Brombachsee: Raub und Schläge statt Erotik-Date

12.12.2020, 08:14 Uhr
Brombachsee: Raub und Schläge statt Erotik-Date

© Foto: Limes-Luftbild.de

Es gibt verschiedene Arten, um an Geld zu kommen. Die allermeisten probieren es mit ehrlicher Arbeit und kommen dadurch mehr oder minder gut über die Runden. Es gibt aber auch Zeitgenossen, die denken sich ziemlich schräge Geschäftsmodelle aus, um ans schnelle Geld zu kommen. Solch ein Fall war jüngst Gegenstand einer Verhandlung vor dem Ansbacher Landgericht. Zwei Delikte wurden an einem Tag verhandelt, die nur auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.

Erhard Walter und Öktem Demir (alle Namen geändert), zwei Kumpels aus Weißenburg und Pleinfeld erstellten ein "Fake-Profil" einer minderjährigen "Natalie" in einer einschlägigen Dating-App. Damit wollten sie ahnungslose Männer zu einem Treffen locken, um sie zu erpressen und zu berauben. Zwei Versuche schlugen fehl, sie wurden ausgelacht, und ein Mann war nicht bereit, auch nur einen Cent zu zahlen.

Nicht misstrauisch geworden

Aus der Schmach haben die beiden 23-Jährigen ihre eigenen Schlüsse gezogen. Ludwig, ein junger Mann aus Forchheim, hatte angebissen. Öktem und er chatteten fleißig hin und her, Öktem gaukelte Ludwig etwas vor, und der glaubte, tatsächlich, schon bald eine junge attraktive Frau zu treffen. "Für 100 Euro kannst du alles, was an Sex möglich ist, mit mir machen", las er schwarz auf weiß auf seinem Smartphone, und der junge, übergewichtige angehende Pflegefachmann jubelte innerlich: "Jackpot!"

Der Verstand setzte offensichtlich aus, er wurde auch nicht misstrauisch, als es hieß, das Treffen solle an der Badehalbinsel Absberg am Großen Brombachsee stattfinden. Bei jämmerlich-kalten Temperaturen am Sonntag, 16. Februar, diesen Jahres, abends um halb neun.

Als Ludwig seinen PKW auf dem leeren Parkplatz der Badehalbinsel um 20.10 Uhr abstellte, wurde er bereits erwartet. Er war zwar schon mal zum Baden am See, aber nicht im Winter, erzählte er dem Gericht.

Per Chat lotste Öktem ihn zu einem unbeleuchteten Fußweg Richtung Badestrand. Dort warteten die Kumpels, mit Sturmhauben vermummt, auf ihr Opfer. Erhard hatte einen schwarzen Aluminium-Baseballschläger bei sich, um für alle Fälle gewappnet zu sein, argumentierte er zehn Monate später.

Brenzlige Situation

Dann ging alles ganz schnell. Ludwig erblickte die beiden bedrohlich aussehenden Figuren, die sich aus der Deckung eines Gebüsches hervorwagten, und da setzte sein Verstand blitzschnell wieder ein: kein "romantisches Date" mit einer "flotten Biene", sondern eine extrem brenzlige Situation.

Auf der Stelle kehrte er um, rannte, so schnell er konnte. Aber nur zehn Meter weit. Dann rutschte er auf dem glitschigen Matschboden aus und stürzte. Erhard und Öktem beschlossen eine Planänderung. Keine Erpressung, jetzt hieß es: Geld her, und zwar zackig!

"Liegenbleiben", schrien sie das Opfer an. Doch Ludwig richtete sich auf und bekam den gefährlich schwingenden Baseballschläger zu fassen. Es kam zum Gerangel, Öktem nahm Ludwig in den Schwitzkasten, und Erhard setzte mit einem gezielten Schlag an den Kopf dem Treiben ein Ende. Jetzt war der Weg zum Geldbeutel frei.

Die beiden jungen Männer fanden 200 Euro, Führerschein, EC-Karte und Autoschlüssel. Ludwig blutete am Kopf, er war außer Gefecht. "Lasst mir den Führerschein und die Autoschlüssel", jammerte er, und die beiden schmissen die Sachen in den Dreck. Leicht torkelnd ging er zu seinem Auto zurück, rief seine Eltern an, die ihn umgehend abholten. Öktem und Erhard machten halbe-halbe und verschwanden in der Nacht. Ihr Geschäftsmodell ging zwar auf, aber völlig anders als geplant.

Noch in derselben Nacht erstattete das Opfer Anzeige beim Bamberger Kriminaldauerdienst. Der nahm Kontakt mit den Ansbacher Kollegen auf, und eine umfangreiche Tätersuche begann. Dank einer Funkzellenanalyse vom Tattag und dem Tatort konnten die Ermittler den Täterkreis relativ schnell einkreisen – und kamen so Erhard Walter und seinem Kumpel Öktem Demir auf die Spur.

Rauschgift sichergestellt

Und dann kam auch noch Kommissar Zufall zur Hilfe: Bei einer Polizeikontrolle im März auf der Staatsstraße 2222 von Pleinfeld nach Gunzenhausen fanden Polizeibeamte unter anderem Amphetamine in Erhard Walters Auto. Er war gerade unterwegs nach Gunzenhausen, um in zwei einschlägig bekannten Innenstadt-Kneipen das Speed an Kunden zu verticken.

