Annette Zäh. Das Ausbleiben der Kunden ist der 43-Jährigen auch vor Augen geführt worden, als sie jetzt die TÜV-Erinnerungen raus geschickt hat: "Viele haben 2020 komplett ausgelassen. Normalerweise sind die Kunden einmal pro Jahr da zum Kundendienst oder lassen Reifen wechseln." Seit der Pandemie scheinen jedoch die meisten nur das Nötigste machen zu lassen.

"Bei jedem drückt’s etwas auf dem Geldbeutel"

Hinzu kommen natürlich die weniger gefahrenen Kilometer. Das merkt auch Max Halbig, Inhaber des gleichnamigen Autohauses in Gunzenhausen. Aufgrund der reduzierten Laufleistung werden Leasingverträge verlängert oder Bremsbeläge, die er normalerweise tauschen würde, wenn eh am Auto gearbeitet wird und die nur noch 5000 Kilometer halten würden, fahren die Kunden nun bis zum Schluss. "Bei jedem drückt’s etwas auf dem Geldbeutel", weiß der 39-Jährige, der das nachvollziehen kann. Schließlich braucht er nur vom Autohaus auf die Kunden schließen: "Was muss das muss und alles andere, das künftig keine Nachteile bringt, wird verschoben."

Autos verkauft man jetzt per Video: Kaum noch Nachfrage bei den Händlern

© Foto: Isabel-Marie Köppel

Vergangenes Jahr sollten optische Renovierungen am Autohaus durchgeführt werden, die aber wegen der Corona-Krise zurückgestellt wurden. "Wichtig ist, dass man technisch am Laufen bleibt", sagt Halbig. Denn die Qualität dürfe nicht leiden. So spare er auch derzeit nicht an den Fortbildungen seiner Angestellten: "Die Kunden und die Mitarbeiter sind das A und O."

Zwar sei es im Frühjahr unumgänglich gewesen sie in Kurzarbeit zu schicken, und auch jetzt befänden sich einige wieder zuhause, doch das stoße laut Halbig auf Verständnis: "Die Auftragsbücher sind ja nicht voll." Mit einem Corona-Bonus versuchte er 2020 die finanziellen Einbußen seiner Leute etwas zu lindern. "Wir bleiben in der Grundeinstellung positiv und motiviert. Einknicken ist keine Option", versichert Halbig, dem diese Herangehensweise wichtig bei der Arbeit ist, wie er im weiteren Gespräch immer wieder betont: "Man darf alles verlieren – nur nicht die Motivation und den Humor."

Vielfältige Kundenstruktur hilft

"Auto Halbig" gibt es seit 94 Jahren und hat daher schon die ein oder andere Krise erlebt. 2003 trat Max Halbig (der IV) die Nachfolge an und fühlt sich der jetzigen Situation gewappnet. Jahrelang hätten sie konservativ gewirtschaftet und sich eine vielfältige Kundenstruktur aufgebaut, die sich unter Privatleuten, Großunternehmen und vielen klein- und mittelständischen Firmen aufteilt. "Das ist die Vorarbeit, die man leisten muss, um für eine Krise vorbereitet zu sein", fasst Halbig zusammen.


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Corona sei für jeden ein Problem – auch für Unternehmen, gibt der zweifache Familienvater zu bedenken: "Daher müssen wir einen Kurs fahren, damit es am Schluss wieder für alle läuft." Die langfristigen Folgen der aktuellen Krise fürchtet er. Die Probleme, die jetzt entstünden, bekäme man erst noch zu sehen: "Die finanzielle Struktur wird nachhaltig geschwächt sein."

Auch Bettina Oster treiben diese Sorgen um. "Ich habe öfter mal schlaflose Nächte. Wie beschäftigt man die Mitarbeiter? Wenn eine Lieferung ansteht, muss die bezahlt werden", kreisen dann die Gedanken. Doch gleichzeitig weiß sie: "Wenn es an einer Ecke enger wird, wird es an der anderen wieder besser." So ist die Nachfrage nach Wohnmobilen, die sie auch verkaufen, bekanntermaßen groß. Außerdem hätten sie das Glück, keine Miete oder Pacht zahlen zu müssen.

Sparsamkeit macht sich jetzt bezahlt

Gleichzeitig profitieren die Osters jetzt von ihrer Philosophie: "Was wir uns nicht leisten können, kaufen wir nicht." Ihr Vater hat immer alles in den Betrieb gesteckt, nie Geld heraus genommen, beinahe schon ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn er einmal in den Urlaub fuhr, rechnet ihm seine Tochter hoch an. All dem ist zu verdanken, dass die Osters jetzt so dastehen – ein Status, den nicht viele im Landkreis haben, wie sie glauben.

Bisher konnte die Familie noch verhindern, ihre Mitarbeiter im zweiten Lockdown in Kurzarbeit zu schicken. Zunächst wurden die Urlaube im alten Jahr abgebaut, dann stand die Inventur an und nun wird das Lager umgebaut und der Gebrauchtwagen-Bestand aufgefüllt. Um diesen dann an den Mann oder die Frau zu bringen, braucht es ein wenig Kreativität und Ideen.

So haben die Osters erst vor kurzem einem Österreicher ein Auto per Video präsentiert, der Kaufvertrag wurde dann online abgewickelt – eine Option, die jeder nutzen kann. Max Halbig berichtet auch von Online-Anfragen, die per E-Mail oder über den Hersteller eingehen. Videos in Kombination mit Telefonberatung "ergeben ein gutes Bild". So scheut Halbig auch nicht den Mehraufwand einen Wagen auf die Hebebühne zu stellen, um dem Kunden per Video ein Blick auch unters Auto zu gewähren.