Barrierefreiheit: Mehr als niedrige Bordsteine

4.12.2020, 06:03 Uhr
Barrierefreiheit: Mehr als niedrige Bordsteine

© Foto: Marianne Natalis

Die Freien Wähler hatten beantragt, das Thema einmal umfassend zu beleuchten. Daraufhin lud Bürgermeister Karl-Heinz Fitz nicht nur Vertreter des Seniorenbeirats, sondern auch von Regens Wagner sowie dem Burkhard-von-Seckendorff-Heim zu einem Workshop in die Stadthalle ein. Auch der Behindertenbeauftragte des Landkreises nahm daran teil.

Die Ergebnisse präsentierten nun Ingeborg Herrmann, im Rathaus zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, und Simone Teufel. Die Stadtbaumeisterin erläuterte die vorgeschlagenen baulichen Maßnahmen, angefangen von einer Rollatorspur in Pflasterbereichen ("Haben wir auf dem Schirm") bis hin zur ansprechenden Gestaltung öffentlicher Plätze.

Vor Probleme stellt Menschen mit Handicap sowie Senioren oft die Sonnenstraße, die in ihrem oberen Bereich als zu steil empfunden wird, im unteren Bereich behindern auf den Gehsteig ragende Treppen das Fortkommen. Hier allerdings sieht Simone Teufel wenig Chancen auf Veränderung.

Bordsteine - Hürde für Rollstuhlfahrer

Bei Bordsteinabsenkungen sollte darauf geachtet werden, dass der Höhenunterschied Null beträgt. Dies ist beispielsweise am Zebrastreifen vor dem Burkhard-von-Seckendorff-Heim nicht der Fall und deshalb eine Hürde für Rollstuhlfahrer. Als viel zu kurz für ältere Menschen wurde die Ampelschaltung in der Nürnberger Straße (siehe unten) kritisiert.

Barrierefreiheit: Mehr als niedrige Bordsteine

© Foto: Fredrik von Erichsen/dpa

Ein weiterer Punkt auf der Liste der gewünschten Verbesserungen ist ein Bewegungsparcours an der Promenade. Ein solcher existiert bereits beim Altenheim, "da sehe ich leider nie viele Leute drauf", meinte die Stadtbaumeisterin. Allerdings herrsche an der Promenade mehr Fluktuation, weshalb sie Chancen auf eine Umsetzung sieht.

Ein wichtiger Bereich hin zur Barrierefreiheit ist die Kommunikation. "Leichte Sprache" heißt hier das Zauberwort für Flyer, Behördenschreiben, Webseiten und ähnliches. Wie das in der Praxis aussieht, zeigte Ingeborg Herrmann in ihrer Präsentation: Der Text war mit erklärenden Bildern und Symbolen versehen.

Informationen sollten auch Menschen, die in der digitalisierten Welt nicht zu Hause sind, zugänglich gemacht werden. Die Müllfibel etwa, die weitestgehend durch die App ersetzt wurde, gibt es deshalb als "Light"-Version immer noch in gedruckter Form.

Es geht dabei auch um Wertschätzung

Zur schrankenlosen Kommunikation gehört aber auch, dass man auf seine Wortwahl achtet. Das meint die Berichterstattung ebenso wie den Umgang mit Senioren und gehandicapten Menschen in Geschäften. Es gehe dabei um Wertschätzung, macht Herrmann klar. Hier wird an Personalschulungen gedacht.

Und wie sieht es mit der barrierefreien Mobilität aus? Da wird an erster Stelle der Gunzenhäuser Bahnhof genannt. Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte haben hier wenig bis keine Chance, einen Zug zu besteigen. Ein Umbau allerdings ist Sache der Bahn. Viel besser sieht es da beim Stadtbus aus, hier werden die Haltestellen bereits seit Jahren sukzessive barrierefrei ausgebaut, berichtete Teufel.