Bei der fälligen Wohnungsdurchsuchung wurde eine weitaus größere Menge an Rauschgift im Wert von mehreren tausend Euro sichergestellt. Dazu ein Kampfmesser, Pfefferspray und ein Teleskop-Schlagstock. Im Zuge dieser Ermittlungen gestand Erhard auch die Tat an der Badehalbinsel in Absberg. Zudem erzählte er den Beamten genau, wo was zu finden ist in seiner Wohnung. Die Handschellen klickten, der Haftrichter erließ umgehend Untersuchungshaft.

Staatsanwalt Matthias Jarschel stufte das Geschehen jetzt als schweren Raub mit gefährlicher Körperverletzung ein. Landgerichts-Vizepräsident Claus Körner und sein Kollege Stephan Winter wollten es haarklein wissen: "Wo genau standen Sie, wo standen die beiden Angeklagten?", fragten sie das Opfer Ludwig. Der eine vor, der andere hinter mir, konnte er sich noch ungefähr erinnern: "Es war dunkel, ich weiß nur, dass der eine größer war als der andere." Der kleinere war Erhard.

Tatsache war, dass der Forchheimer am Boden gelegen war, mit dem Baseballschläger geschlagen wurde und einen Tritt gegen die Brust bekam: "Es tat höllisch weh." Das belegte auch das ärztliche Attest des Klinikums in Forchheim. Allein die Kopfwunde musste mit sechs Stichen genäht werden.

Lang und breit wurde über die Frage gerungen, wer zuschlug und wie der Baseballschläger eingesetzt wurde. Richter Körner stellte einen Karton mit den sichergestellten Asservaten auf den Richtertisch. Die beiden Pflichtverteidiger Andreas Hauptstock aus Schwabach (Öktem Demir) und Cornelia Nöller aus Ansbach (Erhard Walter) begutachteten die einzelnen Teile – und vor allem den Aluminiumschläger. "Damit kann man schon ordentlich zuschlagen", meinte fast anerkennend der Richter.

Dann trat Erhard Walter auf den Plan. An beiden Füßen gefesselt, ging er mit kurzen Trippelschritten zum Richtertisch. "Darf ich mal?", fragte er in die Runde, und Körner gab ihm den Baseballschläger. Jetzt hatte er die Waffe auf einmal selbst wieder in der Hand. Sofort sprangen zwei Polizisten auf und griffen zu ihren Pistolen. Zwar nur für einen Moment, die Situation war trotzdem äußerst angespannt. Erst als Erhard den Schläger wieder aus der Hand legte, setzten sich die Beamten hin und guckten sich leicht ungläubig an.

Feinwaage und Kanülen

Es war ein Prozess, der sich in die Länge zog. Das lag vor allem daran, dass zwei unterschiedliche Delikte miteinander verhandelt wurden. Und die Corona-Pandemie spielte auch eine Rolle: In regelmäßigen Abständen wurde der gesamte Gerichtssaal durchgelüftet.

Neben dem Opfer wurden nur noch die ermittelnden Beamten in den Zeugenstand gerufen. Dabei ging es um die genaue Menge der Amphetamine, eine gefundene Feinwaage, Kanülen, Spritzen, Handfesseln. Erhard zeigte sich kooperativ und gab nach und nach zu, was er wie gemacht hat. Auch sein eigener, jahrelanger Konsum von Speed und anderen Substanzen wurde ausführlich thematisiert.


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Der psychiatrische Gutachter Albrecht Kirchner-Zeitz aus Bad Windsheim untersuchte Erhard, und dieser sagte ihm wörtlich: "Ich bin ein Katastrophenkind." Kein Schulabschluss, überall, wo er jobbte, aufgegeben. Mit 15 begann der regelmäßige Konsum von Ecstasy, Kokain kam dann mit 20. Dazu Alkohol und "sehr viel Zeit und Energie, Geld zu beschaffen", wie er sagte. Ein wahrer Teufelskreis.

Öktem hingegen glänzte in früheren Jahren mit sehr guten Noten, besuchte sogar zeitweise das Gymnasium seiner Heimatstadt Weißenburg. Er absolvierte erfolgreich eine Lehre als Maler und Lackierer, geriet aber dann auf die schiefe Bahn; denn beide jungen Männer planten gemeinsam die Tat. Staatsanwalt Jarschel sprach in seinem Plädoyer von einem "perfiden Verbrechen", das geahndet werden muss. Noch einmal listete er penibel die einzelnen Straftaten auf und forderte für Erhard fünf Jahre und sechs Monate für den schweren Raub, und drei Jahre für den schwunghaften Handel mit Drogen. Für Öktem fünf Jahre.

Tränen im Gerichtssaal

Die beiden Verteidiger versuchten, das Beste für ihre Mandanten herauszuholen. Möller sprach von einem minderschweren Raub und einem Versehen, dass der Baseballschläger zum Einsatz kam. Hauptstock fragte in die Runde: "Wem glauben wir? Wir wissen es nicht genau, wer was getan hat."

Öktem brach in Tränen aus, sein Vater saß im Zuhörerraum, weinte hemmungslos. Und Erhard gelobte Besserung. Dann, nach 11 (!) langen Stunden, wurde kurz vor 21 Uhr das Urteil gesprochen: vier Jahre Haft für Öktem und insgesamt 7,5 Jahre für Erhard. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt inklusive.