Gunzenhausen: Schritt für Schritt barrierefrei


Selbstverständlich gibt es in Gunzenhausen extra Parkplätze für Behinderte, allerdings sind sie häufig nicht breit und lang genug für Rollibusse. Hier kann die Stadtbaumeisterin aber keine "schnelle Lösung" versprechen, im Gegenteil: "Manche Dinge werden wir nicht ändern können."

Doch auch darüber hinaus warten im Alltag noch viele Schranken auf Menschen mit Behinderungen oder Senioren. Da gibt es Fenstergriffe, die für Rollstuhlfahrer viel zu hoch angebracht sind, manche Produkte ganz oben im Supermarktregal sind für sie ebenfalls unerreichbar.

Immer mehr Senioren

Inklusion, machte Thomas Thill, der 2. Vorsitzende des Seniorenbeirats, in der Stadtratssitzung deutlich, geht nicht ohne Barrierefreiheit. Und auf diese angewiesen zu sein, das kann früher oder später jeden treffen. Nur vier Prozent aller Behinderungen sind angeboren, in den meisten Fällen werden sie durch Krankheit, Unfälle oder schlicht das Alter ausgelöst. Und die Gruppe der Senioren wächst: Lag der Anteil der 65- bis 79-Jährigen 2018 noch bei 16,5 Prozent der Bevölkerung, so werden es 2030 21,6 Prozent sein, prognostiziert die Bertelsmann-Stiftung.

Nach der Bestandsaufnahme und der Bedarfsanalyse ist nun der Stadtrat am Zug. Er muss, darauf wies Teufel am Ende des Vortrags hin, die Ziele formulieren, aus denen ein Konzept erarbeitet werden könnte. In der kurzen Aussprache wurde deutlich, dass die Stadträte mit diesem Vorgehen einverstanden sind. "Da können wir jetzt weiterarbeiten", bemerkte etwa Dr. Werner Winter erfreut darüber, dass der Antrag seiner Fraktion von der Verwaltung so ausführlich bearbeitet wurde.

Laut Angela Schmidt (SPD) sollte sich der Stadtrat für dieses Thema einmal einen Nachmittag lang Zeit nehmen, Peter Reitmaier (Piraten) forderte, auch die jüngere Generation mit einzubeziehen und Julia Braun (Freie Wähler) fand es richtig, den Stadtmarketingverein mit ins Boot zu nehmen. Gerald Brenner (CSU) vermisste in der Bestandsaufnahme die Ortsteile, die dürften nicht unter den Tisch fallen.


Ampelschaltung ist kompliziert

Einen Fußgängerübergang länger auf Grün zu schalten kann sich auf das gesamte System auswirken. Die Grünphase für Fußgänger in der Nürnberger Straße zu verlängern, wie vom Seniorenbeirat gefordert, ist deshalb weder einfach noch schnell umsetzbar.

Ampelschaltung, sagt Hauptamtsleiter Klaus Stephan auf Anfrage, ist "hochkompliziert". Diese so abzustimmen, dass das System der Lichtanlagen in der Stadt reibungslos ineinander greift, ist deshalb Sache einer Fachfirma. Würde man einfach eine Ampelphase um ein oder zwei Sekunden verändern, würde sich das bei der nächsten Ampel gleich um zehn oder mehr Sekunden auswirken, erläutert Stephan.

Ein weiterer Hinderungsgrund, hier verändernd einzugreifen, ist ein – bindender – Beschluss des Bau- und Umweltausschusses. Das Gremium hat diese Ampelschaltung vor vielen Jahren so festgeschrieben. Das sei auch eine "verkehrliche Frage", hatte Stephan im Stadtrat erläutert, und zwar die, ob man den Verkehr anhalten wolle, oder ob er möglichst fließen solle.

Ebenfalls komplizierter, als man denken mag, ist es, Ampeln mit einem akustischen Signal auszustatten, damit auch Blinde und Sehbehinderte die Straße sicher queren können. Das hatte Peter Schnell (Grüne) gefordert.

Weniger die Umrüstung ist dabei nach Worten von Bürgermeister Karl-Heinz Fitz das Problem, sondern vielmehr die Anwohner, die das Piepsen auf Dauer als störend empfinden.

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